Montag, 24. März 2025

Die drei ???

Die was??? (Seht ihr, was ich da gemacht habe? 😁)
Um ehrlich zu sein, denke ich, daß ich den Satz in Deutschland gar nicht brauche, wenn man an den Kult um die drei Fragezeichen denkt. Gibt es hier wohl jemanden, der echt noch nie davon gehört hat?
"Die drei 
???" = "Die drei Fragezeichen" sind bis zu meinem Auszug von daheim ein großer Teil meines Lebens gewesen.
Zuerst holte ich mir die Bücher als Kind aus der Stadtbibliothek, aber schon kurz danach zog die Geißel meines Lebens in mein Zimmer. Wißt ihr, ich teilte mir nämlich ein Zimmer mit meinem großen Bruder und als er auszog, mußte ich es mit meinem kleinen Bruder teilen.
Warum ich ihn die Geißel meines Lebens nenne, möchtet ihr wissen?
Versucht mal, dasselbe Hörspiel mehrere Male hintereinander anzuhören und dann wiederholt das einen Abend nach dem anderen ... und dann wärt vielleicht auch ihr soweit, euren kleinen Bruder verkaufen zu wollen
🤣
Ich muß das erklären.

Die Buchreihe um
"Die drei ???" wurde von Robert Arthur Jr. entworfen, der die ersten neun und das elfte Buch schrieb. Nach seinem Tod 1969 übernahmen andere Autoren.
Arthur hatte zuvor schon mit Alfred Hitchcock gearbeitet und erwarb eine Lizenz über die Nutzung seines Namens für die Serie vor seinem Tod 1980. Hitchcock arbeitete selber an keinem der Bücher mit, auch nicht an "seinen" Einleitungen, obwohl er auf den Covers älterer Ausgaben steht.
Die Originalreihe lief von 1964 bis 1987, mit einem kurzen Comeback 1989/90 unter dem Namen "Crimebuster Series". Legale Dispute verhinderten die Veröffentlichung von weiteren Büchern.
Mir war das bisher gar nicht bewußt gewesen, weil es kein Problem ist, das wir in Deutschland haben, wo der Franckh-KOSMOS Verlag, seit 1997 nur noch KOSMOS Verlag, Lizenzrecht an der Reihe hält. Als also die Originalreihe eingestellt wurde, übernahm ein Team von österreichischen und deutschen Autorinnen und Autoren und es ist kein Ende in Sicht (obwohl es ein paar holprige Zeiten gab, ebenfalls wegen der Rechte).

Wer sind
"Die drei ???"?
Im Original ist das einmal Jupiter Jones, der bei seinem Onkel und seiner Tante lebt, die einen Gebrauchtwarenhandel besitzen und zwei Helfer haben, Kenneth und Patrick. Er ist schlau und sehr logisch.
Peter Crenshaw ist der Sportler unter den drei und kein Fan der gefährlichen Situationen, in die sie Jupiter bringt.
Bob Andrews ist für Aufzeichnungen und Recherche zuständig, einmal weil er in den frühen Abenteuern durch eine Beinschiene behindert wird (im Deutschen ist es ein Gips), aber auch weil er zeitweise in einer Bücherei arbeitet (die Teile habe ich schon als Kind geliebt, warum Bob auch immer mein Liebling war).
Ihr Alter wird nie erwähnt, dem Kontext nach zu urteilen müßten sie aber so 13 oder 14 sein.

Sie haben ihr Detektivbüro mit Werkstatt, Dunkelraum, Telefon und mehr in einem Mobilheim (im Deutschen einem Wohnwagen) eingerichtet, sorgfältig hinter Schrott versteckt und durch mehrere Geheimeingänge zugänglich.
Ihre Fälle - der erste ist die Suche nach einem Spukhaus für  Alfred Hitchcock - werden mit Logik und Recherche aufgeklärt, egal wie mysteriös oder sogar übernatürlich sie zunächst zu sein scheinen.
Ich habe selber noch ein paar Bücher, darunter das erste "Das Gespensterschloß", mein liebstes, weil es die Anfänge des Detektivbüros erklärt.


Kommen wir nun zurück zur "Geißel".
Deutschland hatte nämlich nicht nur seit 1968 die Bücher. 1979 begann das Label EUROPA mit einer Hörspielreihe, die auf den Büchern basierte. Mein kleiner Bruder liebte sie. Deutschland liebte sie. Tatsächlich liebte Deutschland sie so sehr, daß die Beliebtheit der Hörspiele die der Bücher überholt hat - außer in einem Zeitraum, als es, ihr vermutet es wohl schon, legale Streitigkeiten gab.
Es gab Live-Auftritte vor Tausenden von Leuten mit denselben Sprechern, die auch jetzt noch die Hörspiele sprechen, nach mehr als 40 Jahren!
Die Hörspiele werden als Kassetten (!), CDs, MP3 veröffentlich, sie können auch gestreamt werden, aber nichts fühlt sich so an wie die alten Schallplatten, die mein kleiner Bruder gespielt hat, bis sie beinahe auseinandergefallen sind.
Außerdem gibt es jetzt noch soviel mehr, Ableger wie
"Die drei ???" Kids für ein jüngeres Publikum oder "Die drei !!!" mit Detektivinnen, Dinge wie Experimentboxen für Fingerabdrücke usw., Graphic Novels, Computerspiele, Hörbücher mit dem vollständigen Text, Filme, sogar ein paar Bücher, die für die, die üben wollen, ins Englische übersetzt wurden.
Ich habe selber mit den "Klassikern" aufgehört und hatte auch schon eine Weile gar keine mehr gelesen. Nur dank Liz, die auf ihrem englischen Blog ein paar Rezensionen von älteren Büchern hat
, dachte ich mir, ich könnte mal wieder zu etwas Altem greifen, und so fand ich dann zum ersten Mal das über die Unterschiede zwischen den amerikanischen und deutschen Versionen heraus.

Fangen wir mit den Namen an.
Ich weiß nicht, was in diesem Fall der Grund war, aber es ist ja nicht ungewöhnlich für Charaktere in Büchern, Filmen oder Comics, daß sie in verschiedenen Ländern auch verschiedene Namen haben. Dasselbe gilt für
"Die drei ???", nicht nur in Deutschland, sondern auch anderen Ländern, wo die Reihe herausgegeben wurde.
Hier wurde aus
Jupiter "Jupe" Jones also Justus "Just" Jonas, Peter "Pete" Crenshaw war Peter Shaw, und Bob Andrews durfte seinen Namen behalten.
Der Chauffeur Worthington, der die Jungs im Rolls-Royce herumkutschiert (vorübergehend nach einem Wettbewerbsgewinn, dann dauerhaft dank eines dankbaren Klienten), wenn sie nicht ihre Fahrräder nehmen können, heißt im Deutschen Morton.
Die Nemesis der Jungen E. Skinner "Skinny" Norris ist bei uns einfach nur Skinny Norris.
Seltsam ist, daß die irischen Helfer Kenneth und Patrick in den deutschen Büchern zu Hans und Konrad aus Bayern geworden sind, wie es scheint, Namen, die ich auch auf einer amerikanischen Fanseite gefunden habe, in meiner alten Ausgabe steht allerdings immer noch Kenneth und Patrick.

Nicht nur Namen haben sich geändert, die deutsche Übersetzerin hat auch andere Dinge verändert, wie zum Beispiel das Einfügen kleiner Anmerkungen "von Alfred Hitchcock", die es in den amerikanischen Büchern nicht gibt, hier und da läßt sie etwas aus oder übersetzt es recht frei - ich habe das am ersten Buch auf Deutsch und Englisch überprüft und aus irgendeinem Grund wird im deutschen Buch nie erwähnt, wenn jemand aus England kommt, zum Beispiel Worthington/Morton (obwohl er erwähnt, daß er mal in einem englischen Schloß gearbeitet hat). Das ist nur ein Beispiel.
Außerdem ist Bobs Fragezeichen in Deutschland die Farbe rot, nicht blau wie in den USA zugeteilt, und das Fragezeichen ist auch noch an der falschen Stelle.

