Donnerstag, 10. Juli 2025

Stummfilme - Ein Landhaus in Dartmoor

Mein erster Gedanke, als ich Dartmoor las, war natürlich "Der Hund von Baskerville" (und ich hasse es immer noch, wie der Bösewicht den armen Hund behandelte, um ihn zu diesem "Monster" zu machen, aber ich schweife ab).
Im heutigen Film - "Ein Landhaus in Dartmoor"  von 1929 kommt nicht mal ein Hund vor, aber es gibt trotzdem eine Übereinstimmung - einen Mann, der aus dem Gefängnis Dartmoor flüchtet.


Fangen wir wie üblich mit der Handlung an (Spoileralarm!).

Tatsächlich ist es das, was man als erstes sieht, das Moor, dann einen Gefangenen, der eine Wand herunterspringt und rennt. Das Gewässer, aus dem er trinkt, als er eine Pause macht, wird zum Wasser in einer Wanne, in der eine Mutter ihr Kleinkind badet.
Nachdem sie das Kind ins Bett gebracht hat, kommt die Mutter wieder herunter und trifft auf den Gefangenen in ihrem Häuschen.
Sally und Joe waren Kollegen in einem Friseurladen und nun erfahren wir die Geschichte, wie sie dort hinkamen, wo sie jetzt sind.

Joe ist Friseur und Sally Maniküre. Joe ist in sie verliebt und lädt sie ein, ihn für einen Tonfilm ins Kino zu begleiten, aber sie lehnt ab. Als er ihr später leid tut und sie sagt, daß sie doch mitkommt, hat schon ein anderer Friseur die Karten aufgehoben, die Joe auf den Boden fallen lassen hat. Sally lädt ihn ein, stattdessen mit ihr in ihrer Pension zu Abend zu essen, aber Joe versteht alles falsch und glaubt, daß Sally ihn auch mag.

Am nächsten Tag schickt er ihr Blumen mit einer Karte, auf der steht, daß sie eine davon tragen soll, falls er sich Hoffnungen machen darf. Die Karte geht jedoch verloren, also weiß Sally nicht, daß Joe denkt, daß sie seine Gefühle erwidert, als sie sich eine der Blumen ansteckt. Er wird sehr eifersüchtig, als er bemerkt, daß sich Sally zu einem Kunden hingezogen fühlt, einem Bauer namens Harry, der immer wieder für alle möglichen Behandlungen vorbeikommt, nur um sie zu sehen.

Das ist nicht Joe im Hintergrund, sondern ein weiterer Kollege mit dem
verschlagensten Blick je!

Nun entschuldigt mich bitte, während ich ein wenig vor mich hinschreie, weil Blogger beschlossen hat, es sei eine gute Idee, die nächsten paar Abschnitte zu löschen.
Tief durchatmen ... ich bin zurück.


Als Harry Sally auf einen Tonfilm einlädt und sie annimmt, folgt Joe ihnen zum Kino und setzt sich direkt hinter sie. Je besser sie sich amüsieren, um so ärgerlicher wird er, bis er es nicht mehr ertragen kann und geht.
Harry bringt Sally nach Hause und macht ihr mit einem Ring einen Antrag.

Bei der Arbeit am nächsten Tag hört Sally, wie ein paar Kolleginnen über Harry und sie sprechen. Eine von ihnen meint, daß er sie niemals heiraten werde. Sie zeigt ihnen den Verlobungsring und die Kolleginnen diskutieren die Neuigkeit weiter - wobei sie neben Joe stehen.
Als also Harry für seine übliche Rasur und Maniküre vorbeikommt und Joe sieht, wie Harry und Sally Händchen halten, wird seine Anspannung immer größer. Es kommt ein Moment, in dem Sally denkt, daß er Harry die Kehle durchschneiden wird, sie schreit auf, Chaos ist die Folge und tatsächlich wird Harry nun verletzt.
Die Polizei kommt und nimmt Joe mit, der droht zurückzukommen, um Rache an ihnen beiden zu nehmen.

Und nun steht Joe also in ihrem Häuschen in Dartmoor.
Da er aber einem anderen Gefangenen von seinem Plan erzählt hat, ist die Polizei schon hinter ihm her und zwei Polizisten tauchen auf, um Sally zu beschützen, während sie ihn im oberen Zimmer versteckt, weil sie ihm glaubt, als er sagt, daß er es nicht tun wollte und sie um Verzeihung bittet.
Die Lage wird sogar noch komplizierter, als Harry nach Hause kommt und darauf besteht, nach seinem Kind zu sehen. Natürlich ist er schockiert, Joe dort anzutreffen. Wieder versichert Joe ihnen, daß er es nicht tun wollte, und Harry antwortet, daß er ihm nur um Sally willen bei der Flucht helfen wird.
Also gibt Sally Joe ein paar andere Kleider und geht dann hinunter, um die Polizisten abzulenken, während Harry ihn aus dem Haus schmuggelt und zu einem Stall mit einem Pferd bringt.
Als Joe aber ein Bild von Sally in der Jacke findet, die sie ihm gegeben hat, beschließt er, den Plan nicht durchzuziehen, und rennt stattdessen auf das Häuschen zu, wobei er genau weiß, daß man ihn erschießen wird.
Er stirbt in Sallys Armen, nachdem er ihr gesagt hat, daß er ohne sie nicht leben könnte.


Hnh. Ich bin bei diesem Film hin- und hergerissen, wirklich.
Es gibt Teile, die großartig sind und die mir sehr gut gefallen haben, es gibt aber auch ein paar Dinge, die mich wahnsinnig gemacht haben. Vielleicht wäre es ja anders gewesen, wenn es nicht so heiß gewesen wäre und ich nicht sowieso einen schlechten Tag gehabt hätte, aber gewöhnlich bin ich nicht gar so unentschieden.

"Ein Landhaus in Dartmoor" war einer der letzten britischen Stummfilme (ihr habt vielleicht die Ironie bemerkt, daß die Männer Sally zu Tonfilmen eingeladen haben).
Sein Regisseur, Anthony Asquith (der der Sohn von Premierminister Herbert Henry Asquith und seiner Frau Margot war), war in seinen 20ern, als er diesen Film machte, erst seinen dritten.
Asquith fühlte sich zum Kino hingezogen, seit er Student in Oxford war. Als er seine Schwester Elizabeth, die Dramatikerin war und viele Freunde in der amerikanischen Filmindustrie hatte, in New York besuchte, reisten sie nach Hollywood, wo er viele der Filmgrößen dieser Zeit kennenlernte, Fairbanks, Pickford, Lubitsch, Chaplin und andere, und er bekam außerdem die Gelegenheit, Zeit am Set zu verbringen.
Nachdem Asquith nach Hause zurückkehrte, gelang es ihm binnen eines Jahres, bei seinem ersten Film Regie zu führen, und er nutzte viele der Techniken, die er dadurch gelernt hatte, daß es ihm möglich war, europäische Stummfilme zu sehen, wie Licht- oder Montagetechniken.

Das waren die Teile, die mir gut gefielen. Die Stimmung, die von interessanten Kamerawinkeln, Doppelbelichtungen, von Licht und Schatten, sowohl in den Szenen auf dem Moor als auch im Haus, geprägt wurde, funktionierte wunderbar, um Joes steigende Anspannung zu betonen, die sich in Besessenheit, ja fast Wahnsinn verwandelte, bis hin zur Explosion.
Und Uno Henning, ein schwedischer Schauspieler, hat es großartig fertiggebracht, daß Joe wahrhaftig gruselig wirkt. An dieser unerwiderten Liebe ist nichts Romantisches.
Wäre Joe nicht dadurch, daß er ins Gefängnis mußte, schon früh von der Bildfläche verschwunden, wäre er sicherlich ein Stalker geworden. Er ist so überzeugt davon, daß Sally ihm gehören muß, daß ich es ihm, ehrlich gesagt, nicht abnahm, als er meinte, er habe Harry nicht verletzen wollen, selbst wenn es in diesem Moment erst noch nur wie eine Drohung aussah.
Wäre ich Sally gewesen, denke ich nicht, daß ich geneigt gewesen wäre, ihm zu helfen, und daß Harry ihm helfen will, zeigt wirklich, wie sehr er Sally liebt. Ich mochte Harry und daß Sally ihn gewählt hat. Die inneren Werte zählen.
(Zu schade, daß Hans Adalbert Schlettow, der Harry spielte, den Nazis später äußerst nahestand, was meinen Eindruck seines Spiels verdarb.)

Joe jedoch ist so jenseits der Erlösung, daß er sogar am Ende noch nur an sich selber denkt. ER kann ohne sie nicht leben, ER muß ihr das sagen, ER muß in ihren Armen sterben. Es geht immer nur um ihn.

Ich habe wirklich die komplette zweite Hälfte des Films geliebt.
Mir hat auch einiges in der ersten Hälfte gefallen, manches habe ich aber gehaßt (ich benutze hier mit Absicht das Wort "gehaßt").
Es ist mein alter Feind, die Länge.
Mein erstes Problem war die unglückliche Verabredung in der Pension. Ich denke, man konnte sich das auch vorstellen, ohne daß die Kamera zwischen Joe und Sally hin und her und hin und her ging. Ich kann euch sagen, daß dabei meine Anspannung deutlich stieg, aber nicht auf gute Weise.

