Donnerstag, 18. September 2025

Stummfilme - Raffles, the Amateur Cracksman

Ich hatte von Raffles zuvor nie gehört, als ich vor Jahren die DVD-Box aus den 70ern billig aus England bestellte.
A. J. Raffles ist die Hauptfigur von 26 Kurzgeschichten und einem Roman um die Jahrhundertwende (natürlich das 19./20. Jahrhundert). Er wurde so populär, daß es mehrere Verfilmungen gab.
Eine davon ist der Film "Raffles, the Amateur Cracksman"  (das war auch der Titel der ersten Sammlung von Kurzgeschichten) von 1917 mit John Barrymore als Raffles.

Irgendjemand überrascht, daß sie
Barrymores schönes Profil für das
Filmposter verwendet haben? Nein?
(Public Domain über
Wikipedia Commons)

Fangen wir wie üblich mit der Handlung an (mit Spoilern).

"Count de Bauderay" ist an Bord eines Dampfschiffs auf dem Mittelmeer. Dort flirtet er mit der geschiedenen Mrs. Vidal, die sich in ihn verliebt. Ebenfalls an Bord ist ein Betrüger, der Mrs. Vidal von der kostbaren "rosa Perle von Indien" erzählt, die er bei sich hat. Der "Count" findet heraus, daß er sie in seinem Schuh versteckt hält, stiehlt sie, und als er gefaßt wird, entkommt er, indem er in die See springt und ans Ufer schwimmt.


In den Monaten danach geschehen in der Stadt mehrere waghalsige Einbrüche, die dem "Amateur Cracksman" zugeschrieben werden.
Zur gleichen Zeit kehrt A. J. Raffles, ein Kricketchampion, aus Australien zurück und wird mit Freude und einer Einladung zu einem Wochenendbesuch bei Lord Amersteth begrüßt. Sein alter Collegefreund Bunny, der in Gwendolyn, Amersteths Mündel, verliebt ist, ist da und auch Mrs. Vidal.
Das ist bedauerlich, denn sie ist bereit, das, was sie für den Beginn einer Liebesaffäre gehalten hat, wieder aufzunehmen, während es für Raffles nur ein Flirt war. Und als sie dann bemerkt, mit welchem Wohlgefallen Raffles Gwendolyn ansieht, beginnt sie ihm mit Enthüllung zu drohen, da sie sich sicher ist, daß er der "Amateur Cracksman" ist (Überraschung, sie hat recht).


Ein weiterer Wochenendgast ist Mylords Nachbar, ein Detektiv im Ruhestand names Bedford, der wild darauf ist, den Einbrecher zu schnappen. Er bekommt seine Chance dank Lady Melrose, die ihre berühmte Diamantenkette trägt, die für Raffles unwiderstehlich ist.
Die Lady hält nichts von Safes und läßt die leere Schachtel einschließen, während sie die Kette in ihrer Kommode versteckt. Wenn sie doch nur wüßte, daß ihr Mädchen mit einem professionellen Einbrecher unter einer Decke steckt, Crawshay. Das Mädchen nimmt die Kette und läßt sie aus dem Fenster fallen, damit Crawshay sie auffangen kann, aber Raffles ist schneller. Sie kämpfen, der Einbrecher wird verhaftet und abgeführt, aber nicht ohne Rache zu schwören - und entkommt prompt auf dem Weg.

Autsch.
Es gab Abzüge, in denen das hier zensiert wurde.

Als der Diebstahl der Kette am nächsten Morgen entdeckt wird, ist sich Bedford sicher, daß er sie zurückbringen kann. Raffles wettet mit ihm um 150 Pfund, daß Bedford das nicht vor Mitternacht schaffen wird. Das Geld will er Bunny geben, der Spielschulden hat. Der Detektiv nimmt an, denn er hat Raffles bereits in Verdacht, der Dieb zu sein.
Raffles kehrt in seine Räume in der Stadt zurück. Als Bunny ankommt, sagt er ihm die Wahrheit darüber, daß er der Einbrecher ist und daß er die Kette zurückschicken will, nachdem er das Geld für ihn gewonnen hat.
Dann kommt Crawshay für die versprochene Rache. Als Bedford und sein Kollege auftauchen, hilft Raffles Crawshay bei der Flucht. Bedford verfolgt den Einbrecher. Als nächstes ist Mrs. Vidal dran, die einen Brief von Gwendolyn findet, die sich Sorgen um Raffles macht, nachdem Mrs. Vidal ihr gegenüber angedeutet hat, daß er der "Cracksman" ist. (Schon verwirrt?) Bedford kommt zurück und erzählt Mrs. Vidal, daß er einen Haftbefehl für Raffles hat. Auftritt Lord Amersteth und Gwendolyn. Wißt ihr was, Auftritt von einfach allen, je mehr, desto lustiger.
Es ist nach Mitternacht und Bedford zahlt die 150 Pfund an Raffles, der sie an Bunny weitergibt, bevor er verhaftet wird. Dann läßt der Detektiv Raffles allein mit Gwendolyn sprechen. Ein ganz Schlauer, dieser Bedford.
Jepp, Raffles entkommt - mit der Erlaubnis, dafür Mylords und Gwendolyns Wagen zu nehmen - und Bedford sagt: "Nun, ich bin verteufelt froh, daß er entkommen ist. Er ist prächtig!" 
😂
Natürlich ist er das, schaut euch diesen Kerl doch mal an! Wer würde ihm nicht seine waghalsigen Raubzüge verzeihen?