Ebenfalls anders sind die Umschläge.
Auf einer Fanseite heißt es, sie fänden, das Weglassen der Illustrationen in den Büchern sei ein Grund dafür gewesen, daß die Leute das Interesse verloren. In Deutschland hatten wir gar nie Illustrationen im Text, außer Hitchcocks Gesicht bei den Anmerkungen, die ich oben erwähnt habe, also bin ich mir nicht so sicher, ob ich da zustimmen möchte. Ich denke, die Geschichten sind einfach wie so oft in lang laufenden Reihen nicht besser geworden.
Außerdem sind die deutschen Umschläge völlig anders. In jedem Land, in dem
"Die drei ???" veröffentlicht wurden, waren die drei Jungen auf dem Umschlag. Hier nicht.
Die beiden ersten Umschlagbilder wurden von Jochen Bartsch entworfen und die Bücher waren nicht sehr erfolgreich. Daraufhin reichte die Graphikerin Aiga Rasch ein eigenes Design ein und sagte, sie würde auf ein Honorar verzichten, falls das Layout nicht ankäme. Es kam an.
Vor ihrem Tod entwarf Rasch 88 Cover für die regulären Bücher und außerdem Cover für Sonderbände. Schwarze Umschläge für Jugendbücher waren an sich schon ungewöhnlich, aber der größte Unterschied ist, daß die oft stilisierten Bilder die Jungen überhaupt nicht zeigten. Rasch wollte, daß alle ihre eigene Vorstellung unserer Hauptakteure entwickelten. Stattdessen geben die Umschläge Hinweise auf die Handlung, ohne sie zu verraten.
Raschs Cover sind großartig und ikonisch, und ich bin mir sicher, daß ich nicht die einzige bin, die sich
"Die drei ???" nicht ohne ihren Stil vorstellen kann, warum ich auch keine anderen Ausgaben haben wollen würde. Bei so etwas kann ich stur sein.
Auf jeden Fall hat der Verlag versucht, ihrem Stil treu zu bleiben.

Während die Fanbasis in Deutschland immer stark war, scheint es, daß das Interesse in den USA in den 200ern wieder angefangen hat zu wachsen.
Tatsächlich hat
Robert Arthurs Tochter Elizabeth 26 neue Bücher angekündigt, die sie zusammen mit ihrem Mann geschrieben hat und von denen die ersten bald erscheinen sollen!

Es gäbe noch soviel mehr zu erzählen, aber die Fanseiten haben das schon viel besser erledigt, da bin ich mir sicher.

Ich denke, ich werde mich an die Klassiker halten und ab und zu einen davon lesen. Vielleicht besorge ich mir sogar eins von den Hörspielen und durchlebe alte Zeiten. Ich bezweifle aber, daß das Gefühl dasselbe sein wird, wenn mein kleiner Bruder nicht dabei ist
😉

Quellen:
1. www.3fragezeichen.de - Die Seite für Fans von Fans
2. Dreifragezeichen-Fan
3. Aiga Rasch
4. Die drei ??? auf Wikipedia
5. The Three Investigators ??? U.S. Editions Collector site (englisch)
6. The Salvage Yard - Elizabeth Arthur's Substack (englisch)

Samstag, 22. März 2025

Einfach nur so Samstag - Was steckt in einem Namen?

Ich war eins von "diesen" Kindern ... die Kinder, die ihren Namen nie auf einer Tasse, einem Schlüsselanhänger oder einem Aufkleber fanden.
Die Geschichte meines Namens - Catrin - geht so. Die Namen meiner Schwestern beginnen mit A und B, was Zufall war, aber als das dritte Mädchen ankam, hörte sich ein Name mit C praktisch nach einer Verpflichtung an. Meine Mutter sagte, daß sie aber keinen der üblichen Namen mit C wollte, die zu dieser Zeit beliebt waren.
Eine naheliegende Annahme wäre, daß sie von Caterina Valente beeinflußt war, die ein ganz schöner Star in Deutschland war und manchmal auch Catrin oder Kathrin genannt wurde, wobei die zweite Form, zusammen mit Katrin, die gewöhnliche Schreibweise war, aber sie sagte, das sei sie nicht gewesen. Vielleicht war es ja unterbewußt.

Jedenfalls mochte ich meinen Namen immer. Von all den Catrins, die ich im Laufe der Jahre kennenlernte, war ich die älteste und es fühlte sich immer etwas besonders an, obwohl das natürlich nicht heißt, daß ich die erste war.
Ja gut, dann mußte ich die Leute halt dauernd korrigieren und meinen Namen ständig buchstabieren (kein Problem, mein Nachname läßt sich auch unterschiedlich schreiben, also mußte ich das eh tun). Es war mir echt egal.

Alle Formen des Namens mit C oder K, mit h oder ohne, kommen von Katharina, was "Die Reine" bedeuten soll, vom altgriechischen "katharos" = "rein". Nun habe ich Seiten gesehen, auf denen es heißt, die Römer hätten das fehlinterpretiert, daß der Name von diesem Wort herstammt. Mir ist es so oder so egal.
Es war witzig, Kommentare von Frauen oder Mädchen zu lesen, mit allen Varianten des Namens, von denen ein paar ältere sagten, " er hätte sich wie ein Sammelbegriff für Mädchen angehört, weil es so viele gab" - nichts, daß ich selber so erlebt hätte - und andere, daß er zu hart klinge oder daß ihn Leute falsch als Katren ausgesprochen hätten - auch diese Erfahrung habe ich selber nicht gemacht. Manche sind sehr glücklich damit, andere mögen ihn nicht.

Eine amerikanische Seite informiert mich, daß Catrin mit C häufig in Deutschland und Wales vergeben wird und eine Verbindung zur alten Göttin Hekate hat (die einzige Seite übrigens, die das behauptet), während mir deutsche Seiten erklären, daß das C in Deutschland selten ist und der Name an sich viel in den 60ern und 70ern viel populäre als heute war.

Aber wartet mal, Wales? Tatsächlich wußte ich das und habe es durch eine Katalogfortbildung bei der Arbeit vor vielen Jahren herausgefunden. Meine Kurspartnerin, mit der ich den Computer teilte, gab den Namen im Scherz ein und wir waren beide sehr überrascht, das englische Buch "Catrin in Wales" zu finden.
Als das Kind, das seinen Namen nie irgendwo sah, außer es handelte sich um ein extra angefertigtes Teil wie der gravierte Füller, den mein Vater mir zum Schulanfang schenkte, oder das Glas, das meine Freundin gravieren ließ, als sie Zwiesel und seine Glasmacher besuchte, war es echt seltsam, meinen Namen so gedruckt zu sehen, also kaufte ich mir das Buch dann irgendwann. Es gibt übrigens ein Happy End.


Ja, Catrin ist ein Name, der 2010 in Wales sogar in den Top 100 war, und wißt ihr was, Ancestry sagt mir, daß das aus der walisischen Sprache kommt und "rein" bedeutet. Was ist auf einmal aus den Griechen geworden? Außerdem steht auf den meisten Seiten, es sei ursprünglich ein deutscher Name gewesen. Im Fall von Ancestry könnte es allerdings auch damit zu tun haben, daß "einige Inhalte ... von einem KI-Modell generiert werden ...".
Wollt ihr noch was wissen? Catrin gibt es auch in Schweden seit den 60ern, obwohl sie es anscheinend anders aussprechen.