Viel schlimmer war für mich aber eine Szene, die andere liebten, die Kinoszene. Es gab ein paar witzige Ideen, wie die, daß das Orchester während des Stummkurzfilms am Anfang spielte und dann Karten spielte, rauchte und trank, als der Tonfilm lief.
Das ständige Hin- und Herschwenken von einer Person zur anderen machte mich aber wahnsinnig. Es wurde richtig schlimm, als schnelle Umschnitte folgten, ich mußte tatsächlich wegschauen. Dies ist eine Technik, die mich schon immer genervt hat, in einem Film, einer Serie oder sogar in YouTube videos.
Um das ganze zu toppen, war die Kinoszene ungefähr 12 Minuten lang! Ich hätte auf mindestens 8 davon verzichtet. Ich war so genervt, daß ich sogar meine Schwester anrufen mußte, um Luft abzulassen! 
😆 

Noch etwas, das mich nervte, war, daß Norah Baring hauptsächlich dadurch dramatisierte, daß sie ständig vor allem die rechte Augenbraue hochzog. Ich kenne Baring nicht, kann also nicht sagen, ob das Manierismus von ihr war oder ob es dramatisches Spiel sein sollte, aber ihr wißt, wenn einem etwas auffällt, wie man es dann nicht mehr los wird?
Wenn sie es nicht tat, mochte ich ihr Spiel tatsächlich gerne.


Letztlich war ich mir auch bei der Musik nicht ganz sicher. Am Ende steht, daß Stephen Horne den Klavierteil komponiert und gespielt hat. Die Klaviermusik hat mir richtig gut gefallen, aber da war eben nicht nur Klavier und manches davon fand ich gräßlich, zum Beispiel in der Kinoszene, was diese damit noch schlimmer machte.
Sie war hektisch und lenkte mich furchtbar ab. Ich weiß, ich hätte es ohne Musik probieren sollen, aber ein völlig stummer Film wäre noch schwieriger gewesen.

Dieser Film war für mich wahrhaftig eine Achterbahn.
Wenn ich ihn nochmal anschauen würde, würde ich wahrscheinlich die Verabredung teilweise vorspulen und die Kinoszene komplett auslassen.
Ich bin mir sicher, daß er mir dann viel besser gefallen würde.


Quellen (englischsprachig):

1. Fritzi Kramer: A Cottage on Dartmoor (1929) - A Silent Film Review. Auf: Movies Silently, 3. August 2014
2. Benjamin Schrom: A Cottage on Dartmoor. Auf: San Francisco Silent Film Festival. Essay. Festival 2007

Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.

Mittwoch, 9. Juli 2025

10. am 10., ähm, 9. - Hunde

Wieder mal früh dran. Der 10. ist Donnerstag - Stummfilmtag.
Also bin ich heute schon hier, um über das Thema zu sprechen, das uns "Marsha in the Middle" vorgegeben hat - unsere Lieblingshunde. Hunde??? Alle wissen, daß ich ein Katzenmensch bin (in ein paar Tagen werdet ihr das noch mehr wissen)!



Glücklicherweise liebe ich Hunde fast so sehr wie Katzen in allen Formen und Größen, habe aber natüarlich nie mit einem zusammengelebt. Marsha hat uns dafür aber einen Ausweg gegeben.
"Es können Hunde sein, die euch gehört haben, mit denen ihr aufgewachsen seid, die im Fernsehen sind, auf Hundefutterdosen, was auch immer!" Sicher, Marsha. Ich verliebe mich immer in Hunde auf Hundefutterdosen, seufz. Aber hey, ich denke, ich kenne ein gutes "was auch immer" ...
Wie üblich ist die Reihenfolge ziemlich willkürlich.

1. Flocki war die erste Hündin, die ich auf dem Bauernhof der Eltern meiner Freundin kennenlernte. Da der Hof nicht in der Nähe lag, konnte ich sie nicht so oft sehen, wie ich das gern hätte. Ich liebte dieses süße Mädchen und vermisse sie immer noch. Ich bekam sogar mal ein T-Shirt mit einem Bild von ihr, das muß noch in meinem Kleiderschrank sein.
Es gibt eine unvergeßliche Geschichte. Meine Freundin besuchte mal ihre Eltern über das Wochenende, und ich kam mit und schlief auf der Wohnzimmercouch. Am nächsten Morgen wachte ich mit einer Nase im Gesicht auf. Die Mutter meiner Freundin meinte, Flocki habe darauf bestanden, mich zuerst zu sehen 
🥰 ein ziemlicher Schock für meine Freundin, die normalerweise die erste war, die an Besuchswochenenden von ihr geweckt wurde. Wenn wir so beim Erzählen auf Flocki kommen, ist diese Geschichte immer dabei ... meine Freundin kann es immer noch nicht fassen, hehe!


2. Von Hera habe ich kein Bild, weil sie der Deutsche Schäferhund auf dem Hof der Eltern meiner Patentante war, als ich noch ein Kind war. Wenn ich an Hera denke, kommt mir als erstes das Bild in den Sinn, wie sie darauf wartet, daß die Kätzchen, die sich an ihrem Napf bedienen, fertig sind.

3. Chloey ist die Hündin eines Familienmitglieds. Sie ist eine französische Mademoiselle, die auf dem Umweg über eine Nothilfe für Polarhunde nach Deutschland kam.
Mit diesen Ohren und diesem Gesicht und dem roten Pelz (je nach Licht heller oder dunkler) erinnert sie mich immer an einen Fuchs, also nenne ich sie gern auf Schwäbisch "onser Fichsle".
Seht ihr, wie sie grinst? Das ist, weil sie genau weiß, daß sie ihre zwei Menschen um jede Pfote gewickelt hat. Das Motto ist: "Alles für den Hund. Alles für den Hund." (Man ist gesetzlich verpflichtet, es zweimal zu sagen, ich weiß daß, weil wir hier dasselbe haben, nur mit "Katz'".


4. ist ein Doppelpack. Kosimo, genannt Kosel, und Nemo, genannt Schnuck, sind die Hunde hier im Haus. Wie ihr sehen könnt, handelt es sich um natürliche Modelle, so natürlich in der Tat, daß sie nicht an komische Pudelhaarschnitte glauben (die traditionell damit zu tun haben, daß Pudel ins Wasser gehen, weil sie zur Entenjagd gezüchtet wurden, die heute aber nur noch der Optik dienen).
Kosel kann sich manchmal gar nicht von mir zurückhalten und ich liebe es, auch wenn er die Angewohnheit hatte, einen meiner rosa Schuhe aus dem Hausflur zu klauen. Er liebt rosa und mußte diesen Flamingo einfach haben, den sein Neffe da gerade zu stehlen versucht. Schaut euch nur diese dunklen Augen an.
Nemo hält sich bei mir ein bißchen mehr zurück, nachdem er mich zum Gruß einmal umzustoßen versucht, aber kürzlich hatten wir eine dicke Umarmung.



5. Struppi war der erste Hund, den ich im Haus meiner besten Kindheitsfreundin kennenlernte. Er war ein Rauhhaardackel und aus irgendeinem Grund denke ich an ihn immer als einen kleinen mürrischen alten Mann. Ich habe kein Bild von ihm, sorry.
Natürlich sind so einige Erinnerungen mit ihm verbunden, ich erzähle euch nur eine davon. Wir saßen im Auto. Die Mutter meiner Freundin hatte uns beiden ein Butterbrot mit Salami gemacht. Ah, ihr wißt, wo das hier hinführt, nicht wahr? Meine Freundin und ich saßen auf den Rücksitzen und Struppi neben mir. Einen Moment sah er aus dem Fenster, im nächsten war die Salami von meinem Brot verschwunden und er schaute immer noch aus dem Fenster!
In meiner Unschuld hatte ich die Brotscheibe hochgehalten und eine Sekunde weggeschaut. Es war praktisch ein Angebot, das er so schnell annahm, daß ich es nicht mal mitbekam.

6. Finni war die Hündin einer weiteren Freundin, ebenfalls ein Dackel, aber Langhaar.
Ich kann mich nicht erinnern, daß Finni jemals etwas anderes als lieb war, ziemlich erstaunlich für einen Dackel, eine Rasse, die sehr stur sein kann (ich kannte noch mehr außer Struppi und Finni). Das einzige, bei dem sie extrem stur sein konnte, war, daß sie eine bestimmte Trockenfuttersorte absolut verschmähte.
Es gibt irgendwo ein Bild von ihr, ein Polaroid, in einem Stapel loser Fotos, ich weiß nicht, wie gut es nach all den Jahren noch aussieht. Falls ich es finde, werde ich es hier noch einfügen.

Natürlich habe ich im Laufe der Jahre noch viele Hunde getroffen und manchmal war es Liebe auf den ersten Blick, aber oft mußten wir uns schon nach einer einzigen flüchtigen Begegnung trennen ... beim Tierarzt, im Zug, in der Stadt ...
Also kommt hier nun das "was auch immer".
Es gibt ein paar Hunde im Internet, in die ich vernarrt bin (oder sollte ich sagen, zu denen ich eine parasoziale Beziehung habe?).

7. Es fing mit Olive und Mabel an.
Sie sind die Begleiterinnen des schottischen Sportkommentators Andrew Cotter. Als Corona zuschlug und es keine Sportveranstaltungen gab, kommentierte Cotter "The Dog's Breakfast Grand Final", das Finale beim Hundefrühstück - das die ältere und erfahrenere Olive übrigens gewann. Sorry für den Spoiler.
Cotter machte dann noch mehr witzige Videos, zum Beispiel Olive und Mabel, die auf ihren Profilen für Onlinedating schwindelten oder einem Fitneßstudio beitraten, aber es hat sogar schon etwas Beruhigendes, ihm einfach zuzusehen, wie er mit den Labradoren durch seinen Garten geht.



8. Ich fand Ollie und Tato auf Instagram und verguckte mich sofort in sie. Ihre Videos machen mich glücklich und geben mir einen Moment lang Frieden, schwer benötigt dieser Tage. Wen würde es nicht glücklich machen zu sehen, wie Labradore ihre eigene Version des König der Löwen machen (sehr eindrucksvoll), wie Ollie sich um seinen eigenen Kürbis kümmert oder Tato (der Babyraptor) und sein Pläneschmieden gegen Santa?
Tiervideos sind das einzige Mal, daß mich nicht mal KI-Stimmen stören. Ich lebe für Ollies mlems und Tateys pew-pews.