A. J. Raffles ist das geistige Produkt von E. W. Hornung, einen britschen Schriftsteller, der zufällig auch der Schwager von Arthur Conan Doyle war (ich bin kein Fan davon, Leute nicht dafür anzuerkennen, wer sie sind oder was sie getan haben, sondern dafür, mit wem sie verheiratet oder verwandt sind, aber diesmal habe ich einen Grund).

Als Teenager verbrachte Hornung zwei Jahre in Australien und seine ersten Geschichten und Romane schrieb er auch über Australien.
1898 veröffentlichte er seine ersten Raffles-Geschichten und widmete sie Doyle, obwohl dieser ihn davor gewarnt hatte, sie zu schreiben.
Raffles ist kein Robin Hood, die einzigen Armen, denen er etwas schenkt, sind sein Freund und Komplize Bunny und er selbst, und Doyle fand, daß ein Krimineller nicht zum Helden gemacht werden sollte. Obwohl sich dem einige Kritiker anschlossen, waren die Geschichten beliebt und ein finanzieller Erfolg, und Raffles wurde sogar in Artikeln als Synonym für Einbrecher verwendet (ich habe einen interessanten Artikel darüber gelesen, wie Raffles tatsächlich Einfluß darauf hatte, wie man Einbrüche im Vereinigten Königreich vor dem 2. Weltkrieg betrachtete).
Die Geschichten wurden in einem Stil ähnlich dem von Doyles Sherlock Holmes erzählt, wobei Bunny als Erzähler und Chronist für Raffles diente, nur lösten diese beiden eben keine Verbrechen, sondern begingen sie.
Das meiste von Hornungs Werk ist vergessen, Raffles jedoch nicht, seine Geschichten wurden mehr als einmal für Radio, Fernsehen und die Leinwand umgesetzt.

Zurück zu unserem Film.
In diesen Zeiten wäre es nicht akzeptabel gewesen, Raffles so darzustellen, wie er in den Geschichten war, also wurde er mehr zu einem Robin Hood gemacht, indem man anmerkte, daß er von den Reichen nahm und damit wohltätige Zwecke unterstützte oder einen Gauner bestrafte.
Wie ihr aus meiner Beschreibung vielleicht entnommen habt, fand ich es recht amüsant, das hat aber weniger mit der Handlung oder der Qualität des Films zu tun. Stattdessen konzentrierte ich mich wieder sehr auf John Barrymore.
Wenn ich geglaubt hatte, daß er es in "Dr. Jekyll and Mr. Hyde" - sehr zu meinem Genuß - übertrieben hatte, war ich nicht auf Raffles vorbereitet gewesen.
In der zweiten Hälfte begann ich schon zu glauben, daß er nur herumstehen und seine Zigarette halten wollte, wobei er entweder ernst oder überrascht dreinschaute oder ein wissendes Lächeln auf den Lippen hatte.
Dann aber gestand er Bunny, daß er ein Einbrecher war und beschrieb den Nervenkitzel dabei.



An diesem Punkt bedauerte ich, daß Barrymore nie Dracula spielte. Ich denke, das hätte wundervoll werden können.
Tatsächlich mußte ich bei dieser Szene lachen, aber nicht böse gemeint. Wie einige der anderen Szenen hatte ich hier den Eindruck, daß Barrymore die Figur nicht zu ernst nahm, und das gefiel mir.

Als er im Arbeitszimmer war und zum großen Schrecken derer, die draußen standen, eingeschlossen Bedford, der darauf wartete, ihn zu verhaften, in die Luft schoß und dann durch die geheime Öffnung in der Standuhr entkam (übrigens eine Szene, für die Wikipedia ein Update braucht, denn da steht, daß sie in existierenden Abzügen nicht vorkommt), schien er soviel Spaß zu haben.


Nochmal, er riß es für mich heraus, während der Film sonst mal gerade okay war; ich begrüßte, daß er nur eine Stunde lang ging. Eine Stunde, die ich nur für Barrymores Darstellung nochmal investieren würde.

P.S. YouTube hat mir sofort einen weiteren seiner Filme empfohlen, also bereitet euch schon mal darauf vor, dieses Profil wiederzusehen!