Nun, als ich das erste Mal mit Amerikanern in Kontakt kam - ganz wörtlich, der Deutsch-Amerikanische Freundschaftsclub in der Stadt hieß Kontakt - wurde ich schnell zu einer Cat, einem Spitznamen, der für mich bis heute offensichtlich in Ordnung ist
😉
Deutsche nennen mich jedoch gewöhnlich nicht so und geben mir auch keinen Spitznamen (meine Familie tut es ab und zu).
Es gab ein paar in alter Zeit, lang lang her, aber sogar die wurden eher selten benutzt.
Mein Vater nannte mich Caeterle, die schwäbische Verkleinerungsform, ein paar sehr Mutige nannten mich Catrinchen, gewöhnlich um mich zu ärgern. Nur zwei nannte mich jemals Catinka und ich vergab ihn, weil ich sie mochte, aber ich war doch froh, daß es niemand sonst tat, weil ich nicht finde, daß es zu mir paßt.

Wie ist es mit euch?
Habt ihr eine Geschichte darüber, wie ihr euren Namen bekommen habt, wie ihr ihn mögt, schreibt, woher er kommt? Ich würde mich freuen, von euch zu hören!

Freitag, 21. März 2025

Pack die Vorräte an - Tränen des Juwelendrachen

Manchmal bin ich selber überrascht, wenn ich das Alter von Dingen in meinen Vorräten nachschlage.
Ich erinnere mich noch sehr lebhaft daran, wie ich zwei große Drachenaugen bestellte, weil es so schwierig war, mich für eine Größe und Farbe zu entscheiden. Damals hatte ich dem Perlenfädeln oder -sticken nicht mal das leiseste Interesse geschenkt und wußte nicht so recht, was ich damit tun sollte, vor allem auch weil sie so groß waren, aber sie sahen so hübsch aus, daß ich nicht widerstehen konnte.
Eins davon landete in einer Kette für mich, der ersten meiner wenigen "Split Loom"-Ketten, noch ziemlich früh auf meiner Perlenwebreise. Ich würde das so jetzt nicht mehr machen, aber bis jetzt hat die Kette meine regelmäßigen "Sitzungen der Zerstörung" überlebt, stattdessen hängt sie jetzt als Erinnerung an mein erstes SLN-Experiment, das ich wohl nicht wiederholen könnte, an meiner Wand.
Was mich aber wirklich überraschte, als ich in meiner Kaufhistorie nachschaute, war, daß ich die Augen am 2. Juni 2013 gekauft hatte - übrigens ist der Shop noch aktiv, der Preis ist nicht mal so sehr gestiegen, das Porto aber schon, nicht überraschend - und die fertige Kette am 28. Juni auf meinem Blog zeigte. Das war recht schnell, wenn man die Zeit bedenkt, die die Augen noch im Versand zwischen den USA und Deutschland verbracht haben.



Wie ihr seht, war ich mit dem zweiten Auge nicht ganz so schnell, es mußte mehr als 11 1/" Jahre in meiner Vorratsschublade verbringen!

Für einen Crafternoon - ein virtuelles Treffen mit ein paar Bloggerfreundinnen zum Quatschen und Basteln - brauchte ich ein Projekt und wählte spontan das Drachenauge für eine Perlenstickerei aus.
Um sicherzugehen, fädle ich gewöhnlich eine Fassung für meine Cabochons, der Anfang war also leicht.
Natürlich war ich nicht die einzige, die sich an Saurons Auge erinnert fühlte. Das Gelb fehlte, aber das war sowieso nicht die Richtung, die ich verfolgen wollte. Nur welche Richtung es stattdessen sein sollte, wußte ich absolut nicht.

Zum nächsten Treffen zwei Wochen später holte ich es wieder heraus, die Fassung war inzwischen fertig.
Um auf eine Idee zu kommen, halte ich einen Cabochon ab und zu einfach gern hoch und starre ihn an, manchmal geht das ein paar Tage lang so, dann krame ich in meinem Vorratsschubladen, um zu sehen, ob mich irgendetwas anschreit - Texturen, Formen, als erstes aber vor allem Farben.
Diesmal stieß ich auf meine geliebten Hexagonperlen und mein erster Gedanke war "Juwelendrachen". Hexperlen in einem dunklen Rot, einem Rot und einem Gold mit Silbereinzug, und Schwarz mit AB für Tiefe und Kontrast. Rocailles in ähnlichen Farben für extra Struktur.
Das würde so funkeln und glänzen, ganz und gar nicht wie Sauron.

Nachdem ich die Hälfte der Fläche mit Perlen bedeckt hatte, verlangte das Stück nach freier Form. Ich habe keine Ahnung, warum Perlensticken die Technik ist, bei der ich eine freie Form am liebsten mag. Vielleicht kommt es darauf an, wie ich die Perlen aufsticke. Wenn ich sie einfach in alle Richtungen fließen lasse, ohne daß ich zuerst über ein Muster nachdenke, scheint das die strengen Grenzen der Eigenform des Cabochons aufzubrechen und es fühlt sich falsch an, diesen Fluß dann einzuschränken, indem man ihn in die gleiche Form wie die des Cabochons zwängt. Keine Regeln, nur Vibes. Macht das Sinn oder ist das nur in meinem Kopf?
In dem Fall nähe ich nicht die Perlen auf, beschneide dann die Ränder der Stickunterlage, füge die Rückseite hinzu und schneide um deren Rand herum.
Stattdessen fange ich mit dem Sticken an, schneide dann irgendwann den Untergrund in eine Form, die mich anspricht, und sticke dann weiter. Manchmal schneide ich sogar noch während des Prozesses weiter, wenn es sich richtig anfühlt. Keine Regeln, nur Vibes.

Ich brauchte ein paar Tage, um alle Perlen aufzunähen, auch weil ich mich nicht zurückhalten konnte, das Stück ständig ins Licht zu halten, um das Funkeln zu bewundern, das sogar noch schöner war, als ich es mir vorgestellt hatte.
Für Anhänger, die so groß sind, bevorzuge ich normal eine gefädelte Schlauchkette, aber nachdem ich ein paar Sachen ausprobiert hatte, schienen mir Bänder in diesem Fall besser zu passen.

Die Kette war fertig, oder? Ah, aber die, die mich schon eine Weile kennen, wissen, daß es für mich sehr schwierig ist, etwas Baumelndem oder Fransen zu wiederstehen, und eine Idee schlich sich in meinen Kopf.

Nun ist die einzige Frage, warum der Juwelendrache weint ...


Donnerstag, 20. März 2025

Stummfilme - Die verlorene Welt

In meiner Kindheit waren wir genauso verrückt nach Dinosauriern wie es Kinder heute sind. Wir hatten aber keine Dinosaurier-Spielzeuge, die sich in Gefährte verwandelten oder von einem Dino zum anderen. Wir hatten Bilder in Enzyklopädien und mußten 30 Kilometer bergauf durch hüfthofen Schnee zur Schule laufen ... sorry, falsche Platte 🙃
Im Ernst aber, ich erinnere mich hauptsächlich daran, in Büchereibüchern Dinosaurier angeschaut oder über sie gelesen zu haben, und eins davon war ein Roman von Sir Arthur Conan Doyle.
Wußtet ihr, daß Doyle viel mehr als nur Sherlock-Holmes-Geschichten geschrieben hat, in allen Arten von Genres? Essays, Geschichten, Gedichte aus Genres von Geschichte über Science-Fiction zu Abenteuer, Fantasy und natürlich Krimis. Außerdem zeichnete und malte er.
Ich habe die Sherlock-Holmes-Geschichte als Kind mehr als einmal aus der Bücherei ausgeliehen (und sie schließlich auf Deutsch und Englisch gekauft), und so griff ich mir eben auch das andere Buch, das da noch stand - Die verlorene Welt, das erste aus der
Professor Challenger-Serie von 1912, deutsche Erstausgabe 1926.