Auf YouTube gibt es nicht viel, weil sie hauptsächlich auf Instagram und TikTok sind, aber hier ist ein Beispiel.
Die meiste Zeit sind sie übrigens ganz normale Hunde mit einem ganz normalen Leben.




9. Auch die "Sisters of the Snoot" habe ich auf Instagram gefunden, naja, der Algorithmus hat sie mir in den Weg geschmissen, fang mit einem Hundekanal an und sie poppen auf wie verrückt.
Die Schwesternschaft besteht aus Abby (Barsoi), Cleo (Silken Windhound) und Marcy (Barsoi). Ich habe keine Ahnung, warum ich es so witzig finde, wenn ich höre, daß sie Nudelhund genannt werden (ich nenne den Dekan auch gern einen Nudelkater).
Auch hier gibt es nicht so viel auf YouTube.



10. ist nicht wirklich ein Hund. Es ist eine Menge Hunde, in die man sich verlieben kann.
Es geht um einen Kanal auf mehreren Plattformen, der mich regelmäßig zum Lachen und zum Weinen bringt, was auch mit guten Dingen nicht schwer hinzubekommen ist. Ich spreche von "We Rate Dogs".
"We Rate Dogs" begann vor fast zehn Jahren auf Twitter, wo sie Hunde - Überraschung! - bewerten oder sich darüber "beklagen", daß Leute Bilder von Nicht-Hunden einschicken (wie "Seehunden", "Eisbären", "Haien" und so weiter).
Heute ist "We Rate Dogs" auch auf Facebook, Instagram, BlueSky, TikTok, YouTube und wer weiß, wo sonst noch. Normal könnte mich das in anderen Fällen eher abschrecken, aber der Gründer Matt Nelson hat das hier nicht nur zu seinem Job gemacht, indem er sagt "The dogs were good again this week. Here are my top 5." (Die Hunde waren diese Woche wieder gut. Hier sind meine Top 5.)




Ein Teil der Einnahmen geht an die 15/10 Foundation, die Hunde mit medizinischen oder verhaltensbezogenen Problemen sponsert und Rettungsorganisationen unterstützt.

Da habt ihr es, ich hab's ganz bis 10 geschafft 
😊

P.S. Wie konnte ich Snoopy vergessen???

Montag, 7. Juli 2025

Aus meinem Kinderbuchschrank - Susanne Barden

Zunächst einmal - bevor ich mich jetzt anspringt, falls ihr die "Susanne Barden"-Serie kennt, ich weiß, daß das keine Kinder-, sondern Jugendbücher sind.
In dem Schrank, den ich schon immer meinen Kinderbuchschrank nenne, ist eine Mischung aus beidem.


Ich wollte selber nie Krankenschwester sein. Nichts davon spricht mich persönlich an. Als erstes kann ich zwar mein eigenes Blut sehen, aber nicht das von anderen. Mir wird schon schwach nur von dem Geruch eines Krankenhauses, wenn ich es betrete. Hauptsächlich denke ich allerdings, daß ich zu weich bin ... oder anders ausgedrückt ein Feigling.
Dank dieses Gefühls schätze ich Krankenschwestern und -pfleger sogar noch mehr dafür, daß sie das fertigbringen. Ich habe so ein oder zwei in meinem Leben gekannt (und war nicht mit allen davon glücklich, schließlich sind wir alle Menschen) und ich bin auch mit ein oder zwei befreundet.
Warum also habe ich "Susanne Barden" gelesen und warum habe ich die Bücher sogar selber?
Oh, und falls ihr die Reihe nicht kennt, wer ist Susanne Barden überhaupt?

"Susanne Barden" ist die Geschichte einer jungen Frau von der Probe- bis zur Stabsschwester, erzählt in sieben Büchern, die zwischen 1936 und 1952 von Helen Dore Boylston geschrieben wurden, die selber Krankenschwester war.
Ihre Bücher gelten in den USA
 als zu den ersten gehörend, die die Kategorie von Büchern für junge Erwachsene definieren.

Boylston arbeitete während des 1. Weltkriegs als Krankenschwester in einem Feldlazarett und schrieb auch ein Buch über diese Erfahrung. Sie blieb dann in Europa, um in verschiedenen Ländern für das Rote Kreuz zu arbeiten.
Nachdem sie die Autorin Rose Wilder Lane (die Tochter von Laura Ingalls Wilder) traf, beschlossen sie, in einem Ford Modell T von Paris nach Albanien zu fahren. Sie lebten ungefähr ein Jahr lang in Albanien, bevor sie in die USA zurückkehrten, ein Buch, das auf ihren Tagebüchern und Briefen beruhte, erschien 1983.

Helen Dore Boylston, ca. 1928


Nachdem sie während der Depression Geld verlor, ging Boylston in die Krankenpflege zurück und fing dann ernsthafter mit dem Schreiben an.
Ihre Susanne Barden-Bücher basierten auf ihren eigenen Erfahrungen und echten Personen, die sie kannte, sie behielt sogar manche der richtigen Namen bei, bestand aber darauf, daß Susanne nicht autobiographisch ist, sondern die Krankenschwester, die sie selber gern gewesen wäre.
Ihr Ziel war es, kein romantisches, sondern ein realistisches Bild der Arbeit als Krankenschwester zu vermitteln, und ihre Hauptfigur schlug im Laufe ihrer Karriere verschiedene Wege ein, genau wie sie es selber getan hatte.

In der Originalreihe gab es sieben Bücher, "Sue Barton: Student Nurse", "Sue Barton: Senior Nurse", "Sue Barton: Visiting Nurse", "Sue Barton: Rural Nurse", "Sue Barton: Superintendent of Nurses", and the last two which followed some years later, "Sue Barton: Neighborhood Nurse", and "Sue Barton: Staff Nurse".
Hier sieht man schon, daß aus Sue Barton im Deutschen Susanne Barden wurde, oft Suzy genannt, mehr dazu noch später.

In den ersten zwei Büchern erfahren wir, wie Susanne und ihre Freundinnen Kit und Connie in einem berühmten Krakenhaus ihre Ausbildung machen. Sie verliebt sich in den jungen Arzt Bill Barry und verlobt sich, besteht aber darauf, erst noch als Krankenschwester zu arbeiten, bevor sie heiraten.
Im dritten Buch arbeiten Suzy und Kit für das Sozialprojekt Henry Street Settlement in New York als Gemeindeschwestern. Bill, der eine Stelle als Landarzt angenommen hat, hat seine Meinung über das Warten geändert und möchte so schnell wie möglich heiraten, was zu einer Trennung führt, jedoch nicht für lang.
Als sein Vater stirbt, muß Bill die Hochzeit verschieben. Suzy möchte in seiner Nähe sein und organisiert im vierten Buch für sich eine Stelle als Gemeindeschwester auf dem Land.
Zu Beginn des fünften Buches heiraten 
Suzy und Bill und Suzy arbeitet als Chefin der Schwesternschule im neuen Krankenhaus, ist sich aber nicht sicher, ob sie die Richtige für diese Arbeit ist. Die Ehe verliert etwas an Glanz, aber am Ende ist Suzy mit ihrem ersten Kind schwanger und kündigt ihre Stelle bei der Schule.
Im sechsten Buch haben 
Suzy und Bill drei Kinder. Suzy bereut, nicht mehr als Krankenschwester zu arbeiten, stellt aber fest, daß ihre Erfahrung ihr auch in der Familie und Nachbarschaft zugutekommt. Kit ist nun die Chefin der Schwesternschule.
Im letzten Buch wird Bill krank. Er muß monatelang in einem Sanatorium bleiben, also muß Suzy wieder arbeiten und mit Hilfe einer alten Freundin für ihre nun vier Kinder sorgen. Bill erholt sich, und obwohl das Ende offen ist, scheint es doch darauf hinzudeuten, daß Suzy die Arbeit wieder aufgeben wird, sobald er zurückkommt.

In Deutschland wurden die Bücher zunächst in den 50ern als eine Ausgabe mit drei Bänden veröffentlicht. Mehr Auflagen folgten, aber erst später als Serie von sieben Büchern. Ich erinnere mich, wie überrascht ich war, als ich zum ersten Mal die sieben Taschenbücher in unserem Buchladen sah, weil ich dachte, ich hätte etwas verpaßt, bis ich dann die Beschreibungen las.
Die sieben Bücher hießen bei uns jeweils "Susanne Barden" mit dem Zusatz "Hinaus ins Leben", "Zeig, was du kannst", "in New York", "Weite Wege", "Jung verheiratet", "Heiter bis bewölkt", "Ende gut, alles gut", was sicherlich auch daran lag, daß es die englischen Begriffe so bei uns im Deutschen nicht gibt.


Susanne Barden - Hinaus ins Leben
 (Sue Barton: Student Nurse/Senior Nurse)
Susanne Barden - Weite Wege
(Sue Barton: Visiting Nurse/Rural Nurse)
Susanne Barden - Reifen und Wirken
(Sue Barton: Superintendent of Nurses/
Neighborhood Nurse/Staff Nurse

Ich haßte diese Einbände und habe mich dieses Jahr zum Geburtstag selber mit einem Set der Ausgabe beschenkt, die ich aus meiner Kindheit kannte.
So sentimental, ich weiß! Die neueren Einbände erinnerten mich aber immer an Arztromane (was mich in Gedanken zu dem Regal im Einkaufsladen meiner Kindheit zurückbringt, in dem all die Heftchenromane angeboten wurden, so witzig, an was wir uns erinnern). Ich mochte sogar die alte Schriftart lieber.
Sind sie nicht hübsch?