Ausgewählte Quellen:

1. Fritzi Kramer: Raffles the Amateur Cracksman (1917) - A silent film review. Auf: Movies Silently, 4. Februar 2013
2. Eloise Moss: "How I Had Liked This Villain! How I Had Admired Him!": A. J. Raffles and the Burglar as British Icon, 1898 - 1939. In: Journal of British Studies 53(2014), S. 136 - 161 (doi:10.1017/jbr.2013.209, closed access)

Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.

Dienstag, 16. September 2025

Aus meinem Kinderbuchschrank - Der kleine dicke Ritter

Das heutige Buch ist "Der kleine dicke Ritter". Im Buch steht, daß es auf einem Hörspiel basiert, das wiederum auf einem Theaterstück namens "The Thwarting of Baron Bolligrew" des britischen Schriftstellers Robert Bold basiert.


Bevor wir aber über Oblong-Fitz-Oblong sprechen, sprechen wir doch kurz über die "Augsburger Puppenkiste".

Public Domain über Wikimedia Commons

Die "Augsburger Puppenkiste" ist ein Marionettentheater, dessen Vorgänger 1943 gegründet und unter dem jetzt bekannten Namen 1948 wiederbelebt wurde. Es führt Stücke für Kinder, aber auch für Erwachsene auf, sogar Opern.
Wir sind mit der "Puppenkiste" aufgewachsen, nicht weil wir nach Augsburg gefahren sind, um sie zu sehen, das wäre nicht in Frage gekommen, sondern weil sie dank ihrer Fernsehproduktionen Popularität erlangte.

Kurz gesagt, wir wuchsen mit Geschichten der "Puppenkiste" auf wie der "Jim Knopf"-Serie nach Michael Endes Büchern, der "Urmel"-Reihen nach Max Kruses Büchern und neben anderen eben auch 1963 mit "Der kleine dicke Ritter" (für mich waren es natürlich die Wiederholungen). Wenn ich diese heute anschaue, erweckt das immer noch das besondere Gefühl aus meiner Kindheit in mir, die vertrauten Stimmen der Puppenspieler, die typischen Bewegungen der Marionetten und die Melodien. Das waren zum Beispiel klassische Weihnachtsprogramme.

Ich meine, ich kannte die Marionettenversion sogar noch vor dem Buch, und es war sogar noch später, daß mir wirklich bewußt wurde, daß es ursprünglich ein Theaterstück gewesen war.
Hier ist der zeitliche Ablauf und er ist verwirrend.
Das Theaterstück kam 1962 heraus und wurde von Marianne de Barde ins Deutsche übersetzt. Ihre Übersetzung wurde vom deutschen Schriftsteller Carl Mandelartz benutzt, um die Geschichte unter dem Pseudonym Carl Schanze in Form eines Romans nachzuerzählen, der 1963 veröffentlicht wurde.
Ebenfalls 1963 wurde die Fernsehverfilmung des Stücks der "Augsburger Puppenkiste" in Deutschland gezeigt.
Die BBC sendete das englische Hörspiel zu Weihnachten 1964.

Es war klar, daß es Unterschiede zwischen Originalstück und Buch geben würde, also las ich auch das Stück, was recht überraschend war.
Sagen wir es mal nett, ich nehme an, es war Mandelartz, der mit dem Material sehr großzügig umging, und danach wurde dann das Puppenspiel gemacht. Ich konnte dazu allerdings keine Informationen finden.

Vielleicht wird es jetzt Zeit, euch etwas über die Handlung zu erzählen.

Der Herzog und seine Ritter wollen Oblong-Fitz-Oblong loswerden, weil er als Ritter für sie etwas zu gut ist. Nachdem alle Drachen in der Gegend getötet wurde, möchte er nämlich, daß sie dorthin weiterziehen, wo sie gebraucht werden. Der Herzog und die Ritter andererseits würden eine kleine Pause bevorzugen. Sie träumen von Ausschlafen, ein paar leichten Turnieren und großen Mahlzeiten.
Also schicken sie Oblong als Königlich Fahrenden Ritter auf die Bolligru-Inseln, damit er sich dem bösen Baron Bolligru und dem Drachen auf der Insel entgegenstellt. Ich glaube, ich verrate nicht zuviel, wenn ich sage, daß er dabei erfolgreich ist. Zuerst muß er das Vertrauen und die Hilfe der Bauern auf der Insel erringen und sich mit damit herumschlagen, daß ihm ein Zauber auferlegt wird, der Bolligru Macht über ihn verleiht.

Sowohl im Stück als auch im Buch liebt Oblong Tiere. Ein Grund für ihn, den Auftrag anzunehmen, ist, daß man ihm sagt, der Baron jage alle Tiere.
Im Stück hat er allerdings selber mindestens einen kleinen rosa Drachen getötet, wenn auch ungern, und als Beweis seine Schwanzspitze mitgebracht. Im Buch bringt er es nicht übers Herz, den Drachen zu töten, also bringt der ganzen rosa Drachen mit, zähmt ihn und nennt ihn Bonzo - und nach ihm sogar noch zwei weitere Drachen!
Als der Herzog am Schluß selber die Inseln besucht, nimmt er Bonzo sogar mit sich auf die Reise.