Wallace Beery als Professor Challenger
Von Unbekannt - J. Willis Sayre
Collection of Theatrical Photographs,
Public Domain


Ich liebte dieses Buch so und kann gar nicht sagen, wie oft ich es gelesen habe.
Obwohl ich es genoß, das Buch für diesen Post noch einmal zu lesen, ist das Thema heute nicht das Buch, sondern der Stummfilm von 1925.
Sprechen wir erstmal über die unterschiedlichen Versionen.
Frühe Filme haben oft das Problem, daß die Kopien voneinander abweichen, weil Teile des Films herausgeschnitten wurden oder verlorengingen, was es schwierig machen kann, sie originalgetreu zu restaurieren. Dasselbe geschah mit "Die verlorene Welt", die lange nur in einer 60 Minuten-Version gesehen werden konnte.
Zur Zeit gibt es unterschiedliche Fassungen von Eastman House, von der gesagt wird, daß sie einen besseren Fluß hat, von David Shephard, die alles aneinanderreiht, was auffindbar war, was manchmal zu Lasten des Flusses geht.
Es gibt auch hier eine synchronisierte deutsche Version, die ignorieren wir jetzt mal, weil ich sie nicht selber sehen konnte, was ich aber auch gar nicht gewollt hätte.
Ich habe die 104-Minuten-Version angeschaut, die auch auf Blu-Ray verfügbar ist (das ist die von Lobster Films/Flicker Alley restaurierte Fassung) und ich denke, das ist auch die, die ich schon mal auf ARTE gesehen habe.
Die 92-Minuten-Version könnt ihr auf YouTube finden.

Die Handlung des Films - wenn interessiert die Handlung? Es gibt Dinosaurier, ist das nicht das einzige, was zählt? Nein? Okay dann, wenn ihr darauf besteht.
Ed Malone, Reporter beim "London Record-Journal", möchte heiraten, aber Gladys, seine Auserwählte, will nur einen Mann heiraten, der der Gefahr ins Auge geblickt hat.
Eds Chance kommt, als er an einem Vortrag der Zoological Society teilnimmt, wo Professor Summerlee den exzentrischen Professor Challenger wegen seiner "Lügen" über eine verlorene Welt zur Rede stellt, in der uralte Bestien überlebt haben sollen. Challenger fordert das Publikum auf, an einer Expedition zu dieser verlorenen Welt teilzunehmen. Drei Männer erklären sich bereit mitzukommen - Summerlee, Malone und Sir John Roxton, ein Jäger und Sportler.

Bei einem Treffen in Challengers Haus wird Malone Paula White vorgestellt, Tochter und Assistentin von Maple White (!), der die verlorene Welt gefunden hat, ein Plateau in Brasilien, aber dort zurückgelassen wurde, als seine Helfer Angst bekamen und seine kranke Tochter mit sich in die Zivilisation zurücknahmen. Die Expedition soll nicht nur Challengers Aussagen beweisen, sondern auch einen Suchtrupp für White darstellen.
Die Gruppe reist nach Brasilien, dabei sind auch Challengers Butler Austin, ein schwarzer Helfer namens Zambo (Warnung: Blackface, was wohl zu erwarten war, aber zumindest ist es ein positiver Charakter und wichtig für ... davon hört ihr später), und ein Affe mit dem Namen Jocko, und erreichen den Fuß des Plateaus, das sie auf dieselbe Weise wie White erreichen wollen, indem sie nämlich einen Baum auf der Zinne daneben fällen, um ihn als Brücke zu benutzen.

Als sie einmal auf dem Plateau sind, werden sie von all den prähistorischen Tieren fasziniert, Brontosaurus, Allosaurus, Triceratops, Pterodactylus und mehr. Sie erleben ihre Leben, Kämpfe und Tode mit.


Sie stellen außerdem fest, daß sie von einem Affenmenschen beobachtet werden, von dem sie glauben, er könnte das "fehlende Bindeglied" sein, und der schon zuvor versucht hat, sie mit einem Felsbrocken zu töten. Aus irgendeinem Grund ist er immer in Gesellschaft eines Schimpansen.


Leider stößt ein Brontosaurus beim Fressen die Baumbrücke hinunter, sodaß die Abenteurer auf dem Plateau gefangen sind und sich darauf vorzubereiten, sich dort einzurichten.

Während all das passiert sieht Paula übrigens sehr oft so aus. Für eine Frau, die ihrem Vater als Assistentin in den Dschungel gefolgt ist und sich dem Suchtrupp angeschlossen hat, haben sie sie als ziemliche Dramaqueen dargestellt, was ich recht unfair finde, wenn auch nicht ungewöhnlich für die Zeit. Zumindest sind ihre Expeditionskollegen nicht herablassend ihr gegenüber.  Ich werde euch aber später noch etwas über sie erzählen.


Ed und Paula entdecken ihre Liebe füreinander und wollen Summerlee, der früher mal Pastor war, darum bitten, sie zu verheiraten (auch in der Wildnis muß man anständig bleiben, wißt ihr).
Während er auf Entdeckung geht, findet Roxton die Überreste von Paulas Vater und bringt ihr dessen Uhr. Als er von der geplanten Heirat hört, versteckt er seine eigene Liebe für Paula.

Dann bricht der Vulkan auf dem Plateau aus und all die Tiere und Menschen versuchen, vor dem Feuer und der Lava zu entkommen.
Inzwischen haben Austin und Zambo aber einen Plan geschmiedet, wie sie die anderen vom Plateau herunterkriegen. Sie haben eine Strickleiter angefertigt und lassen Paula nach Jocko rufen, damit er hinaufklettern und ihnen das Seil bringen kann, mit dem sie die Leiter heraufziehen. Ich finde ja, er ist der Held des Films.



Ed ist als letzter am Absteigen, aber der Affenmensch fängt an, die Leiter wieder heraufzuziehen. Nur ein Schuß von Roxton kann Ed retten.
Nun da sie wieder in ihrer Welt zurück sind, sagt Paula die Hochzeit wegen des Versprechens ab, das Ed Gladys gegeben hat.

Während eines der Dinosaurierkämpfe ist ein Brontosaurus vom Plateau in den Flußschlamm gefallen. Er steckt fest, ist aber am Leben, und mit der Hilfe einer geodätischen Vermessungstruppe, die am Plateau aufgetaucht ist, nachdem sie den Ausbruch gesehen haben, schaffen sie, ihn auf ein Schiff zu bringen und damit heim nach London.
Während des Entladens geht etwas schief, der Brontosaurus entkommt und streift durch die Straßen Londons, bis er zur Tower Bridge kommt, die unter seinem Gewicht zusammenbricht (bin ich übrigens die einzige, die sich fragt, was sie ihm auf dem Schiff wohl als Futter gegeben haben?).



Ed spricht Gladys an, die ihn informiert, daß sie nicht auf ihn gewartet, sondern einen Ladenangestellten geheiratet hat, was bedeutet, daß der Weg für seine und Paulas Liebe frei ist. Roxton gratuliert ihnen und nimmt den Verlust als der Sportsmann hin, der er nun einmal ist.
Challenger allerdings bricht zusammen, als er seinen Brontosaurus in den Ozean hinausschwimmen sieht.

Ich glaube, es ist einfach, darin übereinzustimmen, daß die Dinosaurier die echten Stars des Films sind (obwohl ich sagen muß, daß sowohl die Dinosaurier und die Menschen eine gute schauspielerische Leistung abgeliefert haben).
Ohne sie wären es nur ein paar harte Männer gewesen, die sich aufmachen, harte Dinge zu tun, sich einen Weg durch den Dschungel hacken, die Welt beeindrucken (da hängt definitiv Kolonialismus in der Luft, auch im Verhalten gegenüber dem "minderwertigen" Affenmenschen, der eigentlich nur sein Territorium verteidigt) - und Frauen (das ist für dich, Ed, war das nicht eine etwas überstürzte Entscheidung?).
Wie eindrucksvoll wären sie aber ohne die Dinosaurier noch gewesen? Nicht mehr als die Geodäten, die ja offensichtlich auch kein Problem damit hatten, das Plateau zu finden.