Für diesen Post habe ich Teile der ersten Bücher auf Englisch (die ich auf The Internet Archive gefunden habe) und auf Deutsch verglichen, und die Übersetzung scheint überwiegend nah am Original zu sein, ist aber in Bezug auf den Stil sehr frei.
Es gab auch ein paar kleine Kürzungen im Text. Vielleicht war der Grund dafür, daß sie aus sieben Büchern drei machten. Ich finde es trotzdem nicht in Ordnung und frage mich, warum sie die Reihe überhaupt erst als Trilogie herausgegeben haben.
Wie gesagt wird aus Sue Susanne und auch ein paar der anderen Namen sind geändert (was ich nur in einem Fall verstehe, in dem der Name etwas aussagt).
Was mich überrascht hat war, daß Fahrenheit nicht zu Celsius geändert wurde, denn das wäre nun etwas gewesen, das ich gemacht hätte. 68 Grad Fahrenheit sagten mir als Kind gar nichts.

Meine Schwester war die erste, die die Bücher aus unserer Stadtbücherei auslieh und ihr gefielen sie (obwohl sie auch keine Krankenschwester sein wollte), also las ich sie auch. Das muß so in der zweiten Hälfte der 70er gewesen sein.
Ich glaube nicht, daß ich so recht darüber nachgedacht habe, wie alt die Bücher genau waren, in den 70ern schienen sie mir noch gar nicht so sehr veraltet, schließlich hatte ich ja auch keine Ahnung von Krankenpflege und man hätte mir einfach alles verkaufen können.
Als Erwachsene kaufte ich die Bücher dann für meine Sammlung. Natürlich wurde mir da klar, wie alt sie waren, aber jetzt war es ja sowieso vintage Lesestoff.

Meine Favoriten waren die ersten eineinhalb deutschen Bücher (englisch 1 bis 3) und das letzte Dritte des dritten Buchs (englisch 7). Ich mochte die anderen auch, aber nicht so sehr, obwohl ich mir damals nicht groß überlegte, warum das so war. Habt ihr schon einen Verdacht?

Als ich die Bücher für diesen Post noch einmal las, wurde es so offensichtlich für mich. Anders als andere war ich kein Fan von Bill.
Meine Favoriten zeigten Suzy als eine unabhängige Frau, die ihrem Traum folgte und gut darin war (okay, vielleicht etwas zu gut, um realistisch zu sein, aber immerhin ist es Fiktion), und Bill kam darin gar nicht so herausstechend vor. Klar, er war für die Liebesgeschichte da, aber die Romanze war für mich in diesen Büchern gar nicht der wichtige Anteil. Ich glaube, ich hatte genug von ihm, als er wegen der Heirat drängelte, obwohl er Suzy doch versprochen hatte, daß er warten würde. 

In einem Buch nennt Suzy Bill "zu ernst, denke ich manchmal". Offen gesagt schien er mir manchmal ein verwöhntes Kind zu sein, egal was er für ein wundervoller Arzt ist, während Suzy irgendwie viel reifer erscheint.
Boylston heiratete übrigens nie und auch nicht Kit in den Büchern, die einer meiner Lieblingscharaktere ist.
Dann erinnere ich mich selber wieder an die Zeit, in der diese Bücher geschrieben wurden. Die 30er waren eine Zeit, in der Frauen begannen, Unabhängigkeit zu erreichen, zum Beispiel in Berufen wie der Krankenpflege, aber die 50er, als die letzten beiden Bücher erschienen, wollten Frauen zurück im Haus sehen, am Herd und für Mann und Kinder sorgend.
Wenigstens konnte Suzy beweisen, daß sie imstande war, ohne Mann im Haus zu überleben.

Ich stimme allerdings einer Bloggerin zu, die geschrieben hat "I think the author sold out to the publishers on that one.", also daß die Verfasserin sich dem Verlag unterworfen hat.
Zugegeben, als Bill Kit erzählt, daß er bald wieder heimkommen wird und Suzy überraschen will, ist sie sich sicher, daß Suzy die Arbeit aufgeben wird, aber Bill fragt sich, ob sie ihr nicht fehlen wird. Kit meint, das müßten sie beide entscheiden und Bill antwortet, Suzy müßte es entscheiden. Es ist nur so, daß ich dabei das Gefühl bekam, daß er darauf hofft, daß sie kündigt, und damit scheine ich nicht allein dazustehen. Vielleicht vertrauen wir nicht darauf, daß Bill erwachsen genug geworden ist, um das zu verstehen?
Da dies das letzte Buch ist, schätze ich, wir können selber entscheiden, was Suzy tatsächlich als nächstes tun wird.

Ich kann euch nicht wirklich sagen, warum ich diese Bücher so gern lesen, aber ich schnappe sie mir gelegentlich und habe immer noch Spaß damit, ärgere mich immer noch über Bill und bin immer noch froh, daß ich keine Krankenschwester bin (so wie es auch alle Patienten sein sollten).

P.S. Ich meine mich zu erinnern, daß ich Boylstons andere Reihe über die Schauspielerin Carol Page in der Bücherei oder sonstwo gesehen hatte, glaube aber nicht, daß ich sie je gelesen habe.
Ich habe auch nie Cherry Ames gelesen, eine weitere in den USA sehr beliebte Serie über eine Krankenschwester. Tatsächlich hatte ich, bevor ich für diesen Post recherchierte, noch nie von ihr gehört und konnte auch keine deutsche Übersetzung für die Bücher finden.


Quellen (englischsprachig):

1. Katherine Ashenburg: Rereading: Sue Barton and Me. In: The American Scholar 72(2003),3, pp. 137 - 141 (Closed Access)
2. Deborah Philips: Healthy Heroines: Sue Barton, Lillian Wald, Lavinia Lloyd Dock and the Henry Street Settlement. In: Journal of American Studies 33(1999),1, pp. 65 - 82 (Closed Access)
3. Rebecca M. Douglass: Middle Grade Monday: Helen Dore Boylston. Auf: The Ninja Librarian, 1. November 2021
4. "lunacat101": Helen Dore Boylston (1895-1984), Teil I, II, III. Auf: Authors' real lives, 3. Januar 2015 - 5. April 2015 - 19. September 2015
5. Travels with Zenobia - Paris to Albania by Model T Ford : A Journal by Rose Wilder Lane and Helen Dore Boylston. Hrsg. von William Holtz. Columbia & London, University of Missouri Press, 1983

Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.

Freitag, 4. Juli 2025

Gaslicht oder Das Haus der Lady Alquist

Lisa von Boondock Ramblings hat auf ihrem Blog diesmal den "Summer of Angela (Lansbury)". Ich werde nicht voll daran teilnehmen, weil ich nicht zu allen Filmen Zugang habe.
Also dachte ich mir, ich würde diesen Post ein bißchen anders machen und mich damit nicht nur auf "Das Haus der Lady Alquist" konzentrieren.
Lisas Post könnt ihr hier finden.

Bild über pxhere


Wußtet ihr, daß der Begriff "Gaslighting" von diesem Film abstammt? Obwohl der Begriff schon früher verwendet wurde, wurde er Mitte der 2010er populär. 2022 war er zum Beispiel Merriam Websters Wort des Jahres.
"Die moderne Definition von Gaslighting ist eine psychologische Manipulationstechnik, mit der eine Person versucht, jemanden davon zu überzeugen, daß ihre oder seine Realität unwahr ist." Das geht über einen Streit oder darüber, jemandem die eigene Meinung oder Art zu denken aufzudrängen, hinaus. Es soll einem Menschen Kontrolle über einen anderen geben, indem man ihn dazu bringt, sich selber und was er glaubt und denkt, in Frage zu stellen.
Wo kommt dabei aber das Gaslicht ins Spiel?

Gas Light ist ein Theaterstück von 1938, das von dem britischen Romanautor und Dramatiker Patrick Hamilton geschrieben wurde und nicht nur in Großbritannien gut aufgenommen wurden, sondern auch in Los Angeles - als "Five Chelsea Lane" - und später am Broadway - als "Angel Street" ein Riesenerfolg war.
Es wurde außerdem in mehreren Ländern verfilmt und ich möchte mir drei dieser Verfilmungen anschauen.

Eine ist der Film von 1940, von dem ich nicht mal wußte, daß es ihn gibt (mehr darüber später), mit Anton Walbrook (der österreichische Schauspieler Adolf Wohlbrück nahm den englischen Namen nach seiner Emigration an) und Diana Wynyard.
Eine ist der Film von 1944 mit
 Ingrid Bergman, Charles Boyer, Joseph Cotten - und natürlich Angela Lansbury.
Dann ist da noch eine deutsche Version - es hat mehrere gegeben - von 1960 mit Dieter Borsche und Margot Trooger.

Im Grunde ist die Handlung (Spoileralarm!) in allen Verfilmungen die gleiche - ein Mann, der versucht, seine Frau davon zu überzeugen, daß sie wahnsinning ist.
Der Film von 1940 hat ein paar der Namen verändert, die Handlung hält sich aber nah an das Stück.
Der Film von 1944, der ungefähr eine halbe Stunde länger ist, hat jedoch nicht nur einige der Namen verändert und eine mögliche Liebesgeschichte am Ende hinzugefügt, sondern bietet auch eine komplette Vorgeschichte am Anfang statt nur einer Szene.
Das Fernsehspiel von 1960 hat die Namen nicht verändert und bleibt nah am Stück.
Ich hoffe, das wird ab hier jetzt nicht zu verwirrend.

Ihr wißt, daß ich mir normalerweise nicht nur Information über die Filme anschaue, sondern auch ein paar andere Rezensionen, weil sie mich manchmal dazu bringen, mir Dinge genauer anzuschauen oder auch um zu sehen, ob ich etwas anders interpretiert habe als andere.
Diesmal habe ich nur einen kurzen Blick in Rezensionen geworfen und mich dafür entschieden, nur meine eigenen persönlichen Gedanken zu diesen drei Versionen aufzuschreiben.

***


Ich fange mit dem Hollywood-Film von 1944     an, einfach weil er der bekannteste ist.


