Mein erster Gedanke, als ich Dartmoor las, war natürlich "Der Hund von Baskerville" (und ich hasse es immer noch, wie der Bösewicht den armen Hund behandelte, um ihn zu diesem "Monster" zu machen, aber ich schweife ab).
Im heutigen Film - "Ein Landhaus in Dartmoor" von 1929 kommt nicht mal ein Hund vor, aber es gibt trotzdem eine Übereinstimmung - einen Mann, der aus dem Gefängnis Dartmoor flüchtet.
Fangen wir wie üblich mit der Handlung an (Spoileralarm!).
Tatsächlich ist es das, was man als erstes sieht, das Moor, dann einen Gefangenen, der eine Wand herunterspringt und rennt. Das Gewässer, aus dem er trinkt, als er eine Pause macht, wird zum Wasser in einer Wanne, in der eine Mutter ihr Kleinkind badet.
Nachdem sie das Kind ins Bett gebracht hat, kommt die Mutter wieder herunter und trifft auf den Gefangenen in ihrem Häuschen.
Sally und Joe waren Kollegen in einem Friseurladen und nun erfahren wir die Geschichte, wie sie dort hinkamen, wo sie jetzt sind.
Joe ist Friseur und Sally Maniküre. Joe ist in sie verliebt und lädt sie ein, ihn für einen Tonfilm ins Kino zu begleiten, aber sie lehnt ab. Als er ihr später leid tut und sie sagt, daß sie doch mitkommt, hat schon ein anderer Friseur die Karten aufgehoben, die Joe auf den Boden fallen lassen hat. Sally lädt ihn ein, stattdessen mit ihr in ihrer Pension zu Abend zu essen, aber Joe versteht alles falsch und glaubt, daß Sally ihn auch mag.
Am nächsten Tag schickt er ihr Blumen mit einer Karte, auf der steht, daß sie eine davon tragen soll, falls er sich Hoffnungen machen darf. Die Karte geht jedoch verloren, also weiß Sally nicht, daß Joe denkt, daß sie seine Gefühle erwidert, als sie sich eine der Blumen ansteckt. Er wird sehr eifersüchtig, als er bemerkt, daß sich Sally zu einem Kunden hingezogen fühlt, einem Bauer namens Harry, der immer wieder für alle möglichen Behandlungen vorbeikommt, nur um sie zu sehen.
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Das ist nicht Joe im Hintergrund, sondern ein weiterer Kollege mit dem verschlagensten Blick je! |
Nun entschuldigt mich bitte, während ich ein wenig vor mich hinschreie, weil Blogger beschlossen hat, es sei eine gute Idee, die nächsten paar Abschnitte zu löschen.
Tief durchatmen ... ich bin zurück.
Als Harry Sally auf einen Tonfilm einlädt und sie annimmt, folgt Joe ihnen zum Kino und setzt sich direkt hinter sie. Je besser sie sich amüsieren, um so ärgerlicher wird er, bis er es nicht mehr ertragen kann und geht.
Harry bringt Sally nach Hause und macht ihr mit einem Ring einen Antrag.
Bei der Arbeit am nächsten Tag hört Sally, wie ein paar Kolleginnen über Harry und sie sprechen. Eine von ihnen meint, daß er sie niemals heiraten werde. Sie zeigt ihnen den Verlobungsring und die Kolleginnen diskutieren die Neuigkeit weiter - wobei sie neben Joe stehen.
Als also Harry für seine übliche Rasur und Maniküre vorbeikommt und Joe sieht, wie Harry und Sally Händchen halten, wird seine Anspannung immer größer. Es kommt ein Moment, in dem Sally denkt, daß er Harry die Kehle durchschneiden wird, sie schreit auf, Chaos ist die Folge und tatsächlich wird Harry nun verletzt.
Die Polizei kommt und nimmt Joe mit, der droht zurückzukommen, um Rache an ihnen beiden zu nehmen.
Und nun steht Joe also in ihrem Häuschen in Dartmoor.