Ed hatte Glück, Paula statt Gladys zu haben, die nicht mal ein Jahr warten konnte, um einen sehr un-abenteuerlichen Mann zu heiraten (ich weiß, daß das kein Wort ist), aber wißt ihr ... Spoileralarm, hier kommt ein schneller Blick auf die Unterschiede im Buch, also lest jetzt nicht weiter, wenn ihr das Buch lesen wollt!

Maple White starb nicht auf dem Plateau, sondern in einem Dorf der Einheimischen, wo Challenger ihn und sein Tagebuch fand. Später finden sie die Überreste eines Kumpans von White. Dafür gibt es aber keine Paula. Ich schätze, sie haben sie eingeführt, weil Filme zu der Zeit eine Liebesgeschichte mit Happy End brauchten.

Auf dem Plateau lebt nicht ein Affenmensch, sondern zwei Stämme - die großen Affenmenschen und ein indigener Stamm kleinerer Menschen, die die anderen wegen ihrer Grausamkeit fürchten. Die Entdecker retten ein paar der Menschen vor ihren Feinden, darunter den Sohn des Häuptlings, der ihnen dann später hilft, dem Plateau über einen Höhlentunnel zu entkommen.

Challenger bringt keinen Brontosaurus heim, sondern läßt sich von Roxton einen jungen Pterodactylus fangen, der dann entkommt und durch London fliegt.

Ed kommt tatsächlich zu einer verheirateten Gladys nach Haus, ihr Mann ist ein Rechtsanwaltsgehilfe.

Roxton eröffnet seinen Freunden, daß er in der verlorenen Welt Diamanten gefunden hat und sie natürlich mit ihnen teilen wird. Challenger will sich ein Privatmuseum bauen, Summerlee in Ruhestand von der Lehre gehen und Kreidefossilien klassifizieren.
Roxton nimmt an, daß Ed heiraten wird, aber als er ankündigt, selber eine Expedition zusammenstellen zu wollen, um zur verlorenen Welt zurückzukehren, sagt Ed, dem das Herz gebrochen wurde, daß er ihn begleiten wird.

Es ist eine Schade, aber Zambo wird nicht mehr erwähnt, nachdem die Gruppe nach England zurückgekehrt ist, eine Schande, weil er derjenige war, der am Fuße des Plateaus ausgehalten hat, nachdem die restliche Crew (kein Austin übrigens) geflüchtet ist, und der die Zinne mehr als einmal als Kontakt zur Außenwelt bestiegen hat. Ich fand, er war ein wichtiger Teil der Expedition.

Im Buch gibt es auf jeden Fall mehr Action als im Film, aber das ist schon okay, denn, ähm, habe ich schon erwähnt, daß wir im Film coole Dinosaurier haben?
Dafür haben wir Willis "Obie" O'Brien zu danken, dessen Boss die Filmrechte zu Doyles Werk hielt. Obie war ein Pionier in Spezialeffekten und des Stop-Motion-Trickfilms (sein Schützling war übrigens Ray Harryhausen) und "Die verlorene Welt" war nach mehreren Kurzfilmen sein erster Langfilm.
Während seine ersten Modelle noch aus Ton gemacht waren, waren diese Dinosaurier mit einer Gummihaut über Metalarmaturen hergestellt und hatten eine Blase im Inneren, durch die man Atembewegungen simulieren konnte - einer meiner Lieblingseffekte.

In den Quellen (leider habe ich wieder kaum etwas Ausführliches auf Deutsch gefunden) habe ich nur ein paar der Blogposts und Artikel aufgeführt, die ich gelesen habe, damit ihr Extrabilder aus dem Film sehen könnt, falls ihr vielleicht noch einen kleinen Anstoß braucht, um ihn anzuschauen. Es gibt zum Beispiel noch mehr Informationen über die Fassungen oder die neue Musik von 2016 (die ich in der Lautstärke herunterdrehen mußte, weil ich sie etwas
Nochmal, wenn ihr den Film anschaut, denkt daran, daß das 100 Jahre her ist.

So beginnen der Roman (in der englischen Fassung, nicht der deutschen Übersetzung) und der Film und ich finde, das sagt schon alles.
"Ich habe meinen einfachen Plan verwirklicht
   Wenn ich eine Stunde Freude schenke
Dem Jungen, der ein halber Mann ist,
   Oder dem Mann, der ein halber Junge ist."
Doyle schrieb gern Abenteuerromane und der Film ist ein Abenteuer. Für Jungs.
Und dennoch hatte ich ebenfalls Spaß damit. Dinosaurier!


Quellen (3. bis 7. englischsprachig):
1. Michael Haul: Die verlorene Welt - The Lost World (1925). Auf "Astron Alpha", 29. Dezember 2017
2. Arthur Conan Doyle: Die verlorene Welt. 1926. Auf "Project Gutenberg" (Original von 1912)
3. Sir Arthur Conan Doyle's "The Lost World" - eine Seite mit viel Information über den Roman und die Filme und Serien und Merchandise und mehr
4. Lea Stans: Thoughts On: "The Lost World" (1925). Auf "Silent-ology", 9. September 2019
5. Kristin Hunt: The 1925 Movie That Paved the Way for King Kong. Auf "JSTOR Daily", 10. Oktober 2019
6. Kristin Thompson und David Bordwell: THE LOST WORLD refound, piece by piece. Auf "David Bordwell's website on cinema. Observations on film art", 2. Oktober 2017
7. Leonard Maltin: Before King Kong: A lost world found. Auf "Leonard Maltin", 1. Oktober 2017

Montag, 17. März 2025

Nostalgie - Kassetten

Vor einigen Jahren, als ich noch die "Fundstücke der Woche"-Posts machte, hatte ich ein paar, "Ich bin eine Sammlerin" genannt, in denen ich Vintagestücke zeigte.
Im Laufe der Zeit sind meine Sammlungen ... nein, wartet.
Ich spreche heute nicht über eine Sammlung, es ist einfach etwas, das ich noch habe.

Ich bin in den 60ern geboren
. Ich wuchs mit Vinyl-Schallplatten auf, der Singlesammlung meines Vaters - wir hatten sogar eine einsame 78er-Platte, was bis in die 40er Standard war, ich erinnere mich aber nicht, ob sie aus Schellack war.
Kompaktkassetten - üblicherweise einfach Kassetten genannt - waren 1963 das erste Mal herausgekommen, nicht lang bevor
ich geboren wurde, und sie brauchten ein wenig, bevor sie in unserem Haushalt ankamen. Mein Bruder war der erste, der einen Kassettenrekorder mit Mikrofon hatte, ich schätze mal, das muß so ungefähr in den frühen 70ern gewesen sein.
Ich bekam meinen eigenen Rekorder Jahre später, als mir eine Schulfreundin ihren alten schenkte, zusammen mit einem Stapel selber aufgenommener Beatles-Kassetten. Ich werde nie vergessen, wie verrückt es meine Mutter machte, daß ich eine Stunde dafür brauchte, Geschirr abzutrocknen, weil ich hauptsächlich in der Küche herumtanzte und bei den Beatles mitsang.
Es gab auch vorbespielte Musikkassetten, hier auch MC genannt - aber davon hatte ich nie eine, weil ich Schallplatten vorzog.
Kassetten wurden außerdem äußerst beliebt für Kinderhörspiele, und obwohl die Kassette mehr oder von CDs und später MP3 verdrängt wurde, war sie doch nie ganz weg und hat in den letzten paar Jahren sogar ein kleines Comeback gemacht.
Man kann Rekorder kaufen, Leerkassetten, ja, und sogar Musikkassetten. Lang lebe Retro!
😜

Bei "alten" Leute wie mich können Kassetten natürlich eine Menge emotionaler Erinnerungen hervorrufen. Sie waren magisch, weil wir mit ihnen so vieles so einfach machen konnten. Man konnte sie einfach mitnehmen und Musik mit Freunden teilen. Man konnte Musik von einem Gerät auf ein anderes überspielen. Sie waren sogar für kleine Kinder einfach zu benutzen (was ein Nachteil sein konnte, wenn man eine Freundin besuchte, und dann so ein kleiner Zwerg hereinmarschierte, mit ihrem klobigen gelb/orangefarbenen Rekorder, und dich stolz dazu zwang, ihre neueste "Benjamin Blümchen"-Geschichte dreimal anzuhören, ja, das ist wirklich so passiert).

