Sonntag, 31. August 2025

Meine August-Bücher

Nachdem ich es tatsächlich geschafft habe, den Überblick über die Bücher zu behalten, die ich im Juli gelesen habe, habe ich beschlossen, ich versuche das mal so weiterzumachen, hier ist also mein August-Post.
Nochmal - für mich ist interessant, wieviele Bücher ich in einem Monat fertiggelesen habe (nicht unbedingt im gleichen Monat angefangen) und wieviele ich den Katzen vorgelesen habe, was natürlich länger dauert, diese sind mit 
😸 markiert.
Vielleicht füge ich hier und da einen kleinen Hinweis darauf hinzu, warum ich ein Buch ausgewählt habe, aber ich werde die Bücher nicht bewerten, weil ich Bewertungen ohne Erklärung nicht mag, und ich gestehe, daß ich dafür gerade nicht die Geduld habe. Die Katzen lehnen es ebenfalls ab, Bewertungen abzugeben 
😉
 

1. "Verschwundene Fracht" = "Cargo of Eagles" von Margery Allingham (von ihrem Ehemann Philip Youngman Carter nach ihrem Tod fertiggestellt), Erstveröffentlichung 1968
(Albert Campion 19)



Ein Dorf voller Schmuggler und Geheimnisse und schließlich auch noch Mord.
Campion und seine Kollegen müssen einen Fall lösen, der mit dem Raub auf einer Jacht zusammenzuhängt scheint, der Jahre zuvor geschehen ist.


Dies ist Teil meines Vintage-Krimi-Projekts, für das ich mir eine ganze Ladung Bücher von Marsh und Allingham besorgt habe.

2. 
"Der Tod des Narren" = "Death of a Fool" (auch als "Off With His Head") von Ngaio Marsh, Erstveröffentlichung 1956
(Roderick Alleyn 19)



Während des "Tanzes der fünf Söhne", einem alten folkloristischen Ritual, das Elemente des Moriskentanzes, Schwerttanzes und Mummenschanz enthält, wird "der Narr", Vater der fünf Söhne getötet.
Alleyn ermittelt in dem kleinen Dorf, dessen Bewohner ihre Geheimnisse nicht leicht preisgeben.

Dies ist Teil meines Vintage-Krimi-Projekts, für das ich mir eine ganze Ladung Bücher von Marsh und Allingham besorgt habe.

3. 
"Mord im Atelier" = "Artists in Crime" von Ngaio Marsh, Erstveröffentlichung 1938
(Roderick Alleyn 6)



Eine Klasse mit jungen Künstlern muß geschockt mit ansehen, wie ihr Modell vor ihren Augen stirbt, von einem Messer getötet, das in der Drapierung auf dem Podest, auf dem sie posiert, versteckt ist.
Die Tatsache, daß Alley sich gerade in die Künstlerin verliebt hat, die die Klasse leitet, macht die Ermittlung für ihn nicht einfacher.


Dies ist Teil meines Vintage-Krimi-Projekts, für das ich mir eine ganze Ladung Bücher von Marsh und Allingham besorgt habe.

4. 
"The Velveteen Rabbit or How Toys Become Real" von Margery Williams, Erstveröffentlichung 1922


Ein kleiner Junge bekommt einen Samthasen zu Weihnachten. Zuerst spielt er nicht damit, aber eines Tages gibt ihm die Nanny den Hasen zum Einschlafen und von da an wird er sein Lieblingsspielzeug. Wird der Hase "wirklich" werden, wie ihm das weise Pferdchen gesagt hat?

Ich habe schon so oft von diesem Buch gehört, es aber vorher nie selber gelesen, weil es hier in Deutschland kein Kinderbuchklassiker ist. Es war an der Zeit, ein paar Minuten zu investieren und das zu ändern.

5. "The Last Bookshop in London" von Madeline Martin, Erstveröffentlichung 2021
 

Grace muß vom Land nach London ziehen, gerade als die Stadt beginnt, sich auf den Krieg mit Deutschland vorzubereiten. Sie bekommt eine Anstellung als Verkaufsassistentin in einem Buchladen, was ihr Leben verändern wird.

Eine Freundin hat Martins neuestes Buch empfohlen und ich dachte mir, ich könnte mit ihren älteren anfangen, solange ich auf der Warteliste für das neue stehe.

6. "Treasure Island" von Robert Louis Stevenson, Erstveröffentlichung 1883 😸



Um mit Stevensons Worten zu sprechen "... erfahren, daß es um Freibeuter geht, daß es im Pub Admiral Benbow an der Küste von Devon beginnt, daß es um eine Karte und einen Schatz und eine Meuterei und ein verlassenes Schiff geht ... Es ist ein recht alberner und entsetzlicher Spaß ..."

"Die Schatzinsel" war als einer der Weihnachtsvierteiler im Fernsehen Teil meines Lebens (ich schaue sie immer noch regelmäßig an, mein Favorit), aber, Schande über mich, ich hatte sie nie gelesen.
Nun will der Dekan unbedingt Freibeuter werden, ich hätte wissen sollen, daß das passieren würde!

7. "Das Todesspiel" = "A Man Lay Dead" von Ngaio Marsh, Erstveröffentlichung 1934
(Roderick Alleyn 1)




Ein junger Journalist wird zu einer Wochenendparty in einem Landhaus eingeladen. Es wird verkündet, daß man das beliebte Mörderspiel spielen wird, doch bald wird aus dem Spiel grausame Realität.

Dies ist Teil meines Vintage-Krimi-Projekts, für das ich mir eine ganze Ladung Bücher von Marsh und Allingham besorgt habe.

8. 
"The Three Investigators in The Secret of Skeleton Island" = "Die drei ??? und die Geisterinsel" von Robert Arthur, Jr. (die Bücher wurden unter Nennung von Alfred Hitchcock als Autor veröffentlicht), Erstveröffentlichung 1966 😸
(Die drei ??? 6 (amerikanisch), 11 (deutsch))   

 
Jemand sabotiert die Crew, die auf der Geisterinsel filmt. Peters Vater, der zur Crew gehört, schaltet Die drei ??? ein. Gibt es einen Geist oder einen Piratenschatz oder was könnte sonst der Grund für die Sabotage sein?

Ich habe diese Reihe vor langer Zeit gelesen und mache sie jetzt nochmal Stück für Stück durch, nachdem ich einen Blogpost darüber geschrieben habe. Dieses Buch ist das sechste in der Originalreihe und das elfte in der deutschen Reihe.

9. 
"The Enchanted Greenhouse" = "The Enchanted Greenhouse: Ein Schimmer der Hoffnung" von Sarah Beth Durst, Erstveröffentlichung 2025
(Spellshop 2)



Die Bibliothekarin Terlu wurde in eine Statue verwandelt, um sie dafür zu bestrafen, daß sie auf magische Weise eine empfindungsfähige Pflanze erschaffen hat.
Jahre später findet sie sich, wieder lebendig, auf einer Insel mit einem riesigen verzauberten Gewächshaus wieder, dessen Magie zu versagen scheint, und mit dem einsamen Gärtner, der sich darum kümmert und hofft, daß sie ihm dabei helfen kann, es zu retten.

Ich habe auch das erste Buch gelesen und das zweite erwischt, als es gerade in der Bibliothek eingegangen ist.


10. "Mary Poppins in the Kitchen" von P. L. Travers, Erstveröffentlichung 1975


Ellen, das Mädchen, ist krank, Mrs. Brill, die Köchin, muß ihrer Schwester helfen gehen, deren Kinder krank sind, und Mr. und Mrs. Banks haben eine Reise für eine Woche geplant! Wer wird das Essen kochen? Nun, Mary Poppins natürlich, mit Hilfe der Kinder und einiger ihrer Freunde und Verwandten.

Seltsamerweise hatte ich dieses kurze Mary-Poppins-Buch noch nicht gelesen.

11. 
"Skinner's Baby" von Henry Irving Dodge, Erstveröffentlichung 1917 😸


Das zweite Buch in der unbeschwerten Skinner-Reihe (das ebenfalls einen Stummfilm inspirierte, der allerdings als verloren angesehen wird) handelt von den ersten Jahren von Baby Skinner, dem Sohn von Skinner und Honey, und davon, wie sich die Art und Weise, wie man sein Kind erzieht, als erstaunlich gut für das Geschäft erweisen kann.