Da er aber einem anderen Gefangenen von seinem Plan erzählt hat, ist die Polizei schon hinter ihm her und zwei Polizisten tauchen auf, um Sally zu beschützen, während sie ihn im oberen Zimmer versteckt, weil sie ihm glaubt, als er sagt, daß er es nicht tun wollte und sie um Verzeihung bittet.
Die Lage wird sogar noch komplizierter, als Harry nach Hause kommt und darauf besteht, nach seinem Kind zu sehen. Natürlich ist er schockiert, Joe dort anzutreffen. Wieder versichert Joe ihnen, daß er es nicht tun wollte, und Harry antwortet, daß er ihm nur um Sally willen bei der Flucht helfen wird.
Also gibt Sally Joe ein paar andere Kleider und geht dann hinunter, um die Polizisten abzulenken, während Harry ihn aus dem Haus schmuggelt und zu einem Stall mit einem Pferd bringt.
Als Joe aber ein Bild von Sally in der Jacke findet, die sie ihm gegeben hat, beschließt er, den Plan nicht durchzuziehen, und rennt stattdessen auf das Häuschen zu, wobei er genau weiß, daß man ihn erschießen wird.
Er stirbt in Sallys Armen, nachdem er ihr gesagt hat, daß er ohne sie nicht leben könnte.
Hnh. Ich bin bei diesem Film hin- und hergerissen, wirklich.
Es gibt Teile, die großartig sind und die mir sehr gut gefallen haben, es gibt aber auch ein paar Dinge, die mich wahnsinnig gemacht haben. Vielleicht wäre es ja anders gewesen, wenn es nicht so heiß gewesen wäre und ich nicht sowieso einen schlechten Tag gehabt hätte, aber gewöhnlich bin ich nicht gar so unentschieden.
"Ein Landhaus in Dartmoor" war einer der letzten britischen Stummfilme (ihr habt vielleicht die Ironie bemerkt, daß die Männer Sally zu Tonfilmen eingeladen haben).
Sein Regisseur, Anthony Asquith (der der Sohn von Premierminister Herbert Henry Asquith und seiner Frau Margot war), war in seinen 20ern, als er diesen Film machte, erst seinen dritten.
Asquith fühlte sich zum Kino hingezogen, seit er Student in Oxford war. Als er seine Schwester Elizabeth, die Dramatikerin war und viele Freunde in der amerikanischen Filmindustrie hatte, in New York besuchte, reisten sie nach Hollywood, wo er viele der Filmgrößen dieser Zeit kennenlernte, Fairbanks, Pickford, Lubitsch, Chaplin und andere, und er bekam außerdem die Gelegenheit, Zeit am Set zu verbringen.
Nachdem Asquith nach Hause zurückkehrte, gelang es ihm binnen eines Jahres, bei seinem ersten Film Regie zu führen, und er nutzte viele der Techniken, die er dadurch gelernt hatte, daß es ihm möglich war, europäische Stummfilme zu sehen, wie Licht- oder Montagetechniken.
Das waren die Teile, die mir gut gefielen. Die Stimmung, die von interessanten Kamerawinkeln, Doppelbelichtungen, von Licht und Schatten, sowohl in den Szenen auf dem Moor als auch im Haus, geprägt wurde, funktionierte wunderbar, um Joes steigende Anspannung zu betonen, die sich in Besessenheit, ja fast Wahnsinn verwandelte, bis hin zur Explosion.
Und Uno Henning, ein schwedischer Schauspieler, hat es großartig fertiggebracht, daß Joe wahrhaftig gruselig wirkt. An dieser unerwiderten Liebe ist nichts Romantisches.
Wäre Joe nicht dadurch, daß er ins Gefängnis mußte, schon früh von der Bildfläche verschwunden, wäre er sicherlich ein Stalker geworden. Er ist so überzeugt davon, daß Sally ihm gehören muß, daß ich es ihm, ehrlich gesagt, nicht abnahm, als er meinte, er habe Harry nicht verletzen wollen, selbst wenn es in diesem Moment erst noch nur wie eine Drohung aussah.