Ich wette, eine Menge Leute erinnern sich daran, wie man versuchte, die perfekte Aufname von der Radiohitparade zu bekommen, und wie man sich ärgerter, wenn der Moderator wieder mal in den Song reinquatschte, auf den man so verzweifelt gewartet hatte. Die Musikindustrie war allerdings nicht so glücklich über das Mitschneiden.
Dann gab es da noch die Mix-Kassetten, die Leute für die Freundin oder den Freund oder in meinem Fall Geschwister machten. Tatsächlich habe ich so eine noch.
Ich bin mir sicher, daß ich nicht die einzige war, die vor dem Fernseher saß und alle auf absolutes Schweigen eingeschworen hatte (haha, das funktionierte echt klasse), damit ich einen Film aufnehmen konnte. Wir hatten definitiv "Das zauberhafte Land" und "Moby Dick" auf Kassette.
Natürlich mußte man immer aufpassen, daß man nicht etwas überspielte, an das man vielleicht nicht so schnell wieder herankam. Oder daß ein anderer etwas darüber aufnahm. Unfälle dieser Art waren nicht ungewöhnlich.
Außerdem gab es noch den Fluch des bandfressenden Rekorders. Wenn man Glück hatte und das Band nicht zu verwickelt und zerknittert war, konnte man es mit Hilfe eines Bleistifts wieder aufwickeln, aber falls doch, waren die Chancen hoch, daß das Band erneut gefressen wurde. Ich hatte einmal eine Kassette, deren zerknittertes Ende ich komplett abschneiden mußte, und weil der kleine Plastikstift, der dieses Ende hielt, davongeflogen war, benutzte ich ein Stückchen eines Zahnstochers, um ihn zu ersetzen. Es war solch eine Erleichterung, als das klappte!

Das ist meine eigene Boombox - die niemals draußen war, weil das Teil höllenschwer ist! - und ein Teil meiner Kassetten. Ich habe ein paar davon ausprobiert und obwohl sie bis zu 40 Jahre alt sind, ein oder die andere sogar noch älter, haben sie immer noch funktioniert, auch wenn alles ein bißchen eingestaubt ist.
Wenn ihr genau hinschaut, könnt ihr sehen, daß der Abspielknopf gedrückt ist, ich habe gelauscht, während ich das Bild gemacht habe.


Es sind ein paar Kassetten dabei, an die ich mich gar nicht erinnern kann, zum Beispiel die mit der Aufschrift "Grusel!". Ich habe mal reingehört und genau das ist, gruselige Musik wie für einen Film. Ich habe selber nie eine Halloweenparty organisiert, keine Ahnung, wie dieses Band bei mir gelandet ist, und die Handschrift erkenne ich auch nicht.
Die auf der linken Seite weckte allerdings eine Erinnerung in mir. Sie ist mit "Beatles (AFN)" beschriftet, das war eine Dokumentation über die Beatles im AFN (Armed Forces Network)-Radio, wahrscheinlich in den frühen 80ern, nachdem John Lennon starb. Ich nahm nur die Lieder auf, weil die Kassette nicht lang genug für die ganze Dokumentation gewesen wäre. Ja, seltsam, ich weiß.

Habt ihr selber irgendwelche Kassettengeschichten zu erzählen?

Freitag, 14. März 2025

Pack die Vorräte an - Kristallpfeil

Für diejenigen, die es noch nicht wissen, ich bin (Halb-)Schwäbin. Wie alle Regionen sind uns unsere eigenen Klischees zugeteilt, eines davon ist, daß wir uns nicht gern von unserem Geld trennen.
Manchmal habe ich selber einen Anfall von Sparsamkeit, wenn es darum geht, kleine Reste aufzubrauchen. Hebt ihr Faden, Draht, Stoffstückchen usw. auf? Dann versteht ihr vielleicht, wovon ich spreche. Ich mache das aber nicht so wirklich organisiert. Manchmal hebe ich Faden in Längen auf, von denen ich weiß, daß ich sie anderweitig verwenden kann, weil dieser Faden in Deutschland nicht erhältlich ist und es stimmt, daß ich mich nicht gern von meinem Geld trennen, wenn es verrückte Portokosten betrifft ... und ja, Porto ist mehr als verrückt geworden.
Außerdem behalte ich auch Stickuntergrund und den Stoff für die Rückseite, wenn ich denke, daß ich damit noch etwas anfangen kann. Wenn es eine verrückte Form ist, kann das für mich sogar eine Herausforderung sein und viel Spaß machen, so wie der Anhänger "Mod Herz".


Es kann auch eine Herausforderung wenn es eine seltsame Form hat und außerdem ziemlich klein ist, was mich zum heutigen Vorratsfresser bringt. Er liegt schon eine Weile herum und es war höchste Zeit, ihn fertigzustellen.

Der Startpunkt für dieses Stück war die Form des Stickuntergrunds, die mich an einen Pfeil erinnerte.
Da er recht klein war, brauchte der Pfeil etwas, das ihn richtig auffällig machte, also schaute ich mir meine Vorräte an und fand ein Röhrchen, in dem ich verschiedene Perlen gesammelt hatte, darunter rote Kristalle, manche klein und opak, die anderen groß, transparent und sehr glitzrig.

Ich trage selber gewöhnlich nicht so oft Rot, obwohl mir die Farbe gefällt, aber Rot in Schmuck ist etwas Besonderes. Es springt nicht nur gerade zu von einem Outfit und kann daher einen tollen Akzent darstellen, ohne zu überwältigend zu sein, sondern es strahlt für mich auch immer diesen coolen gothic Vampirevibe aus, den ich liebe.
Schwarz und rot ist eine meiner liebsten Farbkombinationen und wäre Gundel nicht so streng bezogen auf das Tragen von Kostümen, würde ich ihr zu gern einen kleinen schwarzen Umhang mit rotem Satinfutter schenken
😼

Für die Größe dieses Stücks schien rot und schwarz jedoch zuviel zu sein, also wählte ich stattdessen eins meiner Lieblingsrots bei Rocailles. Es ist umwerfend, satt und dunkel mit einem wunderschönen Schimmer. Ich habe schwarzen Faden benutzt, damit es sogar noch dunkler wirkt.
Zuerst wollte ich daraus eine Halskette machen und vielleicht ein Herz oder so etwas ergänzen, aber dafür war der Pfeil zu breit. Ich beschloß, daß er für sich allein glänzen mußte und damit war die offensichtliche Wahl eine Brosche!
Könnt ihr es auch auf einem schwarzen Mantel, einer Jacke oder einem anderen Oberteil vorstellen?

Donnerstag, 13. März 2025

Stummfilme - Der Dieb von Bagdad

Wie in diesem Post angekündigt habe ich nun mein Stummfilm-Projekt gestartet, schneller als ich es sogar selber erwartet hatte.

Als meinen ersten Film habe ich "Der Dieb von Bagdad" mit Douglas Fairbanks sr in der Hauptrolle und unter der Regie von Raoul Walsh ausgesucht.
Als ich über den Film "Sindbad der Seefahrer" von 1947 mit dem Junior schrieb, der sehr als Hommage an seinen Vater angesehen wird, sagte ich, daß ich als nächstes die 1940er Version von "Der Dieb von Bagdad" anschauen würde (vielleicht für einen anderen Post) und möglicherweise auch den Stummfilm von 1924. Das war bevor ich beschloß, etwas gegen meine abnehmende Aufmerksamkeitsspanne zu tun und Stummfilme in diesen Prozeß mit einzuschließen. Also wurde aus dem "möglicherweise" ein "bestimmt", obwohl mein erster Versuch recht schwarch war. Es war ein sehr müder Tag und ich mußte die Mission nach 20 Minuten abbrechen, nachdem ich buchstäblich die Augen nicht mehr offenhalten konnte, um auch nur irgendetwas anderes zu tun als innerhalb von Sekunden einzuschlafen.