Die junge Paula Alquist verläßt das Haus in London, in dem ihre Tante Alice, eine berühmte Opernsängerin, bei der sie aufgewachsen ist, brutal ermordet wurde. Sie geht nach Italien, wo sie Gregory Anton kennenlernt, der sie während ihrer Gesangsstunden auf dem Klavier begleitet. Sie verlieben sich und heiraten, dann kehren sie nach London zurück.
Nachdem Paula einen von einem Sergius/Sergis (ich habe Sergius verstanden, man findet aber beide Namen) unterschriebenen Brief an ihre findet, ändern sich die Dinge zwischen Gregory und ihr. Er läßt alles, was Alice gehört hat, auf den Dachboden bringen, den er mit Brettern vernageln läßt. Er geht jede Nacht aus und flirtet vor Paula mit Nancy, dem Dienstmädchen. Er behandelt Paula abwechselnd liebevoll, herablassend oder ärgerlich. Er isoliert sie von der Außenwelt und sagt ihr, daß sie Dinge vergißt, verliert und sich einbildet, bis sie selber anfängt, daran zu glauben. Das einzige Mal, daß sie darauf besteht, zu einer Vorführung zu gehen, treibt er sie zum Zusammenbruch, indem er behauptet, sie habe seine Uhr gestohlen.
Sie hört Schritte über ihrem Zimmer und das Gaslicht wird schwächer, ohne daß eine andere Lampe im Haus angezündet wurde.
Schließlich behauptet Gregory, daß Paulas Mutter wahnsinnig war und in einer Anstalt starb, daß der Letter von Bauer niemals existiert hat und daß auch Paula eingewiesen werden muß.
Ein junger Scotland Yard-Beamter, Brian Cameron hat Gregory jedoch erkannt, da er als Kind ein Bewunderer von Alice war und Gregory bei ihr gesehen hat. Er besucht Paula, um ihr die Wahrheit über ihn zu erzählen - daß er nur versucht, sie in den Wahnsinn zu treiben, um vollen Zugang zu ihrem Vermögen zu erhalten, daß es seine Schritte sind und daß das Gaslicht unten schwächer wird, weil er das auf dem Dachboden aufdreht, um dort nach Alice Alquists Juwelen zu suchen. Sie finden den Brief von Bauer und Cameron erkennt, daß Gregory in Wirklichkeit Bauer ist, der schon eine Frau in Prag hat.
Während Cameron noch mit Paula spricht und Elizabeth, die Köchin, darum bittet, auf ihre Herrin aufzupassen, findet Gregory die Juwelen zwischen Straßsteinen versteckt, die auf ein Kleid aufgenäht sind.
Gregory wird ins Gefängnis gebracht. Paula und Cameron treten nach draußen und es ist klar, daß Cameron Paula wiedersehen möchte.


***

Als nächstes ist der britische Film von 1940 dran, "Gaslicht".

Fair Use über Wikimedia Commons


Hier gibt es keine Vorgeschichte außer der Szene, in der eine alte Dame, Alice Barlow, erwürgt wird (mit ihrem eigenen Sticktwist!) und jemand auf der Suche nach etwas das Mobiliar zerlegt.
Erst Jahre später zieht das Ehepaar Mallen, Paul und Bella, in ihr Haus.
Paul behandelt Bella grausam und erhöht den Druck auf sie immer mehr. Er läßt sie glauben, daß sie Dinge stiehlt, vergißt und sich einbildet, erinnert sie an den Wahnsinn ihrer Mutter und droht ihr damit, sie in eine Anstalt einweisen zu lassen.
Er ist auch gemein zu ihrem einzigen Freund, einem kleinen Hund, und später wird impliziert, daß der Hund tot ist (ich habe beschlossen, das einfach nicht zu glauben). Er flirtet nicht nur mit Nancy, sondern küßt sie sogar und führt sie ins Variété aus.
Während er weg ist, erhält Bella Besuch von einem Ex-Polizisten namens Rough, der Paul als einen Mann names Louis Bauer erkannt hat. Er hat auch ihren Cousin informiert, der von Paul fortgeschickt wurde. Er erzählt ihr die Wahrheit über Paul und das Gaslicht und die Geschichte von Alice Barlow und ihren verschwundenen Rubinen.
Als Mallen zurückkommt, konfrontiert Rough ihn. Bella findet die Brosche, von der Paul gesagt hat, sie habe sie verloren, und zeigt Rough, daß man sie öffnen kann. Rough erkennt sie als Alices Brosche. Innen sind Einbuchtungen, in der lose Steine waren, die Bella in einer Vase aufbewahrt hat - Alices wertvolle Rubine, nach denen Paul die ganze Zeit gesucht hat.
Paul wirft einen Stuhl nach Rough, aber zusammen mit seinem Helfer gelingt es Rough, ihn zu fesseln. Bella spricht mit ihm und verhöhnt ihn. Als Paul von der Polizei weggebracht wird, tritt Bella allein auf den Balkon hinaus.

***


Als letztes kommt das deutsche Fernsehspiel an die Reihe.


Jack und Bella Manningham sind in ihrem Salon. Jack läßt Bella glauben, daß sie Dinge stiehlt, vergißt und sich einbildet, er erinnert sie an den Wahnsinn ihrer Mutter - sie ist in dem Alter gestorben, in dem Bella jetzt ist - und droht ihr mit der Einweisung in eine Anstalt. Er flirtet mit Nancy. Er behauptet sogar, daß Bella ihren eigenen Hund verletzt hat.
Während Jack am Abend ausgegangen ist, bekommt Bella Besucht, den Ex-Polizisten Rough, der ihr erzählt, daß Jack tatsächlich Sidney Power ist, der Alice Barlow wegen ihrer Rubine die Kehle durchgeschnitten hat. Er nennt Bella beharrlich bei ihrem Mädchennamen "Bella Royd", um ihr klarzumachen, daß Jack schon eine Frau in Australien hat.
Sie finden außerdem heraus, daß Jack versucht hat, Bella langsam mit ihrer "Medizin" zu vergiften.
Als sie Jacks Schreibtisch öffnen, finden sie Bellas Brosche und Bella zeigt Rough die Rubine, die sie herausgenommen und in eine Vase gelegt hat.
Als Jack zurückkommt, konfrontiert Rough in. Nach kurzem Kampf versucht Jack zu flüchten, wird aber von der Polizei gefangen genommen. An einen Stuhl gefesselt versucht er Bella dazu zu bringen, ihn zu befreien, aber sie verhöhnt ihn nur. Die Polizei nimmt Jack mit und Bella geht allein ihre Treppe hinauf.


***

Mir hat "Das Haus der Lady Alquist" immer gefallen. Ich bin ein Fan von Ingrid Bergman und liebe ihre Darstellung der Paula Alquist, für die sie einen Oscar bekommen hat.

Es ist immer schwierig, andere Verfilmungen anzuschauen, wenn man mit der, die man schon kennt, zufrieden ist, also war ich etwas mißtrauisch, dann aber erstaunte mich, wie schnell mich der britische Film in den Bann zog. Natürlich springt man ohne Vorgeschichte ja auch direkt ins Geschehen.

Ich verstehe, wenn andere es lieber mögen zu sehen, wie sich die Beziehung zwischen Gregory and Paula entwickelt, wie er sie aufbaut, um sie danach dann langsam zu zerstören, jetzt da er hat, was er wollte, uneingeschränkten Zugang zum Haus.
Ich andererseits wurde von dem Kontrast zwischen Paul und Bella ziemlich überwältigt. Sie mag diejenige gewesen sein, die fürchtete, den Verstand zu verlieren, tatsächlich konnte man aber erkennen, daß er der Verrückte war, was ihn meiner Meinung nach zu einem großartigen Bösewicht machte.
Wo Gregory subtiler ist, ist Paul unumwunden böse. Ich finde, das zeigt sich auch in dem Variétébesuch mit Nancy. Gregory wird von Nancy angezogen, Paul geht einen Schritt weiter. Ihm ist egal, wen er benutzt und wie er an sein Ziel kommt.
Am Schluß kann man Boyers Besessenheit mit den Steinen erkennen - keine Ahnung, ob das Absicht war, aber ich mochte den Lichteffekt in seinen Augen, als er über die Juwelen spricht, und dann blinzelt er und das Licht ist weg - aber es war doch noch ziemlich kontrolliert. Obwohl das gut gespielt war, mochte ich Walbrooks zügellosen Wahnsinn doch noch mehr. Es wäre interessant gewesen, ihn zusammen mit Bergman zu sehen.
Dieter Borsche zeigt weder den subtilen Charm von Boyer noch Walbrooks Wahnsinn. Stattdessen versteckt er sich hinter der Maske des respektablen Gentlemans, was es nicht weniger schrecklich machte.


Bergman war großartig und sie hatte eine Menge Gelegenheiten, die gesamte Bandbreite an Emotionen zu zeigen, glücklich, zweifelnd, verängstigt, gebrochen, racheerfüllt.
Wynyard hatte diese nicht. Ich kannte sie nicht vor diesem Film, aber sie hätte Bergman wahrscheinlich nicht ausgestochen. Trotzdem mochte ich ihre Darstellung sehr, vor allem am Ende, wenn sie ihren Mann verhöhnt, bis er vollkommen die Kontrolle verliert.

Die Nancy. Ich hätte gern sogar noch mehr von Lansbury gesehen. Ihre Nancy war wirklich unsympathisch mit der Art, wie sie die ganze Zeit auf ihre Herrin herabzusehen schien, tatsächlich schien mir aber, als ob sie dies hauptsächlich als Chance ansah, ihre Stellung im Leben zu verbessern, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was das für Paula bedeuten würde. Eine naive Hoffnung, denn wir wissen, daß sie für Gregory nur eine kleine Affäre gewesen wäre, aber diese Naivität paßte gut dazu, daß sie so jung war (17, als sie mit dem Filmen anfingen).
Cathleen Cordell war gut darin zu flirten und verführerisch zu sein, aber es schien mir oberflächlicher als Lansbury. Irgendwie kam es mir vor, als hätte Cordells Nancy mehr Erfahrung.
Christine Maybach war in Ordnung, lieferte aber nicht soviel wie die anderen beiden.

