Ich muß ein Geständnis ablegen. Ich war immer ein größerer Fan von Stan Laurel als von Oliver Hardy. Das ist wahrscheinlich wieder dieses Ding, das ich für die Unterdrückten habe.
Das ist auch der Grund, warum Stan an meiner Fanwand aus perlengewebten Porträts hängt, Ollie aber nicht (obwohl ich mal Anhänger von beiden entworfen habe).
Obwohl Laurel und Hardy 1921 das erste Mal zusammen in einem Film auftauchten, wurden sie erst 1927 offiziell ein Team.
Mein heutiger Stummfilm ist von 1925 und es ist nur Stan dabei, was für mich Neuland ist. Er heißt "Dr. Pyckle and Mr. Pryde" (ich konnte keinen deutschen Titel finden).
Knüpfe ich damit an den Post von letzter Woche an? Ja und nein. Natürlich ist dies eine Parodie des Films "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" von 1920, aber ich habe zuerst den Kurzfilm gefunden, der mich dann zu dem anderen führte. Ich dachte nur, es wäre eine gute Idee, mit dem Original anzufangen.
![]() |
Public Domain über Wikimedia Commons (man sieht den Titel mal mit "Pryde", mal mit "Pride") |
Wie gewöhnlich ist hier die Handlung mit Spoilern.
"Dr. Stanislaus Pyckle war der am meisten respektierte Mann in der Stadt - der Himmel weiß warum --" (leider scheint es so, daß die witzigen Zwischentitel nicht original sind, aber zumindest versuchen, die Scherze und Wortwitze dieser Zeit zu imitieren).
Wir sehen Dr. Pyckle, wie er in seinem Labor hin- und hergeht und darüber nachdenkt, wie man Gut und Böse im menschlichen Geist trennen kann - überraschenderweise von einem Publikum aus Männern und seiner lieblichen Laborassistentin beobachtet.
Seine ersten Experimente laufen nicht so wie gewollt - hier gibt es ein paar schöne Gelegenheiten für etwas Slapstick - aber dann schlägt die Inspiration zu und er braut endlich einen Trank zusammen (warum sehen die immer so schaumig aus?).
Die Transformation ist eine sehr witzige Abwandlung von der dramatischen, die Barrymore durchläuft. Dr. Pyckles Beine scheinen sich in Gummi zu verwandeln und er hüpft durch sein Labor, bevor er hinter einen seiner Apparate fällt und als Mr. Pryde wieder aufsteht.
Mit bösem Lächeln macht er sich auf in die Stadt. Und böse ist er wahrhaftig!
Sein erstes Opfer ist ein kleiner Junge mit einer Eiswaffel. Mr. Pryde zieht ihn mit seinem Spazierstock an sich heran, stellt sich auf seinen Fuß, damit er nicht entkommen kann und nimmt ihm sein Eis weg. Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, zieht er dem Jungen die Mütze über die Augen.
Der Horror!
Als er einen anderen Jungen mit einem Spielzeugblasrohr trifft, folgt Mr. Pryde eine Menge zum Labor, aber er wirft sie alle mit einem einzigen Schuß aus seinem Blasrohr um, was ihm Zeit verschafft, sich in Dr. Pyckle zurückzuverwandeln und abzustreiten, daß er irgendjemanden gesehen hat.
Leider ist etwas von dem Trank auf das Futter des Hunds getropft und verwandelt diesen in eine böse Kreatur ... die sich an Pyckles Hintern vergreift.
![]() |
Erkennt ihr ihn aus den Buster Brown-Filmen? |
Prydes teuflischen Handlungen finden hier kein Ende, er terrorisiert die Stadt weiterhin.
Einer alten Damen bietet er eine Blume an, tatsächlich ist es aber ein Luftrüssel (ich hatte den Ausdruck noch nie gehört, ihr wißt schon, das Partyspielzeug, in das man reinbläst und dann rollte sich auf), der sie erschreckt.
Er stellt einen Ziegelstein unter einen Hut, damit sich der sich nähernde Polizist den Fuß daran anschlägt, wenn er versucht, den Hut wegzutreten (stattdessen trifft der Ziegelstein dann Pryde am Kopf, als er das tut).
Er läßt eine Papiertüte hinter einer ahnungslosen Frau knallen.
Er macht sich über einen Mann lustig, indem er ihm eine Fingerfalle anlegt.
Wird er denn vor gar nichts zurückschrecken?
Diesmal folgt ihm ein sogar noch größerer Mob zum Labor und wieder entkommt er knapp, indem er den Trank zu sich nimmt.
Seine liebliche Assistentin ist jedoch um ihn besorgt und bittet ihn, sie hereinzulassen. Inzwischen hat sich Pyckle, dem der Trank ausgegangen ist, wieder in Pryde verwandelt, also ist es dieser, der die Tür öffnet. Er zwinkert ihr zu, sie haut ihm eine Flasche über den Kopf. Er steckt seinen Kopf mit in die Halskette, die sie trägt.
In diesem Augenblick taucht der Mob wieder an der Labortüre auf und ......!
Ja, tut mir leid, das war's. Leider ist das Ende verlorengegangen. Das ist nicht gerade ein Höhepunkt, aber vielleicht möchtet ihr euch ja euer eigenes Ende ausdenken.
Ich gebe gern zu, daß ich echt Spaß hiermit hatte, vor allem nachdem ich am Tag vorher den langen Film angeschaut hatte.
Laurels Slapstick veralbert Barrymores etwas übertriebenen Hyde (nicht daß mir das nicht gefallen hätte) perfekt.
Ich glaube, am liebsten mochte ich, wie er sich über seine unglaubliche Perücke strich.
Oh, und die Art, wie er durch die Stadt hüpfte.
Nein, wartet! Seine Hände waren am besten, wie sie Barrymores lange Finger auf die Schippe nahmen.
Okay, mir gefiel also der ganze Kurzfilm und er brachte mich mehr zum Lachen, als ich erwartet hätte.
Ich frage mich wirklich, wie wohl das Ende war, denn der Mob wurde mit jedem Streich, den Pryde spielte, immer größer, und er hatte keine Chance mehr zu entkommen, vor allem nachdem er sich selber praktisch selber in dieser Halskette gefangen hatte (ich wette, das war für den Schluß wichtig).
Ich denke nicht, daß man den Film von 1920 gesehen haben muß, um mit dieser kleinen Komödie Spaß zu haben, aber es macht sie noch besser.
Quellen:
1. Fritzi Kramer: Dr. Pyckle and Mr. Pryde (1925) - A silent film review. Auf: Movies Silently, 1. Juli 2018
2. "prettycleverfilmgal": The Trickster Imp | Dr. Pyckle and Mr. Pryde. Auf: Pretty Clever Films, 9. Juni 2011
3. D. Cairns: The Sunday Intertitle: Another Fine Pyckle. Auf: Shadowplay, 3. September 2017
Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Ich würde gern von euch hören! Laßt uns reden!