Als Baron Bolligru Oblong während
des Besuchs des Herzogs aus dem
Weg haben will, findet Bonzo ihn und
bringt ihn gerade noch rechtzeitig
zurück, um den Herzog zu sehen.

Der Drache auf den Bolligru-Inseln ist übrigens so böse, daß ihn nicht mal Oblong im Buch leben lassen will.
Der Drache im Stück ist schwarz und hat rote Augen. In Aufführungen wird es dadurch möglich, daß er noch von zwei roten Lampen verkörpert wird, als er in seiner Höhle sitzt, wo er am Ende erschossen wird. Im Buch ist er schwarz und hat zwei Schwänze und versinkt am Schluß im Meer.
Bolligru hat ein Abkommen mit dem Drachen, jeder von ihnen bekommt die halbe Insel. Als der Drache seine Hälfte verwüstet hat, will er Bolligrus Hälfte, also versucht ihn der Baron loszuwerden.
Im Buch bietet er ihm vergifteten Hammel an, aber der Drache ist zu schlau, den zu fressen.
Der Zauberer, der den Zauber über Oblong verhängt, benutzt dafür im Buch einen Apfel, im Stück jedoch dessen Umhang. Der Apfel, den er Oblong gibt, macht ihn giftig, damit der Drache stirbt, wenn er ihn frißt!

Der böse Drache im Puppenspiel

Und es gibt noch mehr Tiere. Als Oblong das Schloß verläßt, nimmt er alle Dohlen aus dem Schloßturm mit sich, eingeschlossen seinen Freund Dolfus. Ihr müßt wissen, daß das Lieblingsgericht des Herzogs gefüllte Dohle ist und Oblong um seine Freunde fürchtet. Dolfus spielt eine wichtige Rolle, als Oblong mit dem Zauber belegt wird.
Im Stück gibt es keine Dohlen. Oblong lernt Mike die Elster auf der Insel kennen und es ist Mike, der ihm mit dem Zauber hilft. Außerdem spielt in Buch und Puppenspiel ein Dachs eine viel größere Rolle.



Grundsätzlich ist die Handlung also die gleiche, aber Buch und Puppenspiel fügen mehr Details hinzu.
Auf YouTube gibt es ein Video einer Schulaufführung. Vielleicht sollte ich da mal reinschauen, nur um zu sehen, wie das so auf der Bühne ist.
Ich werde unsere Version immer lieber mögen. Ich liebe sie seit über 50 Jahren und ich höre die Stimmen der Marionetten, wenn ich das Buch lese.
Es war aber auf jeden Fall interessant, etwas über die Unterschiede zu erfahren, das hatte ich so nicht erwartet!

Samstag, 13. September 2025

Einfach nur so Samstag - Wörter

Dieser Post wurde von dem Septemberpost für die 10 am 10. auf Marsha in the Middle inspiriert, in dem es um Wörter ging, die auf -ber enden.
Ich habe daran nicht teilgenommen, weil ich mich nicht imstande fühlte, für meinen englischen und meinen deutschen Blog nach zehn Wörtern zu suchen, denn die konnten natürlich nicht dieselben sein, ausgenommen die letzten vier Monate des Jahres.
Das wurde mir allerdings erst klar, als ich schon angefangen hatte, nach Worten mit -ber zu suchen und dabei eine Liste mit englischen und deutschen Wörtern erhielt, die mir völlig neu waren.

Bild von pxhere

"Reihenschieber"
Ein Verschlüsselungssystem für die Westentasche, 1957 entwickelt und bis in die frühen 60er von der deutschen Bundeswehr benutzt, um wichtige Nachrichten zu verschlüsseln

"Schlammfieber" 
Ein anderer Name für Leptospirose, eine bakterielle Infektionskrankheit, die oft von Nagetieren verbreitet wird (daher auch einer der englischen Namen "rat fever")

"Hellschreiber", auch "Typenbildfeldfernschreiber" genannt (das wäre doch was für's Galgenraten 
😄)
Ein faksimilebasierte Fernschreibgerät, das 1929 von einem Hern Hell patentiert wurde.

Hellschreiber in
Bletchley Park,
gemeinfrei über
Wikimedia Commons

Ich bezweifle, daß mir irgendjemand abgenommen hätte, daß diese zu meinen zehn Lieblingswörtern mit -ber gehören.

Ich habe außerdem ein paar coole Namen von Dörfern in Schottland und Wales gelernt (und werde sie sicherlich sofort wieder vergessen) - Ballintubber, Knockentiber, und mein Favorit, Penrhiwceiber. Ratet mal, welches in Wales liegt.