Ich finde, Joseph Cotten war etwas jung für die Rolle. Sie mußten ihn zu Alices kindlichem Bewunderer von vor Jahren machen, um ihm einen Grund zu geben, an diesem alten Fall interessiert zu sein. Das war wahrscheinlich nötig, weil eine Liebesgeschichte angedeutet wurde.
Rough, der Ex-Polizist in den beiden anderen Verfilmungen, macht für mich mehr Sinn - das hier ist ein offener Fall, der ihn seit Jahren verfolgt, bevor er den Mörder erkennt und ein weiteres Verbrechen verhindert.
Was mir aber besser gefiel war, wie Cameron Paula dazu bringen konnte, ihm zu vertrauen, indem er ihr den zweiten Handschuh zeigte, den ihm Alice als Kind geschenkt hatte. Rough erlangt ihr Vertrauen hauptsächlich durch sein Alter und sein väterliches Benehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine Frau, die vor Angst schon ganz verrückt ist, so bereitwillig einem völlig Fremden zuhören würde.

Eine Frage noch - wozu war Dame May Whitty als neugierige Nachbarin im Film von 1944 dabei? Nur damit sie Cameron von dem Haus erzählen konnte? Oder als Comic Relief?

***

Würdet ihr glauben, daß MGM das Publikum tatsächlich zu gaslighten versuchte, als sie ihr Remake machten? MGM kaufte das Recht am Theaterstück, bestand aber darauf, daß alle Kopien des britischen Films, der es bis dahin noch nicht auf den US-Markt geschafft hatte, vernichtet würden, um so mögliche Konkurrenz auszuschließen. Der Regisseur des Film, Thorold Dickinson, hatte die Voraussicht, eine persönliche Kopie zu ziehen.
Ich weiß nicht, was für eine Art Konkurrenz das gewesen wäre, als der 1944er Film herauskam.
Sie hatten die Stars und sie hatten das Geld für Glamour. Vergleicht doch nur mal die Sets, oh, und die Kleider.
Bergmans Kleider waren fantastisch und ich fand es toll, was sie mit ihrem Haar machten.
Tja, und die deutsche Version war als Fernsehspiel am einfachsten im Hinblick auf Sets und Kostüme (aber die Waffeln zum Tee sahen hübsch aus 
😉).

Alle drei Verfilmungen waren in mehreren Punkten recht unterschiedlich, aber wißt ihr was? Mir haben alle wirklich gut gefallen.
Trotzdem habe ich einen Favoriten und sehr zu meiner Überraschung ist das der Film von 1940. Für mich ist es tatsächlich in Ordnung, keine lange Vorgeschichte zu haben. Vielleicht werde ich ja ungeduldiger mit so manchem, aber mir gefiel, daß der Film kürzer war, nicht so sehr ausschmückte, straffer schien. Ja, und ihr habt vielleicht auch bemerkt, daß ich Paul Gregory vorziehe - wenn man im Fall eines Bösewichtes überhaupt von "vorziehen" sprechen kann.
Möglicherweise gefällt mir Walbrook einfach besser als Boyer (ich mochte ihn auch in "Die roten Schuhe" und hoffe, ich finde noch andere Filme mit ihm).

Es hätte Spaß gemacht, auch noch die anderen Verfilmungen zu finden, die deutschen und ein australisches, und vielleicht wäre es ganz interessant, das Stück auf der Bühne zu sehen. Ich muß mal schauen, ob es da etwas gibt.

Kompliment, falls ihr es bis hier geschafft habt, und danke! Habt ihr einen der Filme gesehen und was haltet ihr davon?


Quellen (englischsprachig):

1. Amanda L. Chase Avera: Gaslighting: What Is It And How Do We Fight Back? Auf: Middle Georgia State University - News, 17. April 2023
2. Gideon Haigh: GASLIGHT-ing: An Inquiry. Auf: Cricket et al, 22. Mai 2024


Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.

Speziell zu "Gaslighting" gibt es sehr viele Artikel.

Donnerstag, 3. Juli 2025

Stummfilme - Sonnenaufgang: Lied von zwei Menschen

Es wird jetzt langsam Zeit für etwas F. W. Murnau, der einer der einflußreichsten Filmemacher der Stummfilmära war - und trotzdem kenne ich nur einen seiner Filme (der hier irgendwann auch noch auftauchen wird, ich bin sicher, ihr wißt, von welchem ich spreche).
Das mußte sofort korrigiert werden, mit einem Film, von dem viele Kritiken begeistert erklären, daß er ein Meisterwerk, der beste Stummfilm und einer der großartigsten Filme überhaupt ist - Sonnenaufgang: Lied von zwei Menschen von 1927.

Ich gestehe, daß mich solche Etiketten immer etwas nervös machen. Ich habe schon mal gesagt, daß ich ganz und gar keine Filmexpertin bin, ich erzähle euch einfach nur ein paar Fakten und dann, wie mir ein Film gefällt. Oder nicht. Wenn ich also einen, von dem alle so begeistert sind, nicht mag, meine ich immer erst, ich muß mich mit meiner Meinung zurückhalten. Mag ich einen Film, weil ich denke, ich muß das? Wenn nicht, ist das dann, weil ich nicht schlau genug dafür bin oder gibt es einen anderen Grund - und werde ich offen zugeben, daß ich ihn nicht mag, einfach weil ich finde, mir steht eine eigene Meinung zu, auch wenn sie bei anderen unbeliebt ist?
Tatsächlich ja, das werde ich tun und ich schätze, ich wollte einfach, daß ihr das wißt.
Jetzt werde ich mir den Film anschauen und dann zurückkommen *Start Warteschleifenmusik*


"Dieses Lied des Mannes und seiner Ehefrau gehört zu keinem Ort und zu jedem Ort: man kann es überall und jederzeit hören.
Denn wo auch immer die Sonne auf- und untergeht ... im Getümmel der Stadt oder unter dem weiten Himmel auf dem Bauernhof ... das Leben ist ziemlich gleich: manchmal bitter, manchmal süß."
(Ich habe keine deutsche Version für die Zwischentitel gefunden, daher ist das eine eigene Übersetzung.)

Die Handlung (mit Spoilern).

Ferienzeit, die Stadtleute kommen auf das Land. Eine von ihnen ist die Frau. Sie bleibt seit Wochen, weil sie ihr Auge auf einen Bauern geworfen hat.
Der Mann ist hin- und hergerissen zwischen ihr - ein moderner Flapper, leidenschaftlich, ungehemmt - und der Ehefrau - altmodisch, schüchtern, gutmütig - mit der er ein Kind hat. Als die Frau aber buchstäblich nach ihm pfeift, kann er nicht widerstehen und folgt ihr zum See, während die Ehefrau bei ihrem Kind sitzt, weinend und sich an die guten Zeiten erinnernd.


Die Frau will, daß der Mann seinen Hof verkauft und mit ihr in die Stadt kommt, deren Bilder sie in seinem Kopf heraufbeschwört, den Trubel, die Musik, das Tanzen, die Menschen.
Als er sie fragt, was mit der Ehefrau ist, sagt die Frau, er solle sie mit auf den See nehmen und ertränken, es durch das Umwerfen des Boots wie einen Unfall aussehen lassen und ein Bündel Binsen mitnehmen, um sich selber in Sicherheit zu bringen. Der Mann würgt sie, aber sie macht daraus eine Umarmung.

Also schlägt der Mann eine Bootsfahrt auf dem See vor, was die Ehefrau sehr glücklich macht. Bald schöpft sie jedoch Verdacht. Mitten auf dem See bereitet der Mann sich darauf vor, sie über Bord zu werden, als die Ehefrau ihn aber anfleht, weiß er, daß er es nicht tun kann.
Als sie das Land erreichen, rennt die Ehefrau vor ihm weg und er folgt ihr bis zu einer Bahn, die in die Stadt fährt. Sie hat Angst und ist verzweifelt, aber schließlich kann der Mann sie beruhigen.
Als sie eine Braut eine Kirche betreten sehen, folgen sie ihr, und als sie hören, wie der Pfarrer mit dem Paar über Liebe und Führung spricht, bricht der Mann weinend zusammen und bittet die Ehefrau um Verzeihung.
Als sie wieder aus der Kirche kommen und die Treppen hinuntergehen, die Ehefrau mit den Blumen in den Händen, die der Mann ihr geschenkt hat, sehen sie selber wie Frischvermählte aus.
Sie erforschen zusammen die Stadt. Der Mann läßt sich rasieren, damit sie ein Foto machen lassen können. Sie haben Spaß auf einem Jahrmarkt, der Mann fängt ein Schweinchen, das von einem der Stände ausgebüchst ist, und wird dafür bejubelt, man bittet sie sogar, einen Ländler zu tanzen.


Als sie über den See zurücksegeln, zieht plötzlich ein Sturm auf, durch den ihr Boot voll Wasser läuft. Der Mann bindet der Ehefrau die Binsenbündel um, gerade noch bevor das Boot in den Wellen kentert. Er schafft es an Land und holt die Männer aus dem Dorf zusammen. Sie suchen den See ab, finden aber nur ein paar lose Binsen.
Der Mann ist vor Trauer gebrochen. Die Frau aber denkt, daß der Plan erfolgreich war, und geht zum Haus des Mannes, aber seine Reaktion ist nicht wie von ihr erwartet. Sie rennt weg, er aber holt sie ein und würgt sie erneut.
Erst als die Magd nach ihm ruft, läßt er die Frau los und läuft nach Hause. Ein Nachbar ist zurück auf den See gegangen und hat die Ehefrau doch noch gefunden.

Ein neuer Tag beginnt.
Die Frau wird auf einem Wagen zum See gebracht. Sie hält sich an ihrem Gepäck fest und sieht alles andere als glücklich aus.
Die Ehefrau erwacht, ihre Augen leuchten auf, als sie den Mann sieht. Sie küssen sich und die Sonne geht auf.