Ichhabe das erste Buch gelesen, nachdem ich eine der Stummfilmversionen davon angeschaut habe, und habe die anderen als leichte Lektüre auf meine Liste gesetzt.
Das "Training" des Kinds, wie es im Buch heißt, ist in mancher Hinsicht recht progressiv, wenn man das Alter des Buchs bedenkt.

Mein Bibliothekarinnenherz mochte, das dies vom Archivexemplar des Verlags digitalisiert wurde - "außer mit Erlaubnis des/der Bibliothekars/in", aah, die Macht! 😄



12. 
"The Woman in the Hall" von Gladys Bronwyn Stern, Erstveröffentlichung 1939


"Besuche machen" hat in diesem Buch, das im England der 20er spielt, eine andere Bedeutung. In Lornas Welt heißt Besuche machen, eine oder beide ihrer kleinen Töchter zu reichen und berühmten Leuten in der Stadt mitzunehmen, um ihnen mit erfundenen Geschichten, die auf die Tränendrüse drücken, Geld abzuschwindeln - ein gefährliches Spiel für sie, aber auch für die Mädchen, als sie älter werden.

Dies war eine Empfehlung von Liz von "Adventures in reading, running and working from home" (hier ist ihre Rezension auf Englisch) und ich habe es wirklich sehr gern gelesen.
Ich habe gesehen, daß es auch einen Film davon gibt, mit Jean Simmons als eine der Schwestern. Will ich ihn anschauen? Ich weiß noch nicht.

13. 
"My Man Jeeves" von Pelham Grenville Wodehouse, Erstveröffentlichung 1919


Dies ist eine Sammlung von komischen Kurzgeschichten, in denen zur Hälfte Jeeves und Bertie Wooster vorkommen und zur anderen Hälfte Reggie Pepper, ein Prototyp von Bertie.
Bertie Wooster ist ein englischer Gentleman, einer der reichen Müßiggänger, und Jeeves ist sein Kammerdiener, dessen Intelligenz Bertie und seine Freunde aus der einen oder anderen Patsche hilft.

Lisa von
 Boondock Ramblings hat angefangen, "Jeeves und Wooster"-Geschichten zu lesen, und da meine letzte Wodehouse-Lektüre Ewigkeiten her war, habe ich für den Anfang diese Sammlung ausgesucht.

14. 
"Told After Supper" = "Erzählt nach dem Abendessen" von Jerome K. Jerome, Erstveröffentlichung 1891


Mit der Hilfe von "etwas" Weihnachtspunsch, erzählt eine Gruppe von Männer einander Geistergeschichten. Nach dem Abendessen.

Das ist ein Titel, den ich aus meinem DNF "Ghostland" habe. Eine kurze aber sehr lustige Lektüre mit großartigen Illustrationen, das könnte definitely von jetzt an eine Rituallektüre für Heiligabend werden.

15. 
"The Thwarting of Baron Bolligrew" = "Der kleine dicke Ritter" von Robert Bolt, Erstveröffentlichung 1962


Ein Herzog sendet einen seiner Ritter auf die Bolligru-Inseln, um sich dem bösen Baron und einem Drachen, die dort leben, entgegenzustellen.

Ich habe das Original-Kindertheaterstück für einen anstehenden Blogpost über den deutschen Kinderroman, der auf dem Stück basiert, gelesen.

16. 
"Witches Abroad" = "Total verhext" von Terry Pratchett, Erstveröffentlichung 1991 😸
(Scheibenwelt 12 - Hexen 3)


Warum verlassen drei Hexen ihr Heim in Lancre, um nach Genua zu fliegen und zu verhindern, daß ein Mädchen den Prinzen heiratet?
Kleiner Tip - Geschichten können gefährlich sein und Spiegel ebenfalls.

Es war langsam Zeit, daß der Dekan anfängt, etwas über die Scheibenwelt zu lernen, immerhin ist er nach einem ihrer Zauberer benannt.
Das ist eins der Bücher, die ich immer wieder lese, diesmal aber zum ersten Mal auf Englisch.

17. 
"Mylord mordet nicht" = "Swing, Brother, Swing" von Ngaio Marsh, Erstveröffentlichung 1949
(Roderick Alleyn 15)



Der Akkordeonspieler einer Big Band wird auf der Bühne ermordet. Alleyn muß herausfinden wie, von wem und warum.


Dies ist Teil meines Vintage-Krimi-Projekts, für das ich mir eine ganze Ladung Bücher von Marsh und Allingham besorgt habe.
Ich habe gesagt, ich würde die Bücher nicht bewerten, aber um ehrlich zu sein, auf das hier hätte ich sehr gut verzichten können.

18. "Born a Crime" = "Born a Crime - Als Verbrechen geboren" von Trevor Noah, Erstveröffentlichung 2016


Trevor Noah, nun als Comedian bekannt und ehemaliger Host der "Daily Show", wurde in Südafrika geboren, als Sohn einer Xhosa-Frau und eines Schweizers, was unter Apartheid ein Verbrechen war. Das Buch erzählt die Geschichte, wie er unter diesen Bedingungen aufwuchs.

Das Buch war die Empfehlung einer meiner Freundinnen.

19. 
"The Black Dudley Murder" (US-Title, in UK als "The Crime at Black Dudley") = "Mord in Black Dudley" (auch als "Der italienische Dolch") von Margery Allingham, Erstveröffentlichung 1929
(Albert Campion 1)



Während einer Hausparty auf Black Dudley wird der Gastgeber getötet. Waren es die offensichtlichen Gauner, die unter den Gästen sind, wer genau sind sie und wonach suchen sie?


Dies ist Teil meines Vintage-Krimi-Projekts, für das ich mir eine ganze Ladung Bücher von Marsh und Allingham besorgt habe.

20. 
"The Very Secret Society of Irregular Witches" = "Miss Moons höchst geheimer Club für ungewöhnliche Hexen" von Sangu Mandanna, Erstveröffentlichung 2022


Hexen sollen nicht lang zusammen an einem Ort sein, um zu vermeiden, daß sie entdeckt werden.
Deshalb ist sich Mika Moon nicht ganz sicher, was geschehen wird, als sie das Angebot erhält, drei Hexenkinder in Magie zu unterrichten.

Mandannas neues Buch war gerade ein Neuzugang auf Overdrive Baden-Württemberg, ich dachte mir, während ich dafür auf der Warteliste stehe, nehme ich mir das hier als schnelle Lektüre vor.


21. "The Willows" = "Die Weiden" von Algernon Blackwood, Erstveröffentlichung 1907


In dieser übernatürlichen Erzählung sind der Erzähler und sein Freund, der Schwede, auf einem Kanutrip die Donau hinunter, als sie vom Wetter gezwungen werden, einen Halt auf einer kleinen Insel voller Weiden einzulegen.
Bald beginnen sie mysteriöse Wesen um sich herum zu spüren.

Diese Novelle war einer der Titel aus dem DNF dieses Monats, die ich mir notiert habe.

22. "The Windsor Knot" = "Das Windsor-Komplott" von S. J. Bennett, Erstveröffentlichung 2020
(Her Majesty the Queen Investigates 1 = Die Fälle Ihrer Majestät 1)



Als ein Musiker auf Windsor Castle ermordet wird, ermittelt die Queen höchstpersönlich - natürlich nicht offen - mit Hilfe ihrer Assistentin Rozie.

Ich glaube, ich bin dank einer Empfehlung in Overdrive hierüber gestolpert, und dachte mir, ich probiere das mit dem "Cozy Crime" nochmal, um den Monat zu beenden.



DNF:

"Ghostland: In Search of a Haunted Country" von Edward Parnell, Erstveröffentlichung 2019


Aus der Beschreibung: "In Ghostland geht Parnell auf die Suche nach den 'abgekapselten Orten' der Britischen Inseln, unseren einsamen Mooren, unseren moosbewachsenen Friedhöfen, unseren kargen Küsten und unseren volkstümlichen Wäldern. Er erkundet, wie diese Landschaften ein kaleidoskopisches Spektrum von Literatur und Kino heraufbeschworen und geformt haben ..."