Habt ihr schon jemals "bonnyclabber" gegessen? Das Free Dictionary sagt mir, daß das einfach sauer gewordene Milch sein kann, aber auch "dicke, saure Milch, die mit Sahne und Zucker, Honig oder Melasse gegessen wird. Meine Mutter aß früher gern Dickmilch. Ich hatte seit Ewigkeiten keine, werde mir aber wohl welche besorgen müssen, nur damit ich sagen kann, daß ich "bonnyclabber" hatte, was sich soviel netter anhört als einfach nur Dickmilch.


Bild von pxhere

Falls ihr euch fragt, um was es in diesem Post eigentlich geht, außer daß er ein Beweis für mein "Springspinnengehirn" ist, es geht um Wörter und Sprache.
Sind Wörter nicht faszinierend? Wie sie einem von der Zunge rollen, wie sie einem die Zunge verbiegen, wie ein einziges Wort Erinnerungen, Emotionen, Gerüche, Bilder heraufbeschwören kann? Wo sie herkommen?
Oder wie ist es, wenn man ein kurzes, wirklich vertrautes Wort aufschreibt und dann eine Weile anschaut? Habt ihr jemals das Gefühl gehabt, daß es plötzlich sehr seltsam aussah, und ihr euch gefragt habt, wie da jemand drauf gekommen ist?
Oder habt ihr schon mal ein Wort laut ausgesprochen und euch gefragt, ob das so überhaupt stimmt, weil es sich auf einmal komisch angehört hat (was meiner Schwester zufällig gerade da in einem Telefonanruf passiert ist, als ich an diesem Punkt in meinem Post war)?

Das ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum ich den Katzen gern vorlese und das lieber auf Englisch statt dem vertrauten Deutsch, um neue Wörter auszukosten oder manchmal lerne, Wörter, die ich bereits kenne, auszusprechen, weil ich vorher, als ich sie nur gelesen habe, nie darüber nachgedacht habe.

Neulich entdeckte ich durch Zufall, daß ich bei den englischen E-Books, die ich auf Overdrive lese (andere Apps haben das wahrscheinlich auch), Definitionen aufrufen kann, indem ich ein Wort markiere, was zum Beispiel bei Slangausdrücken interessant sein kann.
Ich kann mich auch in etymologischen Erklärungen in Wörterbüchern verlieren. Oh Mann, überall diese Kaninchenlöcher!

Ich möchte mich schon mal im voraus entschuldigen, denn ich fürchte, das wird wohl eine neue Kategorie auf meinem Blog, und ich werde ab und zu mit neuen Wörtern auftauchen. Englisch oder Deutsch.
(Vielleicht solltet ihr ja Marsha die Schuld dafür geben, daß ich diese Idee überhaupt bekommen habe 
🤪)

Donnerstag, 11. September 2025

Stummfilme - Der Mann, der lacht

Heute habe ich euch einen weiteren Film des deutschen expressionistischen Filmemachers Paul Leni (der letzte war "Das Wachsfigurenkabinett") mitgebracht - "Der Mann, der lacht" von 1928, der auf Victor Hugos Roman mit demselben Titel (L'homme qui rit) basiert.

Filmposter,
Public Domain über
Wikimedia Commons

Die Geschichte beginnt grausig, nur um euch vorzubereiten, aber tatsächlich ist das nicht wirklich ein Horrorfilm, auch wenn das ein Publicitybild ist. Ihr werdet sehen warum.

Erinnert er euch an jemanden?

Hier ist die Handlung mit Spoilern, tut mir leid, sie ist recht kompliziert, der Film ist fast zwei Stunden lang.

England, 17. Jahrhundert.
Bevor Lord Clancharlie, ein Adliger im Exil, auf Befehl von King James II. hingerichtet wird, informieren er und sein Hofnarr Barkilphedro ihn, daß sein kleiner Sohn, wegen dem er zurückgekommen ist, vom Comprachico-Chirurgen Hardquannon entstellt wurde, indem er ihm ein Grinsen ins Gesicht geschnitten hat. (Comprachicos, ein Begriff, der von Hugo geprägt wurde, wahrscheinlich sollen es Romani sein, wurde nachgesagt (die Betonung liegt auf "nachgesagt", wir wissen ja heute noch, wie sich solche Gerüchte verbreiten), daß sie Kinder verkrüppelten und entstellten, um sie dann in Freakshows, auf Jahrmärkten oder sogar an Höfen auftreten zu lassen, und ja, falls ihr an den Joker aus den DC-Comics erinnert wurdet, dieser Film
war die Inspiration dafür.) Sein Besitz fällt an die Herzogin Josiana.
Als der König die Comprachicos später verbannt, lassen sie den Jungen Gwynplaine zurück. Als er sich seinen Weg durch einen Schneesturm kämpft, trifft er auf eine tote Mutter, die ein Baby hält, und rettet das Mädchen. Ursus, ein Philosoph und Schausteller, der mit seinem Wolf Homo zusammenlebt, nimmt sie beide auf und bemerkt, daß das Baby blind ist. Er nennt sie Dea.