"Sonnenaufgang: Lied von zwei Menschen" war Murnaus erster Hollywood-Film, nachdem ihn William Fox in die USA eingeladen hatte, um dort einen expressionistischen Film zu machen.
Er basiert auf der Umsetzung der Geschichte "Die Reise nach Tilsit" (auf Projekt Gutenberg) des deutschen Dramatikers Hermann Sudermann und gewann bei den ersten Oscars im Jahr 1929 den Academy Award for Unique and Artistic Picture (Einzigartiger und Künstlerischer Film, er wurde nur dieses eine Mal vergeben) und außerdem den für die Beste Kamera.  Janet Gaynor gewann den Oscar als beste Schauspielerin (für ihre Arbeit an drei Filmen in diesem Jahr, darunter "Sonnenaufgang", erst später wurde das zur Preisvergabe für einzelne Filme geändert).
Er war jedoch nicht der finanzielle Erfolg, den Fox sich erhofft hatte.

Im Film geht es um Versuchung und den Weg zur Erlösung.
Außer ein paar kurzen Rückblicken, steigt der Film direkt mittendrin ein. Wir sehen nicht, wie der Mann die Frau kennenlernt, wir sind mitten in der Affäre, so weit, daß die Frau schon Pläne für die Zukunft schmiedet.

Der Film zeigt viele Gegensätze, um die zwei unterschiedlichen Welten darzustellen, die Stadt gegenüber dem Land und das moderne Leben gegenüber dem altmodischen Leben, aber auch die emotionalen Welten.
Auf der einen Seite haben wir die zwei Frauen, auf der anderen Seite den Mann, der zwischen ihnen hin- und hergerissen ist. Er brütet, er hat einen schweren Gang (Murnau packte Blei in seine Schuhe), er ist unrasiert und wirkt dunkel. Nachdem ihm aber klar wird, daß er bei der Ehefrau bleiben will, vor allem nach der Rasur für das Foto, kann man buchstäblich sehen, daß ihm ein Gewicht und der Schatten von der Seele genommen ist. Er lächelt, seine Augen strahlen, er ist leichtfüßig und wieder glücklich.

Ich habe mich gefragt, ob die Frau ihn so kennengelernt und sich in ihn verliebt hat und was eigentlich ihre Motivation dafür ist, ihn mit sich in die Stadt nehmen zu wollen. Hat es nur damit zu tun, daß sie die Macht, die sie über ihn hat, genießt? Hat sie überhaupt darüber nachgedacht, wie das Leben in der Stadt mit ihm wäre, denn mir fiel es schwer, mir den Mann dort mit ihr vorzustellen, genauso wie ich die Frau nicht dauerhaft auf dem Land mit dem Mann sehen konnte.

Es ist schön mit anzuschauen, wie der Mann und die Ehefrau ihren ungeplanten Tag in der Stadt genießen und erforschen, was für sie völlig neu zu sein scheint.
Es gibt zum Beispiel einen Moment, in dem sie so in einem Kuß versunken sind, daß sie ganz vergessen, daß sie mitten im starken Verkehr stehen, was dadurch symbolisiert wird, daß das Bild der Stadt im Hintergrund verschwindet und sich in Land verwandelt.
Ehrlich gesagt hätte ich aber wirklich auf die Jagd nach dem betrunkenen Schweinchen verzichten können, aber vielleicht sollte das eine komische Auflockerung sein.

Spürt ihr ein Aber kommen? Denn es gibt eins.
Ich verstehe ja das Bild von Erlösung und Versöhnung, aber immerhin hatte der Mann geplant, die Ehefrau für eine andere Frau zu töten, und ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm das so schnell vergeben hätte können.
Außerdem wurde mein Bild von ihm durch die beiden Würgeszenen nicht unbedingt verbessert.
Natürlich basiert das aber auf der ursprünglichen Geschichte (die für den Mann übrigens kein gutes Ende nimmt).

Würde ich sagen, daß dies einer der großartigsten Filme je war? Ich glaube nicht, aber ich bin mir nicht mal sicher, ob ich das überhaupt von einem Film sagen würde. Es gibt so viele und sie sind so verschieden, wie kann man vergleichen und wählen?
Wenn mich jemand nach meinen persönlichen fünf Favoriten fragt, kann ich euch gewöhnlich nicht einmal die sagen, weil es vielleicht gar nicht immer dieselben sind. Obwohl es Filme gibt, die ich zu meinen absoluten Favoriten zähle, könnte ich euch nicht sage, wieviele das sind.

Würde ich jedoch sagen, daß ich den Film mochte? Ja.
Ich werde hier jetzt keine Liste von Filmtechniken machen, die Anwendung fanden (wenn ihr Interesse habt, ist hier nur ein englischer Artikel von vielen dazu). Was ich euch sagen kann ist, daß sie wirklich gut funktioniert haben, zum Beispiel als der Mann so vor sich hinbrütet und die Frau ihn in einer Doppelbelichtung verführt und seine Gedanken heimsucht.

Am besten gefiel mir Margaret Livingston als die Frau. Ich fand, daß sie die Verführerin und Femme Fatale wirklich sehr gut gespielt hat, obwohl man nichts über ihre Motivation erfuhr.

Mir gefiel auch die allgemeine Stimmung, aber hier kommt jetzt noch ein kleines Aber in Bezug darauf.
Murnau machte den Film mit dem "Movietone"-Prozeß, das heißt, daß Musik und Geräusche, aber kein Dialog, vorher aufgenommen wurden und das dann mit dem Film zusammen im Kino abgespielt wurde. Die Musik war ja in Ordnung, aber die Geräusche waren mir zu laut, ein wieherndes Pferd, das quietschende Schwein, Hupen im Verkehr. Andererseits verstand ich, wie er diese Geräusche einsetzte, und andere mögen sie ja vielleicht.
Es gab aber erstaunlich wenig Zwischentitel. Murnau mochte keine Zwischentitel. Ein paar davon waren am Anfang notwendig, aber zum Schluß hin wurden es dann immer weniger.

Also ja, ich schätze mal, ich bin dann keiner dieser superbegeisterten Zuschauer, aber dennoch ist "Sonnenaufgang: Lied von zwei Menschen" es wert, angeschaut zu werden.
Ich kann mir sogar vorstellen, ihn selber nochmal anzuschauen, um vielleicht noch ein paar dieser Filmtechniken zu bemerken, die mir beim ersten Mal entgangen sind.
Zu meiner Verteidigung, es war sehr heiß und ich hatte einen schlafenden Kater im Arm, ohne mich bewegen zu können - wenn der Kerle Schmuser braucht, sind seine Wünsche mein Befehl.


Quellen (englischsprachig):

1. Pamela Hutchinson: My favourite film - Sunrise: A Song of Two Humans. In: The Guardian, Filmblog, 16. November 2011
2. Shari Kizirian: Sunrise: A Song of Two Humans. Auf: San Franciscso Silent Film Festival, Essay, Festival 2011
3. Andreas Babiolakis: Sunrise: A Song of Two Humans. Auf: FilmsFatale, 13. Oktober 2019
4.  Jaime Rebanal: Sunrise: A Song of Two Humans. Auf: Cinema from the Spectrum, 10. Juni 2016

Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.

Dienstag, 1. Juli 2025

Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett

Lisa von Boondock Ramblings hat zur Zeit auf ihrem Blog den "Summer of Angela (Lansbury)". Ich kann nicht komplett daran teilnehmen, weil ich nicht zu allen Filmen Zugang habe. Den ersten habe ich schon verpaßt und mit diesem Post bin ich ein paar Tage später dran, weil der eigentliche Tag schon von einem anderen Post besetzt war.

Der heutige Film ist Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett. Der englische Titel ist "Bedknobs and Broomsticks", die deutsche Übersetzung wurde von dem Film "Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten" inspiriert.
Ihr könnt Lisas Post (auf Englisch) hier finden.


Mit diesem Film von 1971 verbinde ich zwei ganz bestimmte Erinnerungen.
Die erste ist eine alte Fernsehserie für Kinder, die "Sport-Spiel-Spannung" hieß. Den Teil "Spannung" mochte ich am liebsten, weil sie da Ausschnitte aus Filmen, zum Beispiel von Disney, zeigten.
Ich weiß nicht, ob ich mir das einbilde, aber es fühlt sich so an, als ob eine bestimmte Szene aus "Die tollkühne Hexe ..." (ich werde den langen Titel so im Post abkürzen) mehr als einmal auftauchte. Ich glaube auch nicht, daß es Wiederholungen der Serie gab, also sah ich die Szene entweder mehr als einmal, weil sie sehr beliebt war, oder sie kam nur zwei oder drei Mal und es kam mir nur vor wie mehr als das?
Es ist aber auch möglich, daß sie in Disney-Sendungen auftauchte, weil ich gelesen habe, daß manche Leute deshalb dachten, daß es ein Zeichentrickkurzfilm war und nicht ein Teil eines abendfüllenden Films.

Die zweite ist, daß wir den Film tatsächlich im Kino sahen, was damals nicht so oft vorkam. Wir bekamen sogar Geld für Snacks - das waren noch die Zeiten, in denen man die eigenen Snacks unversteckt mitbringen konnte - und gingen in den großen Einkaufsladen. Die Wahl war nicht einfach für uns, wir entschieden uns schließlich für eine braune "Crunch"-Schokolade (im Gegensatz zur weißen, die braune gab es dann auch jahrelang gar nicht mehr). Ich werde die Firma nicht nennen, weil ich ihre Produkte nicht mehr kaufe.

Nun da ihr mein Schwelgen in Erinnerungen überlebt habt, kommen wir endlich zum Film, in Ordnung?
Fangen wir mit der Handlung an (Spoileralarm!). Halt, aber welche Handlung? Die originale? Die geschnittene Version? Oder die deutsche geschnittene Version? Wie wäre es mit der geschnittenen Version, denn das ist die einzige, die ich anschauen konnte, und dann sprechen wir später über die Schnitte, ja?