Ich habe auf Seite 258 von 405 aufgegeben, mitten in einem Kapitel.
In dem Buch geht es um die Reise des Verfassers, auf der er nicht nur Orte besucht, die eine Verbindung zu Literatur und Filmen haben, und Geschichten von Autoren, Büchern und Filmen erzählt - was mein Interesse erregt hatte - sondern auch Orte, die mit seinem eigenen Leben verbunden waren. Das vermischt er mit seiner Leidenschaft für die Natur, vor allem für Vogelbeobachtung, und den Tragödien in seinem Leben.
Obwohl jede Geschichte an sich immer noch interessant war - sonst wäre ich ja gar nicht so weit gekommen - wurde mir die Mischung irgendwann dann doch zu viel, und als ich merkte, daß es anfing, mich zu nerven, mußte ich aufhören.

Donnerstag, 28. August 2025

Stummfilme - Madame a des envies oder Kennt ihr eigentlich Alice Guy-Blaché?

Vor ein paar Wochen habe ich euch einen Kurzfilm gezeigt und gesagt, ich würde euch irgendwann mehr über die Filmemacherin Alice Guy-Blaché erzählen. Nun, irgendwann ist heute.
Laßt mich aber erst noch einen weiteren Film von ihr zeigen.
Dies ist "Madame a des envies" von 1906, in dem eine Schwangere ihre verschiedenen Gelüste befriedigt, indem sie anderen Essen, Trinken und sogar eine Pfeife wegnimmt, wobei ihr Mann, der den Kinderwagen mit ihrem ersten Kind schiebt, den Ärger dafür bekommt.
Zum Schluß schubst sie ihn und er schubst sie und sie fällt in ein Kohlfeld, aus dem er dann das neugeborene Baby hebt - was sich natürlich auf die französische Legende bezieht, daß Mädchen in einer Rose geboren werden und Jungen in einem Kohlkopf.



Von unserem modernen Standpunkt aus ist das ein seltsamer kleiner Film (vor allem das Trinken und Rauchen), aber um ehrlich zu sein, habe ich einfach etwas als Überleitung zu Alice Guy-Blaché selber ausgesucht.
Haltet euch fest, das wird nicht kurz.


Alice Guys Vater Émile war Buchhändler in Chile, wo die ersten vier Kinder von ihm und seiner Frau Marie geboren wurden.
Alice kam jedoch am 1. Juli 1873 in Paris auf die Welt. Émile kehrte wegen des Geschäfts nach Chile zurück und Marie folgte ihm nach, aber Alice blieb ein paar Jahre bei ihrer Großmutter in der Schweiz, wurde dann nach Chile geholt und kam im Alter von 6 in die Schweiz zurück, um dort ein Konventsinternat zu besuchen.

Nachdem ihre Eltern nach Paris zurückgekehrt waren, weil das Geschäft aus verschiedenen Gründen zusammenbrach, starb Émile und irgendwann mußte Alice eine Stellung finden, um Marie und sich zu ernähren. Sie hatte eine Ausbildung als Schreibkraft und Stenotypistin gemacht und bekam beim Eigentüber des Le Comptoir Générale de Photographie ein Vorstellungsgespräch.
Der Eigentümer war nicht da, aber Alice wurde zu Louis Gaumont gebracht, der ihre Empfehlungen zwar anerkannte, aber fand, daß sie für eine so wichtige Stelle zu jung war, woraufhin sie erwiderte, daß das vorübergehen würde. Sie bekam den Job.
Gaumont kaufte Le Comptoir schließlich zusammen mit drei anderen (darunter Eiffel). Er war einer der Leute im Rennen um die bewegten Bilder, die Gewinner waren jedoch die Lumière-Brüder. Zusammen mit Gaumont wurde seine Sekretärin Alice Guy aus Höflichkeit zu ihrer ersten Vorführung eingeladen.
Wie in meinem Post über Méliès' "Reise zum Mond" erwähnt, nutzten die Lumières die Technik für Dokumentationen.
Alice fand aber, es wäre nett, Geschichten zu erzählen, und obwohl Gaumont fand, daß das etwas typisch Mädchenhaftes war, erlaubte er ihr, es auszuprobieren, solange ihre Arbeit als Sekretärin nicht darunter leiden würde.

Also schrieb und produzierte Guy einen der ersten Filme mit einer Erzählung und führte Regie, in "La fée aux choux" ging es um eine Fee, die Neugeborene in einem, genau, in einem Kohlfeld fand - und an dem Punkt hörte sie nicht auf, oh nein.



Sie benutzte alle möglichen neuen Techniken, wie zum Beispiel Nahaufnahmen für "Madame a des envies". Wußtet ihr, daß es damals schon Tonfilm gab? Während Edison am Set Aufnahmen machte, nahm Guy den Ton vorher auf Wachsplatte auf und synchronisierte den Ton dann mit dem Film, zum Beispiel für Musikkurzfilme.
Alice wurde Produktionsleiterin bei Gaumont, sie überwachte Filme und führte Regie, nicht nur als die erste Filmregisseurin, sondern als erste überhaupt, die erzählerisches Filmen entwickelte. Sie machte Komödien, Filme über Feminismus - mit vertauschten männlichen und weiblichen Rollen beispielsweise - und Familie, und sie bildete Regisseure und Drehbuchautoren aus.

Guys Film über das Leben Christie mit 300 Statisten und frühen Spezialeffekten überzog das Budget, weil ein Crewmitglied Set zerstört hatte. Das hätte ihre Position gefährden können, hätte sich nicht Eiffel für sie eingesetzt.
Also konnte sie weiterhin erfolgreiche Filme machen.



1906 traf Alice Herbert Blaché Bolton von Gaumonts Niederlassung in London.
Gaumont schickte sie zur Unterstützung von Chronophon-Kunden nach Deutschland. Da sie das Land nicht kannte und auch kein Deutsch sprach, begleitete sie Herbert als ihr Übersetzer. Sie verlobten sich, und als Gaumont Herbert in die USA schickte, um dort für das Chronophon zu werben, ging Alice mit ihm.
Die Werbung war nicht sehr erfolgreich und Gaumont kam nach Flushing, NY, um ein Studio zu kaufen, das er hauptsächlich für Musikkurzfilme nutzen wollte, die von Blaché gemacht werden sollten. Lois Weber wurde gebeten, in einigen davon aufzutreten. Guy, die nun ein Kind hatte und nicht mehr offiziell bei der Firma war, führte bei ein paar davon Regie und es heißt, daß sie später Weber die Gelegenheit gab, unter ihrer Aufsicht zu schreiben und Regie zu führen. Erinnert ihr euch von meinem Post hier an Lois Weber, die erste amerikanische Regisseurin
?

Alice war jedoch nicht zufrieden damit, nur Mutter zu sein, sie wollte immer noch Filme machen, also mietete sie einen Teil des Studios in Flushing und gründete zusammen mit ihrem Mann und einem dritten Partner die Solax-Studios. Sie machten Stummfilme, die so erfolgreich waren, daß sie Regieassistenten einstellen mußte, nicht nur Komödien oder Western, sondern auch Filme mit kontroverseren Themen wie Streiks oder Antisemitismus.
Am Set hängte sie große Schilder für ihre Schauspielerinnen und Schauspieler auf, auf denen einfach nur stand "Seid natürlich".
Später kauften sie Land in Fort Lee, NJ, und bauten dort ein neues Studio. Zu der Zeit war New Jersey das Zentrum der amerikanischen Filmindustrie, nicht Hollywood.
Guy zeigte nicht nur starke Frauen in ihren Filmen, sie schrieb auch über Frauen in der Filmproduktion.


Dann kam eine Wirtschaftskrise und der Beginn des 1. Weltkriegs. Solax war gezwungen, für andere Firmen zu arbeiten. Filme waren nicht mehr Kunst, sie wurden ein Geschäft.
Außerdem gab es da noch den "Edison Trust" aus Edison, Eastman Kodak und acht weiteren Firmen, der versuchte, Filmemacher daran zu hindern, ihre Kameras und Filme für die Produktion zu benutzen, ohne Teil des Trusts zu sein. Das bedeutete entweder die Zahlung von Lizenzgebühren oder unabhängig zu werden. Filmemacher zogen an die Westküste, um dem Trust zu entkommen und Filme billiger herstellen zu können.