Jahre später reisen sie zusammen und Gwynplaine, "Der lachende Mann" genannt, und Dea treten in Stücken auf, die Ursus schreibt. Gwynplaine ist in Dea verliebt, fühlt sich ihrer Liebe aber unwürdig. Die meiste Zeit versteckt er seinen Mund unter einem Schal, seinem Mantel oder seiner Hand, selbst ihr gegenüber.


 
Hardquanonne ist nach England zurückgekommen und erkennt Gwynplaine auf dem Jahrmarkt. Er schickt Josiana einen Brief, um ihr mitzuteilen, daß er den rechtmäßigen Erben ihres Besitzes gesehen hat und für sein Schweigen bezahlt werden will. Barkilphedro, der nun Agent am Hofe ist, bekommt den Brief in die Finger und leitet ihn an Queen Anne weiter, die Josianas respektloses Betragen ihr gegenüber nicht schätzt.

In der Zwischenzeit hat Josiana Gwynplaine auf dem Jahrmarkt gesehen und lädt ihn mit der Absicht, ihn zu verführen, zu sich ein, obwohl sie verlobt ist. Gwyplaine geht hin, nur um zu sehen, ob eine sehende Frau tatsächlich von ihm angezogen sein könnte, was dann bedeuten würde, daß er auch Deas Liebe würdig sein könnte.
Josianas Annäherungsversuche werden unterbrochen, als sie ein Dekret der Königin erhält, in dem steht, daß Gwynplaine der rechtmäßige Lord Clancharlie ist und sie ihn wegen des Besitzes heiraten muß. Sie bricht in hysterisches Gelächter aus und Gwynplain, der denkt, daß sie ihn auslacht, läuft zutiefst verletzt davon.


Als er zu Dea zurückkommt, läßt er sie das allererste Mal sein Lächeln ertasten. Sie akzeptiert ihn so wie er ist und er ist endlich glücklich.
Gerade da wird er verhaftet und ins Gefängnis gebrahct. Ursus folgt den Wachen und als ein Sarg herausgebracht wird - es ist der von Hardquanonne, der ebenfalls verhaftet worden war - denkt er, daß Gwynplaine tot ist.
Barkilphedro bestätigt dies, als er Ursus mitteilt, daß er uns seine Truppe aus dem Land verbannt sind.
In Wirklichkeit ist Gwynplaine frei und wird zum Oberhaus gebracht, um ein Peer zu werden. Die Lords sind empört über den Clown, von dem sie glauben, daß er die Königin und sie auslacht. Als sie aber sein Gesicht sehen, lachen sie ihn alles aus, und er verweigert die Heirat mit Josiana und entkommt.
Als er von der Verbannung von Ursus und Dea hört, folgt er ihnen zu den Docks, von Barkilphedros Männern verfolgt, mit der Hilfe der Dorfbewohner gelingt es ihm jedoch, die Docks zu erreichen, die das Schiff bereits verlassen hat. Homo hört jedoch seine Schreie, die Dea gelten, springt vom Schiff und zerfleischt Barkilphedro, gerade als er versucht hat, Gwynplaine anzugreifen.
Gwynplaine und Homo schwimmen zum Schiff und werden an Bord gezogen. Glücklich mit Ursus und Dea wiedervereint segeln sie davon.


Zunächst mal, ich habe das Buch nicht gelesen und werde es auch nicht tun. Es hat kein Happy End und ich war so froh, daß der Film eins hatte, weil ich wirklich mit Gwynplaine mitfühlte.

Ich habe Conrad Veidt schon zuvor erwähnt, er war der Schlafwandler Cesare in "Das Cabinet des Dr. Caligari" und Ivan der Schreckliche in "Das Wachsfigurenkabinett" und übrigens auch Lord Clancharlie in diesem Film.
Um das Grinsen zu erzeugen mußte Veidt einen Einsatz tragen, bei dem seine Mundwinkel durch Haken zurückgezogen wurden, um die übergroßen Zähne zu entblößen. Es muß extrem unbequem gewesen sein und hinderte ihn am Sprechen. Er mußte seine Emotionen mit dem Rest seines Gesichts darstellen, da er seinen Mund nicht bewegen konnte, und oh Mann, das hat er getan.
Ich hatte Veidts Blick schon im Post über "Das Wachsfigurenkabinett" erwähnt, er hatte tolle Augen und auch hier wirkten sie auf mich. Man konnt wirklich den Schmerz fühlen, den Gwynplaine durchlebte.
Ursprünglich war die Rolle nach seinen Filmen "Der Glöckner von Notre Dame" und "Das Phantom der Oper" für Lon Chaney gedacht, aber er hatte das Studio verlassen, also ging sie stattdessen an Veidt.

Im Gegensatz zu Chaneys Filmen war "Der Mann, der lacht" kein Erfolg an der Kinokasse. Kritiker fanden ihn zu grausam und das Publikum schloß sich an. Nehmt aber das Grinsen weg, dann ist der Film wirklich kein Horror, er ist, wie Roger Ebert so passend sagt, "ein Melodram, manchmal sogar ein Mantel-und-Degen-Film, der aber so in expressionistischer Schwermut schwelgt, daß er wie ein Horrorfilm wirkt".
Ich fand, es ging einfach um einen Mann, der sich nach Liebe und Akzeptanz trotz seines Aussehens sehnt.

