Zunächst einmal - bevor ich mich jetzt anspringt, falls ihr die "Susanne Barden"-Serie kennt, ich weiß, daß das keine Kinder-, sondern Jugendbücher sind.
In dem Schrank, den ich schon immer meinen Kinderbuchschrank nenne, ist eine Mischung aus beidem.
Ich wollte selber nie Krankenschwester sein. Nichts davon spricht mich persönlich an. Als erstes kann ich zwar mein eigenes Blut sehen, aber nicht das von anderen. Mir wird schon schwach nur von dem Geruch eines Krankenhauses, wenn ich es betrete. Hauptsächlich denke ich allerdings, daß ich zu weich bin ... oder anders ausgedrückt ein Feigling.
Dank dieses Gefühls schätze ich Krankenschwestern und -pfleger sogar noch mehr dafür, daß sie das fertigbringen. Ich habe so ein oder zwei in meinem Leben gekannt (und war nicht mit allen davon glücklich, schließlich sind wir alle Menschen) und ich bin auch mit ein oder zwei befreundet.
Warum also habe ich "Susanne Barden" gelesen und warum habe ich die Bücher sogar selber?
Oh, und falls ihr die Reihe nicht kennt, wer ist Susanne Barden überhaupt?
"Susanne Barden" ist die Geschichte einer jungen Frau von der Probe- bis zur Stabsschwester, erzählt in sieben Büchern, die zwischen 1936 und 1952 von Helen Dore Boylston geschrieben wurden, die selber Krankenschwester war.
Ihre Bücher gelten in den USA als zu den ersten gehörend, die die Kategorie von Büchern für junge Erwachsene definieren.
Boylston arbeitete während des 1. Weltkriegs als Krankenschwester in einem Feldlazarett und schrieb auch ein Buch über diese Erfahrung. Sie blieb dann in Europa, um in verschiedenen Ländern für das Rote Kreuz zu arbeiten.
Nachdem sie die Autorin Rose Wilder Lane (die Tochter von Laura Ingalls Wilder) traf, beschlossen sie, in einem Ford Modell T von Paris nach Albanien zu fahren. Sie lebten ungefähr ein Jahr lang in Albanien, bevor sie in die USA zurückkehrten, ein Buch, das auf ihren Tagebüchern und Briefen beruhte, erschien 1983.
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Helen Dore Boylston, ca. 1928 |
Nachdem sie während der Depression Geld verlor, ging Boylston in die Krankenpflege zurück und fing dann ernsthafter mit dem Schreiben an.
Ihre Susanne Barden-Bücher basierten auf ihren eigenen Erfahrungen und echten Personen, die sie kannte, sie behielt sogar manche der richtigen Namen bei, bestand aber darauf, daß Susanne nicht autobiographisch ist, sondern die Krankenschwester, die sie selber gern gewesen wäre.
Ihr Ziel war es, kein romantisches, sondern ein realistisches Bild der Arbeit als Krankenschwester zu vermitteln, und ihre Hauptfigur schlug im Laufe ihrer Karriere verschiedene Wege ein, genau wie sie es selber getan hatte.
In der Originalreihe gab es sieben Bücher, "Sue Barton: Student Nurse", "Sue Barton: Senior Nurse", "Sue
Barton: Visiting Nurse", "Sue Barton: Rural Nurse", "Sue Barton:
Superintendent of Nurses", and the last two which followed some years
later, "Sue Barton: Neighborhood Nurse", and "Sue Barton: Staff Nurse".
Hier sieht man schon, daß aus Sue Barton im Deutschen Susanne Barden wurde, oft Suzy genannt, mehr dazu noch später.
In den ersten zwei Büchern erfahren wir, wie Susanne und ihre Freundinnen Kit und Connie in einem berühmten Krakenhaus ihre Ausbildung machen. Sie verliebt sich in den jungen Arzt Bill Barry und verlobt sich, besteht aber darauf, erst noch als Krankenschwester zu arbeiten, bevor sie heiraten.
Im dritten Buch arbeiten Suzy und Kit für das Sozialprojekt Henry Street Settlement in New York als Gemeindeschwestern. Bill, der eine Stelle als Landarzt angenommen hat, hat seine Meinung über das Warten geändert und möchte so schnell wie möglich heiraten, was zu einer Trennung führt, jedoch nicht für lang.
Als sein Vater stirbt, muß Bill die Hochzeit verschieben. Suzy möchte in seiner Nähe sein und organisiert im vierten Buch für sich eine Stelle als Gemeindeschwester auf dem Land.