England 1940.
Drei Waisen - Charles, Carey und Paul Rawlins - werden mit anderen Kindern zusammen aus London auf das Land evakuiert, um den Flugangriffen der Deutschen zu entkommen.
Alle Kinder sind schon von Familien mitgenommen worden, nur die Rawlins-Kinder sind noch übrig, als Miss Caroline (im Original Eglantine) Price hereinkommt, um ein Paket abzuholen und unfreiwillig mit der Aufgabe betraut wird, sich um die Kinder zu kümmern.
Der Start läuft nicht allzu gut. Die Kinder möchten nicht auf dem Land bleiben und Miss Price hat keine Erfahrung mit Kindern.

Als die Kinder eingeschlafen sind, packt Miss Price ihr Paket aus, das von der Zauberschule von Emelius Browne kommt. Leider werden die Kinder Zeugen davon, wie sie fliegt, als sie sich bereitmachen, nach London zurückzukehren, und Miss Price muß ihnen sagen, daß sie einen Hexenkurs mitmacht, weil sie hofft, so bei den Kriegsanstrengungen zu helfen. Im Tausch gegen ihr Schweigen belegt Miss Price einen Bettknauf, den Paul vom Bett genommen hat, mit einem Reisezauber.

Als die Schule ihre Schließung bekanntgibt, bevor sie den wichtigsten Zauber erhalten hat, überzeugt Miss Price die Kinder, mit dem Bett nach London zu fliegen, wo sie Professor Browne treffen. Er ist ein (nicht sehr guter) Straßenzauberer, der die Lektionen einem alten Buch entnommen hat, dessen letzter Teil noch bei dem Buchverkäufer ist.
Als sie dorthingehen, finden sie heraus, daß die wichtigen Worte für den Bewegungszauber auf dem Sternenmedaillon eines Zauberers eingraviert sind.
Um das Medallion zu finden, reisen sie zur Insel Naboombu, auf der sprechende Tiere leben, vom Zauberer mit Magie belegt. Sie finden Leo(nidas), den König der Tiere, der den Stern trägt. Nach einem Fußballspiel, für das Browne als Schiedsrichter agiert, gelingt es diesem, den Stern gegen seine Pfeife zu tauschen, und sie können gerade so von der Insel entkommen.
Dieses Fußballspiel ist übrigens die erwähnte Szene.
 


Zu Hause probieren sie den Zauber aus, um Kleidung dazu zu bringen, sich zu bewegen, das endet aber im Chaos.
Professor Browne geht zum Bahnhof, um einen Zug zurück nach London zu nehmen, muß aber dort schlafen, weil der letzte bereits gefahren ist.
Inzwischen sind Nazi-Soldaten an der Küste gelandet, eine Aktion, um die Furcht vor einer Invasion zu schüren. Sie wählen Miss Prices Haus als Hauptquartier aus und bringen sie und die Kinder zur alten Burg.
Browne belauscht zwei der Nazis und geht zurück, um Miss Price zu helfen, die daraufhin den Zauber auf die Rüstungen anwendet, damit sie die Nazis angreifen und vertreiben, was auch gelingt. Leider verwüsten sie auch ihren Arbeitsraum und beenden so ihr Leben als Hexe.
Am Schluß hat Miss Price die Kinder adoptiert und Professor Browne ist in die Armee eingetreten, verspricht aber mit einem Kuß, daß er zurückkommt.

"Die tollkühne Hexe ..." basiert auf zwei Büchern von Mary Norton, "The Magic Bedknob; or How to Become a Witch in Ten Easy Lessons", das in Deutschland zuerst als "Das Zauberbett" und dann als "Die tolle Hexe" erschien, und "Bonfires and Broomsticks", für das ich keine eigene Übersetzung finden konnte. Im Englischen wurden die beiden Bücher später zu "Bed-Knob and Broomstick" zusammengefaßt.
Ich habe beide Bücher gelesen, nachdem ich den Film nochmal angeschaut habe, und obwohl ich jetzt keine Details verraten möchte, weil ich vielleicht irgendwann einen Post darüber schreibe, kann ich verraten, daß dies für mich ein schwerer Fall von "Wie sind sie von dem hier auf das da gekommen?" ist.

Ihr denkt vielleicht, daß sich "Die tollkühne Hexe ..." ein wenig wie "Mary Poppins light" anhört. Eine Dame, drei Kinder, Magie ... aber obwohl "Mary Poppins" sieben Jahr vor diesem Film herauskam, ist das Projekt tatsächlich älter. Disney kaufte die Rechte, kurz nachdem das erste Buch 1943 veröffentlicht wurde, die Fortsetzung folgte 1947.
Als die Verhandlungen mit P.L. Travers über die Rechte für "Mary Poppins" länger als erhofft dauerten, fingen sie stattdessen mit "Die tollkühne Hexe ..." an. Nachdem sie aber die Rechte für "Mary Poppins" erworben hatten, wurde dieser Film wegen der Ähnlichkeiten auf Eis gelegt, sogar mehr als einmal.

Nachdem der Film endlich herauskam, waren Kritiker und Publikum in ihren Meinungen geteilt. Zu lang, ein Mischmasch von Ideen, nicht genug Herz, erfindungsreich, unterhaltsam, beste Animation je, magisch, bezaubernd, ein Durcheinander, unterschätzt ...

Ich erinne mich nicht daran, wie gut er mir selber als Kind gefiel, aber ich bekam ja sowieso nicht diese Version zu sehen.

Der Film hatte ursprünglich eine Lauflänge von 141 Minuten. Ich bin ehrlich, ich finde, daß war keine sehr gute Idee für einen Film, der sich zunächst mal an Kinder richtete. Für die Premiere wurde er allerdings um 23 Minuten zurückgeschnitten. Das sind dann immer noch fast zwei Stunden (und die englische Version, die ich gesehen habe), immer noch recht lang für Kinder.
Eine Menge Leute scheint es verwirrt zu haben, daß Roddy McDowall im Vorspann direkt hinter Angela Lansbury und Davide Tomlinson aufgeführt wurde. Der Grund dafür war, daß die komplette Unterhandlung, in der Vikar Miss Price umgarnte, um ihr Land in die Finger zu kriegen, herausgeschnitten wurde. Eine gute Wahl, wenn ihr mich fragt. Ich habe die Szenen zwar nicht gesehen, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie das die Handlung irgendwie hätte weiterbringen sollen.
Ein paar Jahre später wurde sogar noch mehr geschnitten, ich kann euch aber nicht sagen, was genau es da war. 
Es wurde für mich dann doch etwas verwirrend mit all den verschiedenen Versionen!

Welche Version bekam also ich als kleines deutsches Kind zu sehen? Das ist nicht so schwer zu erraten. Wir hatten hier nicht so viele Szenen mit den Nazis. Sie wurden geschnitten, was das Ende wahrscheinlich etwas verwirrend macht. Auch andere Szenen fielen der Schere zum Opfer, schließlich landeten wir bei gerade mal 90 Minuten, aber die Nazis hatten daran sicher den größten Anteil.
Ich habe ein paar Forumsdiskussionen gelesen und liebte, wie jemand meinte, das wäre doch eine Chance dafür gewesen, mit den Kindern über Geschichte zu sprechen. Nicht viele Leute waren in den 70ern dazu bereit, mit ihren kleinen Kinder über diesen Teil der Geschichte zu reden. Daß wir jetzt die komplette Version zu sehen bekommen, okay, wir haben dazugelernt, aber damals war Geschichte eine Angelegenheit für die Schule.

Was ich interessant finde ist, wie es überhaupt Nazis in den Film geschafft haben. Nicht weil ich Deutsche bin und das nicht ertragen kann, sondern weil ich die Bücher gelesen habe.
Während der Krieg zwar im ersten Buch erwähnt wird, bezieht sich die einzige andere Erwähnung auf Butterrationen. Keine Home Guard, keine Soldaten. Keine Hilfe bei den Kriegsanstrengungen. Den Zauber gibt es schon, aber aus einem völlig anderen Grund (der allerdings genauso traumatisierend sein kann, aber Disney hat mich ja auch mit mehr als einem Film traumatisiert).
Ich sage es nochmal 
"Wie sind sie von dem hier auf das da gekommen?"

Trotzdem hat mir der Film gefallen. Ich finde, Lansbury hat die angehende Hexe (die nicht klischeehaft aussieht) sehr gut gespielt. Ich mochte Tomlinson und die Kinder waren okay.
Ich stimme dem zu, daß der Film lang war (ich habe kein Interesse daran, die noch längere Version zu sehen), aber er war unterhaltsam. Hier und da ist er vielleicht nicht so gut gealtert, wie zu erwarten war, und das Fußballspiel war vielleicht nicht ganz so aufregend, wie die kleine Cat es damals fand, aber es war trotzdem lustig.
Mein Lieblingslied ist übrigens "Portobello Road" (trotz Akkordeon), vielleicht spricht mich da die Mischung aus Melodie und Marktatmosphäre an?

Natürlich wird der Film oft mit "Mary Poppins" verglichen (übrigens wollten sie eigentlich Julie Andrews als Miss Price habenb), gewöhnlich mit dem Ergebnis, daß der letztere ja so viel brillianter ist.
Ich weiß, daß ich jetzt gefährliches Terrain betrete, aber ich mag "Mary Poppins" nicht. Da, ich hab's gesagt.
Ich liebe die Bücher, aber der Film ist viel zu lang für mich, auch einige der Lieder, und ich finde auch, daß sie die Mary aus den Büchern viel zu sehr disneyfiziert haben.
Also ja, wenn ihr mir die Wahl lassen würdet, welchen von beiden wir für einen Disney-Abend anschauen sollten, wäre das für mich definitiv "Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett".