Comfy, Cozy Cinema ist eine Zusammenarbeit von Lisa von Boondock Ramblings und Erin from Still Life, With Cracker Crumbs.
Sie
haben eine Liste von Filmen zum Anschauen im September und Oktober. Ich
bin spät ins Spiel eingestiegen, und da ich kein Abo für
Streaming-Plattformen habe, hätte ich wahrscheinlich sowieso nicht alles
anschauen können - aber auch wenn sie für ihr eigenes Halloween "Zauberhafte Schwestern" ausgewählt haben, den ich nicht besitze, haben sie die Wahl für andere, die an diesem Tag mitmachen, offengelassen.
Meine persönliche Wahl für heute ist einer meiner absoluten Favoriten und - Überraschuuuung - sein "Geschwisterchen". Ich spreche von "Dracula" und "Drácula", beide von 1931.
Seid ihr verwirrt?
Illustrator
unbekannt; Verleih durch Universal Pictures. Scan über Heritage Auctions. Vom Originalbild beschnitten, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=86980777 |
Vor ein paar Jahren beschloß ich, meine DVD-Sammlung um ein paar Klassiker aus dem Horrorgenre zu erweitern, zum Beispiel "Nosferatu", "Phantom der Oper", "Der Wolfsmensch", "Frankenstein" und natürlich meinen geliebten "Dracula", den ich vorher im Fernsehen angeschaut hatte, wenn er kam, aber seltsamerweise noch nicht selber besaß.
Ich hatte schon die "Grabstein-Edition" gekauft, so benannt nach der grabsteinförmigen Box mit vier Filmen, darunter "Dracula", als mir noch eine andere Ausgabe auffiel mit - hä, zwei Filmen?
Vielleicht wißt ihr - ich wußte es nicht - daß Tonfilmen in den Anfängen nicht immer für den internationalen Markt synchronisiert wurden, sondern es stattdessen Versionenfilme oder Mehrsprachenversionen gab, oft am selben Set, mit derselben Crew und denselben Kostümen gefilmt, aber mit anderen Schauspielern, die die gewünschte Sprache fließend sprachen. Am üblichsten waren Versionen in Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch (seit nach dem Krieg hatte Deutschland eine große Synchronisationsindustrie, was für meine amerikanischen Freunde oft ungewöhnlich ist, wie ich feststellen mußte, aber das ist eine andere Geschichte).
Viele der Exportversionen sind verlorengegangen, aber eine der, die immer noch existiert, ist die spanische "Drácula"-Version.
Ich konnte nicht anders als mir das anzuschauen, kaufte diese Box also auch noch.
Verleih durch Universal Pictures. Scan über brandonsiddall.wixsite.com., Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=89223507 |
Ich glaube nicht, daß ich wirklich viel über die Handlung von "Dracula" erzählen muß.
Renfield, ein Makler, reist zu einem Schloß in Transylvanien, um mit Graf Dracula den Mietvertrag für eine Abtei in England abzuschließen. Zu seinem Pech ist Dracula ein Vampir, der Renfield zu seinem Diener macht, mit ihm nach England reist und das tut, was Vampire am besten können, seine Opfer verzaubern und ihr Blut trinken, bis er von Professor Van Helsing aufgehalten wird.
Sprechen wir also ein bißchen über die Unterschiede zwischen der englischen und der spanischen Version. Es gibt Dokumentationen, Interviews und Artikel darüber, also wird das folgende nur meine persönliche Meinung ausdrücken, mit der natürlich nicht jeder einverstanden sein wird.
Die Filme basieren auf einem erfolgreichen Theaterstück, das natürlich wiederum auf Bram Stokers Buch basiert. Ich habe mal versucht, das Buch zu lesen, habe es aber nicht durchgeschafft. Das ist schon lang her, vielleicht sollte ich es nochmal probieren, aber nach dem, was ich gelesen habe, zu urteilen, bin ich nicht die einzige, die Probleme mit dem Stil hat.
Natürlich mußte das Stück viel wegschneiden und das gilt auch für diesen Film, noch mehr für die englische Version, die nur 75 Minuten lang ist, verglichen mit den 104 Minuten der spanischen Version (die extra 29 Minuten füllen ein paar Lücken in der Geschichte)!