Public Domain über Wikimedia Commons
(Anton Grot)


Neuer Tag, neues Glück.
Es gibt verschiedene Versionen des Films auf YouTube, restauriert, unrestauriert, unterschiedliche Auflösungen, verschiedene Musik. Zuerst wählte ich willkürlich eine und bekam eine Art ätherische und sich wiederholende Musik, die beim Kampf gegen meine Augenlider vielleicht nicht so hilfreich war.
Beim zweiten Mal sah ich mich erstmal um und wählte dann diese hier mit der originalen Musik von Mortimer Wilson. Es gibt auch eine deutsche Version, die kürzer ist und außerdem deutsch synchronisiert. Kein Witz. Keine Ahnung, woher der Text kommt und ob das etwas Offizielles war, ich empfehle sie jedenfalls nicht. Selbst wenn die Zwischentitel im Original auf Englisch sind, ist der Film zu verstehen, also tut euch die Synchronisation nicht an.

2 1/2 Stunden und sehr zu meiner eigenen Überraschung hatte ich kein Problem damit, obwohl ich von vornherein sagen muß, daß der Film meiner Meinung nach nicht so lang sein müßte.
Ich mußte eine kleine Pause einlegen, weil die Katzen am Rande des Hungertods standen und das sehr dramatisch zu verstehen gaben. Sie wären in Stummfilmen großartig gewesen (sie sind selten gesprächig und da sie kurz davor standen, auf der Stelle tot umzufallen, waren ihre Stimmen völlig weg).
Direkt nach dem Film startete ein kurzes Video mit Leonard Maltin, einem bekannten und respektierten Filmkritiker. Er meinte: "'Der Dieb von Bagdad' ist einfach ein großartiger Film, wird aber manchmal mißverstanden, weil Douglas Fairbanks ihn so groß spielt. Seine Gesten sind so groß, daß ihn die Leute manchmal auslachen, und ich sage 'nein nein, lacht ihn nicht aus, lacht mit ihm, er macht das absichtlich, er macht es wie ein Ballett. ... Aber alles an diesem Film ist groß. Der andere Grund, warum er ihn so machen wollte, ist, daß er nicht von den Kulissen und den Spezialeffekten in den Schatten gestellt werden wollte. Er wollte, daß es immer noch ein Douglas Fairbanks-Film ist."
Das war auch mein Gedanke gewesen. Es war wie ein Ballett auf der Leinwand mit Fairbanks als dem Haupttänzer, der es sehr zu genießen schien.

Die Handlung zu "Der Dieb von Bagdad" mag euch stellenweise vertraut vorkommen.
Fairbanks ist Ahmed, ein Dieb in Bagdad (das habt ihr nicht erwartet, was?), zusammen mit einem Freund. Mit der Hilfe eines Zauberseils, das er auf dem Marktplatz gestohlen hat, dringt er in den Palast des Kalifs von Bagdad ein, um dort einen Schatz zu stehlen, aber als er die schlafende Tochter des Kalifen erblickt, verliebt er sich und verläßt den Palast nur mit ihrem Schuh als Souvenir.
Sein Freund ist von dem Schuh zunächst verwirrt, aber dann versteht er, was passiert ist.

Mein liebster Zwischentitel.
Ich frage mich, was die Leute denken werden,
wenn ich das in mein Repertoire aufnehme,
vielleicht für ein Arbeitsmeeting.
Nizzy noodle! Keine Ahnung, wie ich das
übersetzen soll.


Also erzählt er Ahmed die Geschichte einer Prinzessin, die aus einem Palast "gestohlen" wurde, nachdem man sie betäubt hat (nicht cool, Jungs).
Um Zutritt zum Palast zu bekommen, schließen sich Ahmed und sein Freund, in gestohlenen Sachen aufgeputzt - einer Gruppe von drei Prinzen an, dem Prinzen von Indien, dem Prinzen von Persien und dem Prinzen der Mongolen, der eigentlich Bagdad erobern will. Die Prinzessin soll sich unter ihnen einen Ehemann aussuchen. Natürlich ist es Liebe auf den ersten Blick, als er in die Stadt einreitet.
Er klettert zu ihrem Zimmer hinauf, stellt aber fest, daß er sie zu sehr liebt, um seinen Plan durchzuziehen und sie zu entführen. Bevor er und sein Freund jedoch den Palast verlassen können, werden die Prinzen zusammengerufen, um zu erfahren, daß die Prinzessin Ahmed erwählt hat.
Unglücklicherweise erkennt die mongolische Sklavin der Prinzessin in ihm den Dieb von der Nacht zuvor und verrät ihn an den Prinzen der Mongolen, auf dessen Seite sie verständlicherweise steht, gerade als Ahmed der Prinzessin alles gebeichtet hat. Ahmed wird ausgepeitscht und soll von einem Menschenaffen zerrissen werden, aber die Prinzessin besticht die Wachen, damit sie ihn freilassen.
Um die Hochzeit mit einem der drei Prinzen hinauszuzögern, läßt sie sie von ihrem Vater in die Ferne schicken, derjenige, der den seltensten Schatz zurückbringt, wird ihr Ehemann werden.
Auch Ahmed hört davon und macht sich auf den Weg. Mit Hilfe eines Einsiedlers während seiner gefährlichen Reise - Feuer, die Tiefsee und Monster - findet er ein geflügeltes Pferd, das ihn an einen Ort bringt, an dem ein Zauberkästchen unter einem Umhang der Unsichtbarkeit versteckt ist.
Der Prinz von Persien findet einen magischen Teppich, der Prinz von Indien einen magischen Kristall und der Prinz der Mongolen einen Zauberapfel, der heilen kann. Er hat dem Sklavenmädchen befohlen, die Prinzessin zu vergiften, damit er sie heilen und so ihre Hand und den Thron gewinnen kann. Um auf Nummer sicher zu gehen, hat er es geschafft, 20000 seiner Männer in der Stadt zu stationieren.
Als die Prinzen im Kristall sehen, daß die Prinzessin dem Tode nahe ist, nehmen sie den Zauberteppich, um nach Bagdad zu kommen, wo der Apfel sie gerade noch rechtzeitig heilt.
Gerade als der Mongolenprinz den Thron dank seiner Armee eingenommen hat und befiehlt, daß die Hochzeit sofort stattzufinden hat, erreicht Ahmed Bagdad und benutzt das Zauberkästchen, um eine sogar noch größere Armee zu erschaffen, die die Mongolen in die Flucht schlägt.
Bevor ihr Prinz aber, wie von der Sklavin vorgeschlagen, mit der Prinzessin auf dem fliegenden Teppich entkommen kann, rettet Ahmed, der dank des Umhangs unsichtbar ist, sie.
Am Ende fliegen sie zusammen auf dem Teppich davon.

Dies ist ein Märchen (was der Untertitel
"An Arabian Nights Fantasy" hätte andeuten können). Ich habe also eine Rezension nicht ganz verstanden, in der stand, daß die Zuschauerin vom Film nicht überzeugt war, weil sie keine Märchenperson ist. Ehrlich, ich denke, wenn ich das nicht wäre, hätte ich nicht mal versucht, den Film anzuschauen.
Dann kommt natürlich noch die Frage des Orientalismus auf, was bei einer Geschichte, die von "1001 Nacht" inspiriert und in diesen Zeit produziert worden ist, zu erwarten war.
Tatsächlich gab es
Proteste, als Fairbanks und seine Frau Mary Pickford auf einer Welttour 1929 Shanghai besuchten, und zwar wegen der Kontroverse um die Darstellung des Mongolenprinzen (nicht der einzige Film in dieser Zeit, der in China kontrovers gesehen wurde), was dann wiederum dazu führte, daß Fairbanks öffentliche Empfänge ablehnte.
Hier ist übrigens ein interessanter Artikel über eine Sammlung von "Filmpostern, die eine orientalistische Fantasie schaffen". Dieser Post führte mich von einem großen Kaninchenloch zum nächsten.