Zu Beginn des fünften Buches heiraten Suzy und Bill und Suzy arbeitet als Chefin der Schwesternschule im neuen Krankenhaus, ist sich aber nicht sicher, ob sie die Richtige für diese Arbeit ist. Die Ehe verliert etwas an Glanz, aber am Ende ist Suzy mit ihrem ersten Kind schwanger und kündigt ihre Stelle bei der Schule.
Im sechsten Buch haben Suzy und Bill drei Kinder. Suzy bereut, nicht mehr als Krankenschwester zu arbeiten, stellt aber fest, daß ihre Erfahrung ihr auch in der Familie und Nachbarschaft zugutekommt. Kit ist nun die Chefin der Schwesternschule.
Im letzten Buch wird Bill krank. Er muß monatelang in einem Sanatorium bleiben, also muß Suzy wieder arbeiten und mit Hilfe einer alten Freundin für ihre nun vier Kinder sorgen. Bill erholt sich, und obwohl das Ende offen ist, scheint es doch darauf hinzudeuten, daß Suzy die Arbeit wieder aufgeben wird, sobald er zurückkommt.
In Deutschland wurden die Bücher zunächst in den 50ern als eine Ausgabe mit drei Bänden veröffentlicht. Mehr Auflagen folgten, aber erst später als Serie von sieben Büchern. Ich erinnere mich, wie überrascht ich war, als ich zum ersten Mal die sieben Taschenbücher in unserem Buchladen sah, weil ich dachte, ich hätte etwas verpaßt, bis ich dann die Beschreibungen las.
Die sieben Bücher hießen bei uns jeweils "Susanne Barden" mit dem Zusatz "Hinaus ins Leben", "Zeig, was du kannst", "in New York", "Weite Wege", "Jung verheiratet", "Heiter bis bewölkt", "Ende gut, alles gut", was sicherlich auch daran lag, daß es die englischen Begriffe so bei uns im Deutschen nicht gibt.
Ich haßte diese Einbände und habe mich dieses Jahr zum Geburtstag selber mit einem Set der Ausgabe beschenkt, die ich aus meiner Kindheit kannte.
So sentimental, ich weiß! Die neueren Einbände erinnerten mich aber immer an Arztromane (was mich in Gedanken zu dem Regal im Einkaufsladen meiner Kindheit zurückbringt, in dem all die Heftchenromane angeboten wurden, so witzig, an was wir uns erinnern). Ich mochte sogar die alte Schriftart lieber.
Sind sie nicht hübsch?
Für diesen Post habe ich Teile der ersten Bücher auf Englisch (die ich auf The Internet Archive gefunden habe) und auf Deutsch verglichen, und die Übersetzung scheint überwiegend nah am Original zu sein, ist aber in Bezug auf den Stil sehr frei.
Es gab auch ein paar kleine Kürzungen im Text. Vielleicht war der Grund dafür, daß sie aus sieben Büchern drei machten. Ich finde es trotzdem nicht in Ordnung und frage mich, warum sie die Reihe überhaupt erst als Trilogie herausgegeben haben.
Wie gesagt wird aus Sue Susanne und auch ein paar der anderen Namen sind geändert (was ich nur in einem Fall verstehe, in dem der Name etwas aussagt).
Was mich überrascht hat war, daß Fahrenheit nicht zu Celsius geändert wurde, denn das wäre nun etwas gewesen, das ich gemacht hätte. 68 Grad Fahrenheit sagten mir als Kind gar nichts.
Meine Schwester war die erste, die die Bücher aus unserer Stadtbücherei auslieh und ihr gefielen sie (obwohl sie auch keine Krankenschwester sein wollte), also las ich sie auch. Das muß so in der zweiten Hälfte der 70er gewesen sein.
Ich glaube nicht, daß ich so recht darüber nachgedacht habe, wie alt die Bücher genau waren, in den 70ern schienen sie mir noch gar nicht so sehr veraltet, schließlich hatte ich ja auch keine Ahnung von Krankenpflege und man hätte mir einfach alles verkaufen können.
Als Erwachsene kaufte ich die Bücher dann für meine Sammlung. Natürlich wurde mir da klar, wie alt sie waren, aber jetzt war es ja sowieso vintage Lesestoff.
Meine Favoriten waren die ersten eineinhalb deutschen Bücher (englisch 1 bis 3) und das letzte Dritte des dritten Buchs (englisch 7). Ich mochte die anderen auch, aber nicht so sehr, obwohl ich mir damals nicht groß überlegte, warum das so war. Habt ihr schon einen Verdacht?