Die Blachés mußten die Solax-Studios an andere Firmen vermieten. Dann verließ Herbert die Familie und zog mit seiner Geliebten nach Hollywood. Solax war bereits verschuldet, dann verloren sie auch noch eines ihrer Gebäude in einem Brand. Alice erkrankte an Influenza und Herbert ließ sie und die Kinder nach Los Angeles kommen, aber sie lebten getrennt und auch ihre Zusammenarbeit war einfach nicht mehr gut.
Als alles bei Solax versteigert werden mußte und sich das Paar scheiden ließ, ging Guy mit den Kindern nach Frankreich zurück. Sie machte nie mehr einen Film. In Frankreich war sie vergessen worden und niemand in der Industrie wollte sie einstellen. Tatsächlich wurden Frauen allgemein hinausgedrängt.
Alice schrieb an Gaumont und bat um eine Stellung, aber sie bekam nicht nur keine, sondern als die Firmengeschichte veröffentlicht wurde, wurde sie nicht einmal darin erwähnt.
So wie Alice anfangs ihre Mutter durch ihre Sekretärinnentätigkeit unterstützt hatte, unterstützte ihre Tochter nun sie als solche.
In einer Dokumentation, in der die Studios von Fort Lee erwähnt wurde, wurde Solax nur Herbert zugeschrieben.

Guy begann für die Société Parisienne d'Edition zu arbeiten.
Gaumont gab ihr die Aufgabe, über die Anfänge der Firma in der Filmindustrie zu schreiben. Alice stellte fest, daß viele der Filme, bei denen sie Regie geführt hatte, in der Liste, die er ihr geschickt hatte, einem der männlichen Regisseure zugeschrieben wurden. Gaumont meinte, sie würden ihre Notizen für eine zweite Ausgabe benutzen, aber das geschah niemals vor seinem Tod. Auch in einem Artikel über die französische Filmindustrie fand sie keine Erwähnung.

Guy wurde von den meisten Filmhistorikern entweder konstant ignoriert oder ihre Filme wurden männlichen Regisseuren zugeschrieben, dafür andere, die sie nicht mochte, ihr.
Sie versuchte ihre Filme zu finden, aber niemand wußte, wo sie waren und ob sie überhaupt noch existierten. Soviele Stummfilme sind heute verloren, zerstört oder möglicherweise in Archiven versteckt.
Alice schrieb ihre Memoiren, aber zu der Zeit war niemand daran interessiert, sie zu veröffentlichen. Sie erschienen erst nach ihrem Tod.
Als sie in die USA zurückging, um bei ihrer Tochter zu leben, versuchte sie weiter, ihre Filme zu finden, leider aber ohne Erfolg.
Alice Blaché starb am 24. März 1968.

Es gab und gibt Menschen, die nicht wollen, daß sie in einer Industrie vergessen bleibt, die auch heute noch männlich dominiert ist, vergessen wie so viele andere Frauen, die Großes erreichten, aber aus der Geschichte dazu gestrichen wurden.
Sie machten sich daran, Filme von ihr zu finden und zu erhalten, Dokumente und Informationen ausfindig zu machen und über sie und ihre Errungenschaften Forschung zu betreiben. Sie machten Dokumentationen über sie und sprachen über sie.
Nun, und jetzt wißt ihr, falls ihr es tatsächlich bis ganz ans Ende geschafft habt, auch etwas mehr über Alice Guy-Blaché. Es gäbe noch soviel mehr zu erzählen, aber ich wollte nicht, daß der Post zu lang wurde.
Vielleicht habe ich auch aber jetzt neugierig gemacht, das würde mir sehr gefallen.


Ausgewählte Quellen (überwiegend englischsprachig):

1. Alison McMahan: Alice Guy Blaché. Auf: Women Film Pioneers Project
2. Be Natural: The Untold Story of Alice Guy-Blaché. Dokumentation von Pamela B. Green. 2018. Auf dem YouTube-Kanal von TodoEsImagen
3. Alice Guy - Die vergessene Filmpionierin. Dokumentation für ARTE TV von Nathalie Masduraud und Valérie Urréa. Auf dem YouTube-Kanal von Otro Patrimonio (auf Französisch mit spanischen Untertiteln)
4. The Lost Garden: The Life and Cinema of Alice Guy-Blaché. 1995. Dokumentation von Marquise Lepage und Solange Collin. Auf dem YouTube-Kanal von Obscurity
5. Shari Kizirian: Woman with a Movie Camera: The Films of Alice Guy Blaché. Essay. Auf: San Francisco Silent Film Festival. A Day of Silents 2019


Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.

Montag, 25. August 2025

Barbies Kleiderschrank - Midnight Blue

Ich bin keine Fashionista. Ich bin ... man könnte sagen ... eine Kleiderträgerin. Ich mag meine Kleidung bequem und in der richtigen Größe und, wenn möglich, daß sie keine Löcher oder Flecken hat (der Teil ist nicht immer einfach, wenn man Katzen hat).
Es gibt Dinge, die ich an Kleidung liebe, wie Taschen in Kleidern oder Dreiviertelärmel, aber darüber hinaus bin ich recht anspruchslos und nicht abenteuerlustig.
Das heißt nicht, daß ich gar keine Kleider anschauen mag, vor allem die, die ich niemals selber tragen könnte, des Geldes oder meiner Figur wegen, Mangel an Gelegenheit usw. Es gibt trotzdem noch Wege, Haute Couture in mein Leben zu bringen. Ich meine Barbie und ihre Freundinnen.
Ich war schon immer von Miniaturen fasziniert und Barbies vintage Outfits mit ihren winzigen Reißverschlüssen und Knöpfen und Schnallen sind unglaublich. Das ist mein "Modeleben", entweder über meine eigene kleine Sammlung oder Bilder.
(Und ja, ich weiß, daß Barbies Körper nicht natürlich ist, ich wußte das als Kind und habe nie versucht, ihr nachzueifern ... hätte ich das, wäre was schiefgelaufen).
Ich würde euch gern ab und zu einen Blick in Barbies Kleiderschrank werfen lassen.

1965 war ein ausgezeichnetes Jahr. Ich sollte das wissen, denn ich bin 1965 geboren, definitiv ein Zeichen von Qualität.


1965 war auch das Jahr, in dem die erste American Girl Barbie auftauchte, unser Modell von heute ist allerdings von 1966. Ich wünschte mir ernsthaft, ich wäre so gut gealtert wie sie.

Heute präsentiert sie ein Ensemble namens
 "Midnight Blue".


Das elegante Kleid hat eine trägerlose Korsage aus silbernem Lamé und einen vollen mitternachtsblauen Satinrock.
Es wird unter einem weiten Satincape in derselben Farbe getragen, das genau wie der große Kunstpelzkragen in weißem Satin gefüttert ist.


Gewöhnlich wird das Ensemble durch lange weiße Handschuhe, offene blaue Schuhe mit Absatz, ein silbernes Abendtäschchen und eine weiße Perlenkette vervollständigt.
Leider war diese Präsentation so spontan, daß wir das Täschchen und die Halskette nicht finden konnten. Okay, ihr habt mich erwischt. Ich habe nur das goldene Täschchen und das hätte nicht gepaßt. Ich bin mir ziemlich sicher, daß ich eine Kette habe, sie aber von einer anderen Puppe getragen wird.
Und wenn ich schon am Gestehen bin, einer der Handschuhe ist ein Ersatz (der zu groß ist, was ich gerade erst wieder bemerkt habt, ich muß ihr wirklich einen ordentlichen besorgen), und der Satin hat auf der Rückseite einen kleinen Wasserschaden.
Tatsache ist, daß "Midnight Blue" ein schwer zu findendes Outfit ist und die Preise dementsprechend hoch sind. Ich hatte Glück, das hier zu finden und im Display sieht es doch wunderschön aus, findet ihr nicht? Um das klarzustellen, ich habe zwar den Puppenständer aus dem Bild entfernt, aber nichts am Outfit geändert.

 
"Midnight Blue" ist eins der schwer erhältlichen 1600er Modelle und wurde nur 1965 als #1617 hergestellt (hab ich's nicht gesagt?).
Es war nicht ungewöhnlich, daß es in anderen Ländern, zum Beispiel Japan oder Europa, Farbvariationen gab, aber das heißt nicht, daß die dann einfacher zu bekommen sind. In diesem Fall gibt es ein anderes Blau (manche sagen, die Farbe entsteht durch Ausbleichen im Sonnenlicht, andere sagen, es ist eine Variation), aber auch ein "Midnight Pink" und "Midnight Red" (so von Sammlern genannt, nicht weil der Name Sinn ergeben würde, sondern er das Design leicht identifiziert).
Ich hätte gern beide, aber das rote noch mehr als das rosafarbene.