Ich weiß nicht, ob es daran liegt, daß es ein Märchen ist, aber für mich war es nicht so extrem wie zum Beispiel Aufstand in Sidi Hakim (woran mich schon der Titel ärgert) oder Im Empire geht die Sonne nie unter.
Der Bösewicht war Mongole, ja, und ich weiß nicht, warum sie für die Prinzen diese drei Länder ausgewählt hatten oder ob sie überhaupt groß darüber nachdachten, aber er war ein Eroberer, der Bagdad wollte, und weiße Eroberer im richtigen Leben haben uns gezeigt, daß sie viel Schlimmeres tun konnten, also habe ich ihn und alle Mongolen sicherlich nicht durch den Film für den Inbegriff der Schlechtigkeit gehalten.

Gehen wir mal zurück und sprechen über das "große Ballett".
Wie ich schon sagte, war Fairbanks der Haupttänzer und Akrobat und wenn man das ganze als Märchenballett sehen kann und über das expressive Overacting eines Stummfilms hinwegkommen kann - etwas, das ich selber erst lernen mußte - ist es wirklich unterhaltsam, seinen großen Gesten mit den Armen und seinem "Tanz" zuzuschauen.
Er mag ja mit seinen 41 zu alt für die Rolle gewesen sein, aber wenn man ihm nicht ins Gesicht schaut, hätte man das wirklich nicht gedacht, so wie er sich seinen Weg durch den Film springt und klettert und das im ersten Teil auch noch ohne Hemd (sein Aussehen gefiel mir wesentlich besser als übergroße Muskeln).


Könnt ihr euch vorstellen, wie es gewesen sein muß, damals so etwas anzuschauen? Es muß magisch gewesen sein, sogar für Fairbanks selber, dessen Lieblingsfilm es laut seinem Sohn war.
Es gibt Rezensenten, die den Film gealtert finden. Ich verstehe ja, daß Stummfilme nicht jedermanns Sache sind, aber wie kann man sie überhaupt mit neue/ren Filmen vergleichen?
Ein anderer läßt uns wissen, es sei offensichtlich, daß alle Monster unecht sind. Ernsthaft?! Ich bin ja so froh, daß er mir das gesagt hat!
Leute, dieser Film ist 100 Jahre alt. Natürlich ist er gealtert und hat offensichtlich unechte Monster (zeigt mir einen Film, der echte hat, doh) und trotzdem kann er noch eine Menge Leute verzaubern, mich eingeschlossen.
Es gab einige gute schauspielerischen Leistungen, zum Beispiel von Anna May Wong als Sklavin - besser als die Prinzessin, die überwiegend Ahmed anschmachten mußte - und Sôjin Kamiyama als der Mongolenprinz.
Hätten die Monsterkämpfe etwas länger und das Liebesgeflüster ein ganzes Stück kürzer? Ja. Hätten die Armeeszenen etwas kürzer sein dürfen? Ja. Auch wenn ich weiß, daß mir nicht jeder zustimmt, - Kaninchenloch - hat der Film mich dennoch nicht zum Einschlafen gebracht, nicht mal Ahmeds unvermeidlicher Wandel von Dieb zu gutem Menschen, wodurch er sich als der Prinzessin würdig erwies.
Ist es ein Film, den ich immer wieder anschauen möchte? Nein. Kann ich mir vorstellen, ihn überhaupt irgendwann nochmal anzuschauen? Absolut.

Kommen wir nun zum anderen großen Star.
Der Film mag bei den Kritikern gut angekommen sein, aber er war wegen der Kosten kein kommerzieller Erfolg.
Es war einer der größen und teuersten Filme, die bis dahin gemacht worden waren, und kostete die unglaubliche Summe von 1,135,654 Dollar und 65 Cent. Ich frage mich, wofür die 65 Cent waren
😉
Das ist wirklich nicht überraschend, wenn man sich die Kulissen anschaut. Sie sind riesig und man merkt gar nicht, daß sie nur zwei Jahre zuvor als Nottingham Castle in "Robin Hood" ihren Beginn hatten, bevor Produktionsdesigner William Cameron Menzies sie in Bagdad umwandelte, indem er sie massiv ausweitete.
Man muß sich das selber anschauen, um eine Vorstellung davon zu bekommen.
Ich habe mich bei der Frage ertappt, wie sie wohl den Stoff für die langen Vorhänge im Palast gemacht haben und wie man so etwas wäscht. Mir ist außerdem aufgefallen, daß ich von manchen Kostümen ganz fasziniert war (möglicherweise nicht die, an die ihr jetzt denkt).

Natürlich gibt es dann auch noch die Spezialeffekte - nicht nur die unechten Monster. Ich habe die Szene mit der Meeresspinne geliebt, den fliegenden Teppich, den kleinen "Wirbelwind", der den Tarnumhang andeutete, die Effekte waren so gut für die Zeit.  Ich wäre gern in einem damaligen Publikum gesessen, um die Reaktionen zu sehen.
Natürlich wißt ihr schon, daß ich altmodisch bin und solche Effekte manchmal den heutigen Supereffekten vorziehe, auch wenn manche ein wenig lächerlich wirken.

Ich habe fast vergessen, etwas zur Musik zu sagen. Wie erwähnt habe ich die Version mit der Originalmusik ausgesucht. Fairbanks hatte bei "The Mark of Zorro" schon mit Wilson gearbeitet und beauftragte ihn daher, die Filmmusik für "Der Dieb von Bagdad" zu schreiben und zwar mit der Anweisung "Ihre Musik so künstlerisch wie möglich zu machen".
In den 80ern wurde der Film mit einer Filmmusik von Carl Davis aufgeführt, die auf Kompositionen von Rimsky-Korsakov beruhte, und auch diese Version kann man auf YouTube finden, aber mir gefiel die Originalmusik sehr und ich mag die Vorstellung, daß das auch das war, was das ursprüngliche Publikum zu hören bekam.

Wahrscheinlich seid ihr jetzt müder davon, das zu lesen, als ich vom Anschauen des Films. So ja, falls ihr jemals bereit dazu seid, einen Stummfilm anzuschauen, warum versucht ihr dann nicht den hier?
In den Quellen habe ich noch ein paar Artikel und Rezensionen hierzu gesammelt, falls ihr noch nicht genug gelesen habt, ich habe eine Mischung aus positiven und nicht so positiven ausgesucht. Letztendlich müßt ihr sowieso selber entscheiden.

Ich hoffe auch, daß ihr jetzt keine Angst davor habt, mir zu meinem nächsten Stummfilmabenteuer zu folgen. Die Liste wächst so langsam ...


Quellen (englischsprachig):
1. Jeffrey Vance: The Thief of Bagdad. An essay on "San Francisco Silent Film Festival" 2013
2. Darragh O'Donoghue: The Thief of Bagdad. On "Senses of Cinema", issue 84, September 2017
3. Kirsten O'Regan: Aladdin to Thief of Baghdad: How film posters created an Orientalist fantasy. On "Middle East Eye", May 15, 2019
4. Reviews of "The Thief of Bagdad" on Letterboxd
5. Kage Baker: Ancient Rockets: The Thief of Bagdad. On "Reactor", August 10, 2009

6. Craig Lysy: The Thief of Bagdad - Mortimer Wilson. On "Movie Music UK", August 8, 2022

Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.