Davon abgesehen sind die Drehbücher überwiegend sehr ähnlich, soweit ich das beurteilen kann, da ich kein Spanisch spreche und auf Untertitel angewiesen bin.
Die englische Version wurde tagsüber gedreht, die spanische Version nachts am selben Set (aber nicht mit derselben Crew), mit einem kleineren Budget und einem engeren Drehplan. Es heißt aber, daß der spanische Film davon profitierte, daß die Crew sich das anschauen konnte, was am Tag gedreht worden war, und daher ihre eigene Arbeit im Hinblick auf die Beleuchtung, das Blocken und einige der Effekte verfeinern konnte.
Ich bin absolut kein Filmexperte, darum könnte ich euch nicht genau sagen warum, aber ich stimme dem zu, daß die spanische Version polierter aussieht, fließender und in manchen Szenen dramatischer ist als die englische, von der gesagt wird, daß sie sehr theaterhaft wirkt, mit viel Dialog, sehr langsam und ohne viel Action. Ich frage mich, was eine halbe Stunde mehr ausgemacht hätte. Nicht daß man die spanische Version als Actionfilm bezeichnen könnte, wohlgemerkt, der Dialog war teilweise auch sehr langsam.
Das kam mir aber gar nicht so ungewöhnlich vor. Es war 1931 und Filme wurden nicht in der gleichen Art gemacht wie heute. Ich kann mit etwas übertriebenem Spiel leben, der extremen Betonung einzelner Wörter (zum Beispiel Renfield im spanischen Film) und mit dramatischen Pausen in Sätzen. Ich verstehe nicht, warum jemand diesen Film überhaupt mit den folgenden vergleichen wollen würde.
Die Schauspieler und Schauspielerinnen machten keinen großen Unterschied für mich. Beide Renfields waren toll in ihrem Wahnsinn (obwohl der spanische mehr Zeit bekam, das zu zeigen), die englische Mina war nicht so interessant wie die spanische Eva (die außerdem freizügigere Kostüme trug), aber die anderen hatten keine sehr große Chance zu glänzen, nicht einmal der Professor.
Warum ist mir aber die englische Version trotzdem immer noch lieber?
Ein Name - Bela Lugosi. Carlos Villarías war in Ordnung, als die anderen noch nicht wußten, daß er ein Vampir war und er sich in höflichem Dialog übte, aber während Lugosi die ganze Zeit diesen ominösen und doch bedrohlichen Blick hatte, sah Villarías in seinen Vampirmomenten nur gestört aus, mit seinen weit aufgerissenen Augen und einem seltsamen Grinsen im Gesicht, was auf mich mehr albern als furchterregend wirkte.
Lugosi, der auch im Theaterstück den Dracula gegeben hatte und so wild auf die Filmrolle war, daß er ein sehr niedriges Gagenangebot akzeptierte (ursprünglich war Lon Chaney für die Hauptrolle vorgesehen, aber er starb 1930), legte den Maßstab dafür fest, wie Dracula noch heute in den Köpfen der meisten aussieht, das Haar, das Cape, der durchdringende Blick, sogar der Akzent, der gar nichts mit Dracula an sich zu tun hatte, sondern Lugosis eigener Akzent war, weil er zu der Zeit wenig Englisch sprach.
Es gäbe noch so viel mehr zu sagen, über das Set zum Beispiel, dessen Elemente ebenfalls Teil der Vampirlegende wurden, lange Treppen, Särge, verfallene Schlösser, Fledermäuse, Wölfe und Spinnen (und ihre Netze).
Ich habe allerdings keine Ahnung, warum die Oppossums und Gürteltiere in den Katakomben des transylvanischen Schlosses nicht weiterhin übernommen wurden ;-)
Oder ich könnte über das Ende sprechen, das recht abrupt und ziemlich antiklimaktisch ist.
Vielleicht möchtet ihr die Filme ja irgendwann selber anschauen, um mehr herauszufinden.
Wenn ihr das tut, laßt mich wissen, was ihr denkt!
P.S. Natürlich starrt Bela Lugosi von meiner Fanwand aus Perlenwebporträts auf mein Bett herab ...