Ich fand immer, daß dies das perfekte Outfit für die Oper wäre - vielleicht "Die Zauberflöte", schließlich sieht sie selber wie eine "Königin der Nacht" aus!

Barbie ist ein eingetragenes Warenzeichen. Ich bin in keiner Weise mit Mattel verbunden.


Quellen (englischsprachig):

1. Sibyl DeWein und Joan Ashabraner: The Collector's Encyclopedia of Barbie Dolls and Collectibles. Paducah, KY, Collector Books, 1994
2. Sarah Sink Eames: Barbie Doll Fashion, Vol. I, 1959 - 1967. Paducah, KY, Collector Books, 1994
3. Vintage Barbie Midnight Blue. Auf: Fashion Doll Guide
4. Vintage American Girl Barbie Dolls 1965 - 1966. Auf: Fashion Doll Guide

Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.

Samstag, 23. August 2025

Buchbesprechung - Craft Psychology

Als ich den Titel "Craft Psychology" zum ersten Mal sah, dachte ich, daß sich das wirklich interessant anhörte ... was war "craft psychology?"
Sprechen wir über das Buch von Dr. Anne Kirketerp, das dieses Jahr auf Englisch erschienen ist. Es gibt leider keine deutsche Ausgabe (noch nicht?).


Zuerst muß ich meine Probleme mit dem Begriff "craft" im Deutschen ansprechen. Wenn man sich einen Wörterbucheintrag anschaut, bekommt man da alles Mögliche. Handwerk, Kunsthandwerk, Geschicklichkeit, Kunstfertigkeit und mehr, Basteln oder Handarbeit (im Sinne von Stricken, Häkeln usw.) taucht nicht auf, obwohl "craft" auch so benutzt wird, allerdings hat Basteln im Deutschen oft einen kleinen Beigeschmack und Handarbeit ist als Begriff nicht immer eindeutig. Ich mache es mir einfach und werde für diesen Post einfach "craft" in Variationen verwenden, auch wenn es sich manchmal holprig anhören wird.

Bevor Kirketerp Psychologin wurde und an der Hochschule arbeitete, machte sie bereits selber "crafts" and lehrte sie auch.
Heute leitet sie zertifizierte Bildungskurse für "Craftpsychologie".
Dieses Buch richtet sich nicht nur an Fachleute, die "craft" in der Lehre oder Psychologie nutzen, sondern auch Leute wie ihr und ich, die daran interessiert sind, ihre "craft" bewußter einzusetzen, um Wohlbefinden zu erreichen.

Es gibt zehn Kapitel:
1. "Craftpsychologie" in Kürze
2. Definitionen von und Zusammenhänge zwischen "craft" und Wohlbefinden
3. Das "Craftpsychologie"-Modell
4. Zentrale Forschungsergebnisse in "Craftpsychologie"
5. Methoden und Übungen
6. Vier Arten, "craft" zu betreiben
7. Abschluß und Interventionen
8. Von Nützlichkeit zu Leidenschaft: Die Rolle von "crafts" jetzt und im Laufe der Geschichte
9. Theoretische Grundlagen der "Craftpsychologie"
10. Kurze Zusammenfassung

"Craftpsychologie ist die Psychologie, die sich damit befaßt, warum Menschen "craft" betreiben. Sie untersucht, wie sich "Craftaktivitäten" positiv auf unsere körperliche und geistige Gesundheit auswirken. Sie kann gezielt eingesetzt werden, um  angewandt werden, um effektiv Wohlbefinden zu fördern."
Kirketerp merkt an, daß ihr "Fokus in erster Linie auf hobbybasierten Tätigkeiten liegt, die wir aus reinem Vergnügen ausüben, weil wir sie lieben und gut darin sind".

Wie definieren wir "craft" überhaupt? Es gibt mehrere Definitionen von Forschern aus unterschiedlichen Bereichen. Kirketerp selber definiert sie als "das Meistern von Fähigkeiten, die aus Leidenschaft heraus entstanden sind und in Produkten mit einer Form von Materialität resultieren". Andere Forscher benutzen die Worte "geschickt", "Beherrschung manueller Fähigkeiten" oder "eine Arbeit gut machen".

Vielleicht bin ich von Künstlern beeinflußt, die Leuten sagen, daß es wichtig ist, Kunst zu machen, und daß es nicht immer gute Kunst sein muß, um zu lernen, wie man sich ausdrückt, und übertrage diesen Gedanken auf "craft", aber ich kann dem "Meistern" nicht unbedingt zustimmen.
Am Anfang ist keiner gut (außer Wunderkindern), also ist man entweder unglücklich deswegen und gibt es ganz auf oder man genießt es so sehr, daß es einem egal ist, ob es "gut" ist, und vielleicht wird man besser oder auch nicht. Ich sollte wissen, wovon ich spreche
 😉 Manchmal muß einfach der Augenblick stimmen, um die richtige "craft" anzufangen.

Wie ihr vielleicht an den Kapitelüberschriften erkennen könnt, geht es in diesem Buch nicht um das "Craften" selber, sondern die Psychologie dahinter. Wenn ihr Lehrbücher mögt, werdet ihr damit kein Problem haben, aber ich muß gestehen, daß es Passagen gab, bei denen ich in Versuchung kam, sie zu überspringen - habe ich nicht gemacht - und andere, die interessant waren, weil sie mein eigenes Verhalten oder meine Gefühle über oder während des "Craftens" erklärten, die zu analysieren ich bisher einfach nicht in Erwägung gezogen hatte, wie das gute Gefühl, wenn ich im "Fluß" bin, aber auch, wie ich mich in meinem letzten "Craftkurs" vor ein paar Jahren als Außenseiterin empfand (hab' ihn nicht fertiggemacht, hatte nie das Bedürfnis, an einem anderen teilzunehmen). 

Kirketerp erklärt außerdem ihr "Craftpsychologie"-Modell, das aufzeigt, wie die Vorzüge des "Craftens", wie positive Emotionen, "Flow", Erfolg und mehr das Wohlbefinden unterstützen und beispielsweise vor Streß und Ängsten schützen können.
Es gibt auch viele Zitate von anderen Forscherinnen und Forschern, die verschiedene psychologische Theorien oder Begriffe erläutern. Die Artikel sind in dem umfangreichen Literaturverzeichnis aufgeführt.

Ich hätte mir etwas weniger Theorie erhofft, weil sich manches wirklich zu sehr wiederholte.
Es gibt Blasen mit Zitaten von Leuten, die Kirketerp interviewt hat, aber sie stehen außerhalb des eigentlichen Textes, ohne jeglichen Kommentar. Was ich gerne gesehen hätte, wären diese Beispiele mit Erläuterungen gewesen oder auch eine Relation zwischen theoretischen und empirischen Daten.

Enttäuschend fand ich auch, daß nur wenige "crafts" Erwähnung fanden, in den Blasen ging es zum Beispiel hauptsächlich ums Stricken. Ich war selber jahrelang eifrige Strickerin, als ich jünger war, und meiner Meinung nach kann man Stricken nicht einfach 1:1 mit jeder anderen "craft" vergleichen. Das fängt damit an, daß nicht jedes Projekt mit herumgetragen werden kann, aber auch mit der Vorbereitung, wieviele Werkzeuge man braucht oder was für eine Größe, und es hat außerdem Einfluß auf die Vorstellung, die Menschen von der "Bedeutsamkeit" von verschiedenen "crafts" haben.
Es gibt eine Liste von "crafts" (um ehrlich zu sein, überraschte mich das "Schmieren von Bremsen"), von denen nicht viele im Text selber angesprochen wurden.
Die Autorin konzentrierte sich auf die "crafts", die sie auch selber betreibt, das ist klar, aber vom Titel her hatte ich mehr erwartet.

Das Buch ist allerdings kein so schwerer Lesestoff, selbst wenn man nicht mit psychologischer Forschung vertraut ist - was kein Thema ist, mit dem ich mich bisher besonders intensiv beschäftigt hätte -, also kann man definitiv ein paar interessante Fakten erfahren, die einem dabei helfen, Dinge besser zu verstehen.
Für mich war eines davon die Erklärung von Default Mode Network (DMN) und Central Executive Network (CEN) - zwei der Netzwerke im Gehirn - die mir klarmachte, warum mein Gehirn darauf besteht, alles Peinliche durchzugehen, das ich gemacht habe, seit ich 4 war, wenn ich nachts um 2 nicht schlafen kann.