Mary Philbin als Dea hat mich nicht so besonders beeindruckt, natürlich war ihre Rolle aber eingeschränkt. Es war jedoch das erste Mal, daß ich sie gesehen habe.
Die andere Frau aber - Duchess Josiana -, ernsthaft, ich fand sie von Anfang an total gruselig und ich könnte euch nicht mal sagen warum. Es war nicht die Rolle des verführerischen Vamps, es war nicht mal die perverse Art und Weise, in der sie Gwynplaines Grinsen zu einem Fetisch zu machen scheint, was ihn offensichtlich erschreckt und verletzt. Irgendetwas war einfach komisch an ihr.


Der ränkeschmiedende Barkilphedro war mir auch gruselig, aber auf andere Art. Er gibt einen sehr guten und zutiefst abscheulichen Bösewicht ab und es ist durchaus möglich, daß ich laut "Ja!" gerufen habe, als ihn Homo am Schluß erwischt.


Ich fand sowieso, daß Homo ganz klar der Held des Films war.
Ich hielt den Film sogar an, um "Does the dog die?" zu checken, weil ich Barkilphedro durchaus zutraute, irgendetwas Böses in der Hinsicht zu tun. Es war wirklich recht befriedigend, daß es andersherum ausging.

Ursus neigt den ganzen Film über dazu,
den Blick mit den weit aufgerissenen Augen zu übertreiben,
er ist höchst dramatisch.

Die einzige Beschwerde, die ich über den Film habe, der mir besser gefallen hat, als ich erwartet hätte - ich wußte echt nicht, daß es kein Horror war, was nicht mein Lieblingsgenre ist - ist, daß er etwas kürzer hätte sein können, ohne daß er dabei etwas verloren hätte.
Oh, okay, und Gwynplaine's Frisur war hinten sehr seltsam, das lenkte mich in manchen Szenen ein wenig ab.
Definitiv eine Empfehlung von mir.


Ausgewählte Quellen (englischsprachig):

1. Roger Ebert: The Man Who Laughs. Auf: RogerEbert.com, 18. Januar 2004
2. Matthew Beck: The Man Who Laughs (1928). Auf: The Movie Screen Scene, 1. Mai 2020


Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.

Montag, 8. September 2025

Nostalgie - Wie Spielzeuge wirklich werden

Vor ein paar Wochen habe ich zum ersten Mal "The Velveteen Rabbit or How Toys Become Real" (im Deutschen "Das Samtkaninchen") gelesen. Hier in Deutschland ist das Buch kein Kinderklassiker, aber ich habe es immer wieder erwähnt gesehen und dachte, es wäre jetzt doch mal Zeit, es zu lesen.
Wenn ihr es nicht kennt, hier ist die Handlung.

Kein Samt-, sondern ein Kunstseidenplüschkaninchen
von Steiff aus den 1940ern (nicht komplett, 
aber in wunderbarem Zustand)

Es gibt verschiedene Arten von Sammlern.
Beim Sammeln kann es um die Vielfalt von Stücken gehen, ein gemeinsames Detail, um den finanziellen oder den emotionalen Wert, um das perfekte oder nicht perfekte Aussehen, um Farbe, um Gebrauch, um Seltenheit, um Geschichte, um Sentimentalität ... ich könnte so weitermachen.

Als Sammlerin von Steifftieren kann ich sagen, daß ein unbespieltes vintage Steifftier, möglicherweise sogar komplett mit Knopf, Schild und Fahne, die ja von Kinderhänden leicht abgerissen werden (keine Sicherheitsknöpfe damals), etwas ganz Besonderes hat. Ich frage mich immer wieder, wie das überhaupt sein kann. Hat es die letzten 50, 70, 100 Jahre oder mehr in einem Schrank verbracht, unberührt? Hat es in einer Blase gelebt (ich verwende absichtlich das Wort "gelebt", ihr werdet sehen warum)?

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, daß ich nicht weiß, wie atemberaubend ein altes "neues" Steifftier sein kann. Es gibt Sammler, die nur nach solchen suchen, und sie sind bereit, den Preis für die (oft) wenigen Auserwählten zu bezahlen.

Und dann gibt es noch die anderen.
Ich werde niemals den Flohmarkt vergessen, auf dem ich diesen kleinen Kerl fand. Ich lief hinüber zum Ex, um ihn an den Stand zu zerren und ihm mitzuteilen, daß ich mich verliebt hatte.


Nun versteht ihr ja vielleicht nicht, wie sich jemand in das offensichtliche Opfer eines Mottenangriffs verlieben kann, das auch noch schaukelige Gliedmaßen hat.
Vielleicht denkt ihr sogar, daß das ein bißchen eklig oder verstörend ist.
Ich aber sah einen 80 Jahre alten Freund (inzwischen über 100).