Als ich die Bücher für diesen Post noch einmal las, wurde es so offensichtlich für mich. Anders als andere war ich kein Fan von Bill.
Meine Favoriten zeigten Suzy als eine unabhängige Frau, die ihrem Traum folgte und gut darin war (okay, vielleicht etwas zu gut, um realistisch zu sein, aber immerhin ist es Fiktion), und Bill kam darin gar nicht so herausstechend vor. Klar, er war für die Liebesgeschichte da, aber die Romanze war für mich in diesen Büchern gar nicht der wichtige Anteil. Ich glaube, ich hatte genug von ihm, als er wegen der Heirat drängelte, obwohl er Suzy doch versprochen hatte, daß er warten würde.
In einem Buch nennt Suzy Bill "zu ernst, denke ich manchmal". Offen gesagt schien er mir manchmal ein verwöhntes Kind zu sein, egal was er für ein wundervoller Arzt ist, während Suzy irgendwie viel reifer erscheint.
Boylston heiratete übrigens nie und auch nicht Kit in den Büchern, die einer meiner Lieblingscharaktere ist.
Dann erinnere ich mich selber wieder an die Zeit, in der diese Bücher geschrieben wurden. Die 30er waren eine Zeit, in der Frauen begannen, Unabhängigkeit zu erreichen, zum Beispiel in Berufen wie der Krankenpflege, aber die 50er, als die letzten beiden Bücher erschienen, wollten Frauen zurück im Haus sehen, am Herd und für Mann und Kinder sorgend.
Wenigstens konnte Suzy beweisen, daß sie imstande war, ohne Mann im Haus zu überleben.
Ich stimme allerdings einer Bloggerin zu, die geschrieben hat "I think the author sold out to the publishers on that one.", also daß die Verfasserin sich dem Verlag unterworfen hat.
Zugegeben, als Bill Kit erzählt, daß er bald wieder heimkommen wird und Suzy überraschen will, ist sie sich sicher, daß Suzy die Arbeit aufgeben wird, aber Bill fragt sich, ob sie ihr nicht fehlen wird. Kit meint, das müßten sie beide entscheiden und Bill antwortet, Suzy müßte es entscheiden. Es ist nur so, daß ich dabei das Gefühl bekam, daß er darauf hofft, daß sie kündigt, und damit scheine ich nicht allein dazustehen. Vielleicht vertrauen wir nicht darauf, daß Bill erwachsen genug geworden ist, um das zu verstehen?
Da dies das letzte Buch ist, schätze ich, wir können selber entscheiden, was Suzy tatsächlich als nächstes tun wird.
Ich kann euch nicht wirklich sagen, warum ich diese Bücher so gern lesen, aber ich schnappe sie mir gelegentlich und habe immer noch Spaß damit, ärgere mich immer noch über Bill und bin immer noch froh, daß ich keine Krankenschwester bin (so wie es auch alle Patienten sein sollten).
P.S. Ich meine mich zu erinnern, daß ich Boylstons andere Reihe über die Schauspielerin Carol Page in der Bücherei oder sonstwo gesehen hatte, glaube aber nicht, daß ich sie je gelesen habe.
Ich habe auch nie Cherry Ames gelesen, eine weitere in den USA sehr beliebte Serie über eine Krankenschwester. Tatsächlich hatte ich, bevor ich für diesen Post recherchierte, noch nie von ihr gehört und konnte auch keine deutsche Übersetzung für die Bücher finden.
Quellen (englischsprachig):
1. Katherine Ashenburg: Rereading: Sue Barton and Me. In: The American Scholar 72(2003),3, pp. 137 - 141 (Closed Access)
2. Deborah Philips: Healthy Heroines: Sue Barton, Lillian Wald, Lavinia Lloyd Dock and the Henry Street Settlement. In: Journal of American Studies 33(1999),1, pp. 65 - 82 (Closed Access)
3. Rebecca M. Douglass: Middle Grade Monday: Helen Dore Boylston. Auf: The Ninja Librarian, 1. November 2021
4. "lunacat101": Helen Dore Boylston (1895-1984), Teil I, II, III. Auf: Authors' real lives, 3. Januar 2015 - 5. April 2015 - 19. September 2015
5. Travels with Zenobia - Paris to Albania by Model T Ford : A Journal by Rose Wilder Lane and Helen Dore Boylston. Hrsg. von William Holtz. Columbia & London, University of Missouri Press, 1983
Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.
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