Die Autorin gibt einem auch ein paar Empfehlungen, wie man seine "craft" gezielt einsetzt. Sie werden nicht für alle funktionieren, ich weiß, daß das bei mir für zwei der Fall ist, aber sie sind dennoch interessant.
Eine davon ist - und tatsächlich war das die, die meine Aufmerksamkeit als erstes erregte, als das Buch angekündigt wurde - ist, mindestens zehn Projekte gleichzeitig am Laufen zu haben, die sich voneinander im Grad der Herausforderung, im Zweck oder in der Umgebung (etwas, an dem man arbeitet, wenn man entweder allein oder mit anderen zusammen ist), unterscheiden, damit man immer das Perfekte für den Moment auswählen kann. Wenn ich so viele habe, werden sie zu WIPs, die vielleicht nie mehr fertigwerden. Ich habe die berüchtigte WIP-Schublade, um das zu untermauern, aber vielleicht könnte ich sie ja einfach als einen Teil der zehn zählen ...

Kirketerp empfiehlt außerdem, nicht nur Aktivitäten zu koppeln, das heißt, man sollte beim "Craften" nicht immer den Fernseher laufen haben - das mache ich, obwohl ich es gewöhnlich einfach ausblende, wenn ich in den "Flow" komme - oder ein Hörbuch usw.

Ich bin zwiegespalten , was das Buch betrifft. Manche Teile habe ich gern gelesen, andere nicht so sehr, weil sie für meinen persönlichen Geschmack gar zu theoretisch und repetitiv waren.
Ich wäre an manchem interessiert gewesen, das fehlte (ich gebe zu, daß einiges von diesem Interesse auf meinen eigenen Erfahrungen beruht, zum Beispiel "craften" zu wollen, es aber nicht mehr so tun zu können, wie ich das gerne würde, und die Konsequenzen daraus ... tut mir leid, wenn ihr das Gefühl bekommt, ich spreche dauernd über meinen Daumen, aber das ist eben eine massive Umstellung für mich). Ich hätte auch gern mehr "crafts" erwähnt gesehen.

Dies ist nur meine persönliche Meinung. Ich bereue nicht, es gelesen zu haben, aber ich denke auch nicht, daß ich es nochmal lesen wollen würde. Vielleicht hätte ich mir während des Lesens ein paar Notizen machen sollen, um die dann zu behalten, aber das ist etwas, in dem ich echt schlecht bin, zumindest wenn ich etwas privat lese.

Donnerstag, 21. August 2025

Stummfilme - Dr. Pyckle and Mr. Pride

Ich muß ein Geständnis ablegen. Ich war immer ein größerer Fan von Stan Laurel als von Oliver Hardy. Das ist wahrscheinlich wieder dieses Ding, das ich für die Unterdrückten habe.
Das ist auch der Grund, warum Stan an meiner Fanwand aus perlengewebten Porträts hängt, Ollie aber nicht (obwohl ich mal Anhänger von beiden entworfen habe).


Obwohl Laurel und Hardy 1921 das erste Mal zusammen in einem Film auftauchten, wurden sie erst 1927 offiziell ein Team.
Mein heutiger Stummfilm ist von 1925 und es ist nur Stan dabei, was für mich Neuland ist. Er heißt "Dr. Pyckle and Mr. Pryde" (ich konnte keinen deutschen Titel finden).
Knüpfe ich damit an den Post von letzter Woche an? Ja und nein. Natürlich ist dies eine Parodie des Films "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" von 1920, aber ich habe zuerst den Kurzfilm gefunden, der mich dann zu dem anderen führte. Ich dachte nur, es wäre eine gute Idee, mit dem Original anzufangen.

Public Domain über Wikimedia Commons
(man sieht den Titel mal mit "Pryde", mal mit "Pride")

Wie gewöhnlich ist hier die Handlung mit Spoilern.

"Dr. Stanislaus Pyckle war der am meisten respektierte Mann in der Stadt - der Himmel weiß warum --" (leider scheint es so, daß die witzigen Zwischentitel nicht original sind, aber zumindest versuchen, die Scherze und Wortwitze dieser Zeit zu imitieren).

Wir sehen Dr. Pyckle, wie er in seinem Labor hin- und hergeht und darüber nachdenkt, wie man Gut und Böse im menschlichen Geist trennen kann - überraschenderweise von einem Publikum aus Männern und seiner lieblichen Laborassistentin beobachtet.


Seine ersten Experimente laufen nicht so wie gewollt - hier gibt es ein paar schöne Gelegenheiten für etwas Slapstick - aber dann schlägt die Inspiration zu und er braut endlich einen Trank zusammen (warum sehen die immer so schaumig aus?).


Die Transformation ist eine sehr witzige Abwandlung von der dramatischen, die Barrymore durchläuft. Dr. Pyckles Beine scheinen sich in Gummi zu verwandeln und er hüpft durch sein Labor, bevor er hinter einen seiner Apparate fällt und als Mr. Pryde wieder aufsteht.


Mit bösem Lächeln macht er sich auf in die Stadt. Und böse ist er wahrhaftig!
Sein erstes Opfer ist ein kleiner Junge mit einer Eiswaffel. Mr. Pryde zieht ihn mit seinem Spazierstock an sich heran, stellt sich auf seinen Fuß, damit er nicht entkommen kann und nimmt ihm sein Eis weg. Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, zieht er dem Jungen die Mütze über die Augen.
Der Horror!


Als er einen anderen Jungen mit einem Spielzeugblasrohr trifft, folgt Mr. Pryde eine Menge zum Labor, aber er wirft sie alle mit einem einzigen Schuß aus seinem Blasrohr um, was ihm Zeit verschafft, sich in Dr. Pyckle zurückzuverwandeln und abzustreiten, daß er irgendjemanden gesehen hat.
Leider ist etwas von dem Trank auf das Futter des Hunds getropft und verwandelt diesen in eine böse Kreatur ... die sich an Pyckles Hintern vergreift.

Erkennt ihr ihn aus den Buster Brown-Filmen?

Prydes teuflischen Handlungen finden hier kein Ende, er terrorisiert die Stadt weiterhin.
Einer alten Damen bietet er eine Blume an, tatsächlich ist es aber ein Luftrüssel (ich hatte den Ausdruck noch nie gehört, ihr wißt schon, das Partyspielzeug, in das man reinbläst und dann rollte sich auf), der sie erschreckt.
Er stellt einen Ziegelstein unter einen Hut, damit sich der sich nähernde Polizist den Fuß daran anschlägt, wenn er versucht, den Hut wegzutreten (stattdessen trifft der Ziegelstein dann Pryde am Kopf, als er das tut).
Er läßt eine Papiertüte hinter einer ahnungslosen Frau knallen.
Er macht sich über einen Mann lustig, indem er ihm eine Fingerfalle anlegt.
Wird er denn vor gar nichts zurückschrecken?

Diesmal folgt ihm ein sogar noch größerer Mob zum Labor und wieder entkommt er knapp, indem er den Trank zu sich nimmt.
Seine liebliche Assistentin ist jedoch um ihn besorgt und bittet ihn, sie hereinzulassen. Inzwischen hat sich Pyckle, dem der Trank ausgegangen ist, wieder in Pryde verwandelt, also ist es dieser, der die Tür öffnet. Er zwinkert ihr zu, sie haut ihm eine Flasche über den Kopf. Er steckt seinen Kopf mit in die Halskette, die sie trägt.
In diesem Augenblick taucht der Mob wieder an der Labortüre auf und ......!

Ja, tut mir leid, das war's. Leider ist das Ende verlorengegangen. Das ist nicht gerade ein Höhepunkt, aber vielleicht möchtet ihr euch ja euer eigenes Ende ausdenken.


Ich gebe gern zu, daß ich echt Spaß hiermit hatte, vor allem nachdem ich am Tag vorher den langen Film angeschaut hatte.
Laurels Slapstick veralbert Barrymores etwas übertriebenen Hyde (nicht daß mir das nicht gefallen hätte) perfekt.
Ich glaube, am liebsten mochte ich, wie er sich über seine unglaubliche Perücke strich.
Oh, und die Art, wie er durch die Stadt hüpfte.
Nein, wartet! Seine Hände waren am besten, wie sie Barrymores lange Finger auf die Schippe nahmen.