Wäre ich Sally gewesen, denke ich nicht, daß ich geneigt gewesen wäre, ihm zu helfen, und daß Harry ihm helfen will, zeigt wirklich, wie sehr er Sally liebt. Ich mochte Harry und daß Sally ihn gewählt hat. Die inneren Werte zählen.
(Zu schade, daß Hans Adalbert Schlettow, der Harry spielte, den Nazis später äußerst nahestand, was meinen Eindruck seines Spiels verdarb.)
Joe jedoch ist so jenseits der Erlösung, daß er sogar am Ende noch nur an sich selber denkt. ER kann ohne sie nicht leben, ER muß ihr das sagen, ER muß in ihren Armen sterben. Es geht immer nur um ihn.
Ich habe wirklich die komplette zweite Hälfte des Films geliebt.
Mir hat auch einiges in der ersten Hälfte gefallen, manches habe ich aber gehaßt (ich benutze hier mit Absicht das Wort "gehaßt").
Es ist mein alter Feind, die Länge.
Mein erstes Problem war die unglückliche Verabredung in der Pension. Ich denke, man konnte sich das auch vorstellen, ohne daß die Kamera zwischen Joe und Sally hin und her und hin und her ging. Ich kann euch sagen, daß dabei meine Anspannung deutlich stieg, aber nicht auf gute Weise.
Viel schlimmer war für mich aber eine Szene, die andere liebten, die Kinoszene. Es gab ein paar witzige Ideen, wie die, daß das Orchester während des Stummkurzfilms am Anfang spielte und dann Karten spielte, rauchte und trank, als der Tonfilm lief.
Das ständige Hin- und Herschwenken von einer Person zur anderen machte mich aber wahnsinnig. Es wurde richtig schlimm, als schnelle Umschnitte folgten, ich mußte tatsächlich wegschauen. Dies ist eine Technik, die mich schon immer genervt hat, in einem Film, einer Serie oder sogar in YouTube videos.
Um das ganze zu toppen, war die Kinoszene ungefähr 12 Minuten lang! Ich hätte auf mindestens 8 davon verzichtet. Ich war so genervt, daß ich sogar meine Schwester anrufen mußte, um Luft abzulassen! 😆
Noch etwas, das mich nervte, war, daß Norah Baring hauptsächlich dadurch dramatisierte, daß sie ständig vor allem die rechte Augenbraue hochzog. Ich kenne Baring nicht, kann also nicht sagen, ob das Manierismus von ihr war oder ob es dramatisches Spiel sein sollte, aber ihr wißt, wenn einem etwas auffällt, wie man es dann nicht mehr los wird?
Wenn sie es nicht tat, mochte ich ihr Spiel tatsächlich gerne.
Letztlich war ich mir auch bei der Musik nicht ganz sicher. Am Ende steht, daß Stephen Horne den Klavierteil komponiert und gespielt hat. Die Klaviermusik hat mir richtig gut gefallen, aber da war eben nicht nur Klavier und manches davon fand ich gräßlich, zum Beispiel in der Kinoszene, was diese damit noch schlimmer machte.
Sie war hektisch und lenkte mich furchtbar ab. Ich weiß, ich hätte es ohne Musik probieren sollen, aber ein völlig stummer Film wäre noch schwieriger gewesen.
Dieser Film war für mich wahrhaftig eine Achterbahn.
Wenn ich ihn nochmal anschauen würde, würde ich wahrscheinlich die Verabredung teilweise vorspulen und die Kinoszene komplett auslassen.
Ich bin mir sicher, daß er mir dann viel besser gefallen würde.
Quellen (englischsprachig):
1. Fritzi Kramer: A Cottage on Dartmoor (1929) - A Silent Film Review. Auf: Movies Silently, 3. August 2014
2. Benjamin Schrom: A Cottage on Dartmoor. Auf: San Francisco Silent Film Festival. Essay. Festival 2007
Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.
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