Okay, mir gefiel also der ganze Kurzfilm und er brachte mich mehr zum Lachen, als ich erwartet hätte.
Ich frage mich wirklich, wie wohl das Ende war, denn der Mob wurde mit jedem Streich, den Pryde spielte, immer größer, und er hatte keine Chance mehr zu entkommen, vor allem nachdem er sich selber praktisch selber in dieser Halskette gefangen hatte (ich wette, das war für den Schluß wichtig).

Ich denke nicht, daß man den Film von 1920 gesehen haben muß, um mit dieser kleinen Komödie Spaß zu haben, aber es macht sie noch besser.


Quellen:

1. Fritzi Kramer: Dr. Pyckle and Mr. Pryde (1925) - A silent film review. Auf: Movies Silently, 1. Juli 2018
2. "prettycleverfilmgal": The Trickster Imp | Dr. Pyckle and Mr. Pryde. Auf: Pretty Clever Films, 9. Juni 2011
3. D. Cairns: The Sunday Intertitle: Another Fine Pyckle. Auf: Shadowplay, 3. September 2017


Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.

Montag, 18. August 2025

Mehr als ein Exemplar?

Von Jonathan Edward Durham auf Facebook:
"Ich empfehle nicht weniger als 4 Exemplare von einem geliebten Buch. Ein Taschenbuch für Reisen und um es Freunden auszuleihen, ein E-Book, das man mit fettigen Snackfingern liest, ein Hörbuch, damit man weiß, wie die Namen der Charaktere tatsächlich ausgesprochen werden, und ein einwandfreies gebundenes Buch, mit dem man wie ein Pharao begraben wird."

Okay, ich bin mir nicht sicher, ob ich hier vollkommen zustimme.
Ich kann zum Beispiel gar nicht mit fettigen Snackfingern essen, nicht mal auf meinem Tablet (nicht weil es noch ziemlich neu ist, sondern weil ich da einfach komisch bin). Ich bevorzuge sowieso gedruckte Bücher und fühle mich wie eine Verräterin an meinen eigenen Prinzipien, konnte aber der Anziehung von The Internet Archive nicht widerstehen.
Außerdem habe ich schon oft genug gesagt, daß Hörbücher nichts für mich sind.
Ich bin mir nicht mal sicher bei Taschenbuch gegenüber perfektem gebundenen Buch, aber da die Chancen, daß mir jemand eine Pyramide, auch nur eine kleine, baut, bei Null stehen, denke ich, daß ich mir darüber sowieso keine Gedanken machen muß.

Mehrere Exemplare eines Buchs hingegen .... nuuuun jaaaa ... es könnte möglich sein, daß ich da das eine oder andere habe ....
Hört sich komisch für euch an? Da habt ihr's, noch ein Beweis, daß ich seltsam bin.
Um es möglicherweise noch seltsamer zu machen, möchte ich euch noch sagen, daß ich diese Mehrfachexemplare selber gekauft habe. Das waren keine Geschenke zu einer Gelegenheit, in der jemand tapfer genug war, mir ein Buch von einem Lieblingsautor zu geben, weil sie dachten, ich hätte das noch nicht.

Warum aber würde ich überhaupt mehr als ein Exemplar eines Buches haben wollen?
Die folgenden Beispiele sind alles Kinderbücher. Das heißt nicht, daß ich überhaupt keine Mehrfachexemplare von anderen Büchern habe, aber es war am einfachsten für mich, nur einen Schrank durchzuschauen und etwas für jeden meiner Gründe zu finden.

1. "Ich habe dich so lang gesucht."

Als ich ein Kind war, hatte meine beste Freundin das Buch "Hand in Hand der Sonne nach" von Betty MacDonald. Es ging um zwei Waisenmädchen, die einer gräßlichen Heimschule entkommen und dabei neue Eltern finden.
Ich habe dieses Buch geliebt und als Erwachsene wollte ich es in meiner Sammlung haben. Leichter gesagt als getan, viel leichter! Es schien unmöglich zu sein, dieses Buch zu finden. Ich suchte in Antiquariaten, auf Flohmärkten, kein Erfolg.
Dann kam das Internet. Sicherlich war das nun meine große Chance. Träumt weiter. Ich suchte regelmäßig danach und meldete mich für Mailbenachrichtigungen auf Antiquariatsseiten an, aber es tauchte nicht viel auf und wenn doch, dann war jemand anders schon schneller gewesen. Dies war ein sehr gefragtes Buch, und soweit ich feststellen konnte, waren die Preise für die Ausgabe, die ich wollte, ziemlich lächerlich. Denn wißt ihr, ich wollte kein Taschenbuch, ich wollte genau das Buch, das ich als Kind geliebt hatte, wenn möglich mit Schutzumschlag.
Schließlich war ich diejenige, die Glück hatte. Es war nicht furchtbar teuer und ich konnte kaum glauben, daß es wirklich mir gehörte, nachdem ich "nur" ungefähr 25 Jahre oder so danach gesucht hatte.
Aus irgendeinem Grund war ich aber so daran gewöhnt, danach zu suchen, daß ich nicht gleich damit aufhörte. Darum habe ich jetzt mehr als eins. Oder zwei. Ich kann mich ja immer noch im Alter damit finanzieren, daß ich es, falls nötig, verkaufe, richtig (ja, offensichtlich ist es immer noch gefragt)? Naja, so wie die Preise gerade sind, kann ich wenigstens einen Tag Essen damit finanzieren.
Aber im Ernst, ich habe jetzt meinen Frieden gefunden und suche nicht mehr danach (... jedenfalls nicht sehr oft, aber nicht in der Absicht zu kaufen, ich schwöre).


2. "Ich frage mich, wie sie auf Englisch sind." oder "Ich möchte wenigstens ein Set haben, das gut aussieht."

Hört sich wie zwei Gründe an, aber für dieses Set war es tatsächlich eine Mischung.
Ich habe die Geschichte von "Wintersonnenwende" letztes Jahr erzählt, worum es geht, warum es so fertig aussieht und warum ich kein neues gekauft habe (wegen der Erinnerung).
Es ist das grün, ihr könnt sehen, wie schlecht es im Vergleich zu den anderen aussieht.


Also habe ich mir irgendwas das englische Set besorgt, weil der Preis zu der Zeit okay war, ich neugierig war, ob es Unterschiede zu den deutschen Übersetzungen gab und ich ein perfekt aussehendes Set hatte.

Ich habe noch andere Bücher auf Englisch und Deutsch. Manchmal ersetze ich die Übersetzung mit dem Original, manchmal fange ich eine Serie mit der deutschen Übersetzung an und mache dann auf Englisch weiter, entweder weil ich nicht auf die Übersetzung warten möchte - darum sind meine Pratchetts in deutsche Taschenbücher und englische Hardcovers aufgeteilt - oder weil eine Serie schlicht nicht mehr übersetzt wird, wobei ich mich immer frage, ob das Interesse in Deutschland nachgelassen hat oder was sonst der Grund dafür sein könnte, in einer Alphabet-Reihe bei R mit dem Übersetzen aufzuhören, wie es zum Beispiel bei Sue Graftons Serie um Kinsey Millhone geschehen ist.
Ich habe aber auch damit angefangen, die früheren Pratchetts Stück für Stück auf Englisch anzuschaffen. Solange ich noch Platz habe, muß ich nicht entscheiden, ob die deutschen Taschenbücher rausfliegen, aber wahrscheinlich wird das irgendwann passieren.

3. "Ich habe mehr als eine Ausgabe und ich kann nicht aufhören."

Das mag manchen als der seltsamste Grund erscheinen. Himmel, es kommt ja sogar mir manchmal komisch vor.
Warum sollte man unterschiedliche Ausgaben desselben Buchs haben wollen?
Okay, vielleicht eine ältere und eine moderne Übersetzung, wenn es deutliche Unterschiede gibt und man Spaß am Vergleichen hat, aber was für einen Grund könnte es noch geben?

Dafür gibt es nur ein Beispiel in meiner Sammlung. Es ist ebenfalls ein Kinderbuchset und das mag den Grund vielleicht etwas offensichtlicher machen. Sentimentalität. 
Falls ihr meinen Post über die "Susanne Barden"-Bücher gelesen habt, wißt ihr, daß es mir nicht bei allen Büchern so geht. In diesem Fall habe ich die alte Ausgabe gekauft und die neuen in den öffentlichen Bücherschrank gebracht und das nicht bedauert. Das habe ich auch schon mit ein paar anderen Büchern gemacht. Wenn ich ein besser erhaltenes Exemplar gefunden habe, flog das alte raus, es sei denn, es hing irgendeine Geschichte daran. In der Tat habe ich vor, meine Bücher daraufhin durchzuschauen, ob noch irgendwo Extraexemplare sind, die ich einfach noch nicht gezogen habe. Wir sprechen hier übrigens nicht über Dutzende, wahrscheinlich nicht einmal zehn.

Vor einer Weile habe ich in einem Post offiziell eingestanden, daß ich den "Mary Poppins"-Film nicht mag (den mit Julie Andrews, die mit Emily Blunt habe ich nicht gesehen, habe ich auch nicht vor), aber daß ich die Bücher liebe.
Ich hatte vergessen, daß ich letzteres schon vor 15 Jahren in zwei Posts erwähnt hatte. Vielleicht sollte ich irgendwann mal über sie und ihre Schöpferin P.L. Travers schreiben.

Auf jeden Fall hatte ich diese Bücher als Kind aus der Stadtbücherei und nicht nur einmal. Ich liebte alles daran, die Geschichten (ja, es gibt eine mit veralteten Stereotypen, die in Überarbeitungen geändert wurden) und vor allem die Magie. Ich wollte so gern selber etwas von dieser Magie haben und vielleicht will das ein Teil von mir ja heute noch, ich weiß es nicht, aber die Bücher liebe ich noch immer.
Ich liebte auch die Illustrationen, so wird Mary für mich immer aussehen.
In einem Post über Kinderbuchillustrationen habe ich folgendes geschrieben: "
Wenn ihr so wie ich seid, erinnert ihr euch vielleicht an die Illustrationen aus eurer Kindheit und lehnt neue Ausgaben mit neuen, vielleicht moderneren Bildern ab, weil diese Charaktere euch so vertraut sind, daß es unmöglich ist, wenn sie einfach so neue Gesichter bekommen. ... Es könnte interessant sein, eine Sammlung von Kinderbüchern zu haben, in der mehrere Ausgaben der gleichen Bücher stehen, um zu sehen, was verschiedene Illustratoren daraus gemacht haben."

Witzig, ich habe damals nicht mal dran gedacht, mir meine "Mary Poppins"-Ausgaben anzuschauen.


Die Originalreihe hat acht Bücher, meine Bücherei hatte nur vier davon (ein fünftes gab es übersetzt, aber das fand ich erst viele Jahre später).
Sie sahen so aus wie das links mit dem gestreiften Einband, der mich immer an eine altmodische Tapete erinnerte, mit einer anderen Farbe für jeden Band.
Diese vier Bücher habe ich in drei verschiedenen Ausgaben, eine neuere auf Englisch, eine ältere und eine neuere auf Deutsch. Auf dem Bild sind vier Bücher, weil ich auch noch eine Ausgabe der Buchgemeinschaft habe, dort wurde aber nur der erste Band veröffentlicht.
Ich habe noch eines der anderen vier Bücher in einer komplett anderen deutschen Ausgabe und die anderen drei auf Englisch, da sie, soweit ich weiß, niemals übersetzt wurden.

Es gibt kleine Unterschiede zwischen der älteren und der neueren deutschen Ausgabe. In der neuen wurde einzelne Wörter der moderneren Sprache angepaßt, zum Beispiel wurden aus Mister und Mistreß Banks dann Mr. und Mrs. Banks und der Polizist aus der neuen Ausgabe war früher ein Schutzmann.
Die Unterschiede sind jedoch zu klein, um als Grund dafür zu dienen, die neuen zu behalten. Auch die Illustrationen machen es nicht aus. Nur die Umschläge sind verschieden, nicht die Bilder in den Büchern. Im Moment behalte ich die neuen, naja, nicht so neu, ich habe sie vor 35 Jahren gekauft (damals notierte ich noch das Datum im Buch), wegen der Geschichte, wie und wo ich sie gekauft habe.
Den Band von der Buchgemeinschaft behalte ich auf jeden Fall, weil die Illustrationen anders sind.
Update 7. August: Überraschenderweise habe ich gerade alle vier Bände der frühen Ausgabe für einen guten Preis bekommen, in Halbleinen gebunden und mit Schutzumschlägen, was mich echt glücklich macht. Von den Stempeln in den Büchern konnte ich feststellen, daß ich sie von der ursprünglichen Eigentümerin gekauft habe. Vielleicht sollte ich mich darauf vorbereiten, die Ausgabe aus den späten 80ern jetzt ziehen zu lassen, was denkt ihr?

Falls ihr noch hier bei mir seid - kopfschüttelnd oder nicht - würdet ihr dann gern ein paar Illustrationen vergleichen?

Dies ist Mary, wie sie von Mary Shepard gesehen wurde, der ursprünglichen Illustratorin für die englischen Bücher.



Vielleicht habt ihr von ihrem Vater gehört, E. H. Shepard, der zum Beispiel "Winnie Pu" und "Wind in den Weiden" illustriert hat. Tatsächlich war er auch derjenige, der als erster wegen "Mary Poppins" angesprochen wurde, aber er war zu beschäftigt, um den Auftrag annehmen zu können. Travers sah zufällig eine Weihnachtskarte mit einer Zeichnung seiner Tochter, die dann alle Bücher illustrierte.
Es war keine einfache Zusammenarbeit, vor allem für Mary und besonders zum Schluß hin, da Travers "die Illustrationen weniger als eigenständige Kunst als als Diener der Texte ansah", was dazu führte, daß Mary ziemlich vergessen bleibt, wenn der Erfolg der Bücher diskutiert wird. Ich werde am Schluß zwei englischsprachige Quellen anhängen, falls ihr mehr wissen möchtet und mehr Illustrationen sehen wollt.

Mein eigenes Bild von Mary Poppins wurde allerdings von dem deutschen Illustrator Horst Lemke geprägt (der nach Walter Triers Tod auch Erich Kästners Bücher illustrierte). Seine Bilder sind in beiden deutschen Ausgabe und ich liebe sie so sehr wie die Bücher selber.
Mary ist keine warme Person. In meinem alten Post schrieb ich "sie ist stur, sie ist streng und ernst und hat eine sehr hohe Meinung von sich selbst" - was Mrs. Bank mehr als einmal ärgert - "und trotzdem ist sie liebenswert ...". Um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht mehr sicher, daß das das richtige Wort ist. Die Kinder lieben sie, für die Magie und das Abenteuer und weil sie sich bei ihr geborgen fühlen, und ich bin mir sicher, sie liebt sie, aber sie weiß, daß sie nicht immer für sie da sein wird.
Nur wenn sie mit Bert zusammen ist, läßt sie sich etwas gehen, ich denke, weil es schwierig ist, seiner Freude am Leben zu widerstehen.
Ich finde, Lemke hat diesen etwas unnahbaren und professionellen Zug an Mary sehr gut eingefangen.
Ich weiß nicht, ob es ist, weil ich die Bücher so gut kenne, aber könnt ihr sehen, wie Michael hüpft, die ältere Jane schon etwas ruhiger ist und Mary sie unter Kontrolle zu haben scheint, obwohl sie Michael nicht einmal an der Hand hat. Vielleicht ist es die Art, wie sie ihren Schirm hält.


Das hier ist eine Illustration von Emanuela Delignon, einer österreichischen Illustratorin und Grafikerin, für die Ausgabe der Buchgemeinschaft, die auch gut funktioniert, ich bevorzuge aber trotzdem Lemkes klarere Linien.


Tatsächlich konnte ich im ersten englischen Buch gar nicht viele Bilder von Mary finden. Ich hätte gerne dieselbe Szene von allen dreien gefunden, um sie vergleichen zu können, aber das ist das Beste, was ich diesbezüglich hinbekommen habe.

Mary Shepard

Horst Lemke

Emanuela Delignon

Gibt es Bücher, von denen ihr mehr als ein Exemplar habt?
Bitte sagt mir, daß ich nicht als einzige seltsam bin
 😉


Quellen zu Mary Shepard (englischsprachig):

1. Margaret Baguley and Martin Charles Kerby: Mary Shepard: the artist who brought Mary Poppins to life. Auf: The Conversation, 24. Dezember 2020
2. Shelley Lloyd: Forgotten Mary Poppins illustrator finally recognised after international search reveals rare original drawings. Auf: ABC News Australia, 20. März 2020

Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.