Ein Kind liebte ihn so sehr, daß er immer noch da war, obwohl er fast sein ganzes Fell verloren hatte, liebte ihn so sehr, daß sich jemand die Mühe machte, diesem kleinen Kerl neue Pfoten aus weißem Leder (inzwischen auch abgewetzt) zu geben, sehr sorgfältig und sicher aufgenäht.
Ich erinnere mich, wie nervös ich als Kind war, als mein eigener Teddy Löcher in seinem Pfotenfilz hatte, und ich meiner Mutter dabei zusah, wie sie neue Pfoten aus Stoff aufnähte.

Das Kind gibt es wahrscheinlich nicht mehr, ihn aber schon, und oh die Geschichten, die er erzählen könnte! Vielleicht war er wie mein Teddy und sah zu, wie sein Kind erwachsen und alt wurde, bevor er auf einem Flohmarkt in Marin County landete, nur um dort von einem Paar Deutschen gefunden zu werden, die ihn zurückbrachten, nur 60 km von dort entfernt, wo er einst herkam.

Dem Samtkaninchen wird gesagt: "Wirklich ist nicht, wie du gemacht bist ... Es ist etwas, das dir passiert. Wenn dich ein Kind lange, lange Zeit liebt, nicht nur zum Spielen, sondern dich WIRKLICH liebt, dann wirst du Wirklich." ...
"Im allgemeinen ist fast all dein Haar abgeliebt, wenn du Wirklich bist, und deine Augen fallen aus und du wirst locker in den Gelenken und sehr schäbig. Aber diese Dinge machen überhaupt nichts aus, denn wenn du Wirklich bist, kannst du nicht häßlich sein, außer für Menschen, die es nicht verstehen."
(eigene Übersetzung, ich habe das deutsche Buch nicht)
Spoileralarm: Die Spielzimmerzauberfee macht ihn Wirklich, ein echtes kleines Kaninchen.

Ich habe keinerlei Zweifel, daß dieser Teddy für sein Kind Wirklich wurde, so wie das Samtkaninchen für seinen Jungen, weil er geliebt wurde (auch wenn er seine Schuhknopfaugen noch hat). Vielleicht wartet er noch auf seine Fee und ich gebe ihm gern den Platz bei anderen Teddyfreunden, um das zu tun.

Denn das ist die Art Sammler, die wir waren, und es gibt auch andere wie uns. Sie lieben nicht nur die perfekten, sie lieben die geliebten, die, mit denen gespielt wurde, die mit "Makeln", von denen wir wünschten, sie könnten uns ihre Geschichten erzählen, alle, nicht nur die guten ...

Ich sag' nur.
Einer wie der andere hat seine eigene Schönheit.


Samstag, 6. September 2025

Einfach nur so Samstag - Wasser

"Kannst du bitte einfach mal unser Mineralwasser probieren?" "Warum kann ich nicht nur Leitungswasser bekommen?" "Das gibt es hier in Restaurants nicht so wirklich. Sie machen ihr Geld gewöhnlich mit den Getränken und das bedeutet, daß sie nicht darauf vorbereitet sind, daß Leute nach kostenlosem Leitungswasser fragen. Ich bin ehrlich, es ist mir etwas peinlich zu fragen. Sie haben stilles Mineralwasser. Könntest du das nicht probieren?" "Ich hätte lieber Leitungswasser."
Es war eine regelmäßige Diskussion mit meiner Freundin aus den USA, als sie vor vielen Jahren das erste Mal hier nach Deutschland kam. Warum wollte sie nichts Neues probieren?
Wir bekamen komische Blicke, aber nicht immer Leitungswasser.

Bild von pxhere

So wie ich darüber überrascht war, daß ich Eiswasser zu jedem Essen angeboten bekam, als ich die USA zum ersten Mal in den frühen 90ern besuchte, konnte meine Freundin einfach nicht begreifen, daß wir eben kein Leitungswasser in Restaurants hatten - und immer noch nicht so wirklich haben.
Tatsächlich tranken hier damals überhaupt nicht soviele Leute Leitungswasser. Wir hatten amerikanische Kühlschränke mit Wasser- und Eiswürfelspendern gesehen, aber das war etwas sehr Exotisches für uns, man bekam sie hier nicht so leicht zu dieser Zeit. Als ich das erste Mal bei meiner US-Freundin im Haus war, spielte ich mit dem Wasserspender wie ein kleines Kind.

Esme und ich liebten Eiswürfel (tu ich immer noch),
sie von außen und ich im Glas

Das meinte ich mit "von außen",
sie leckte gern das Kondenswasser ab
 
Deutsche haben ihr Wasser schon immer geliebt, aber das bedeutete Mineralwasser. Wir haben eine Menge Mineralwässer, deutsche und importierte, die meisten in Plastikflaschen, aber auch immer noch welche in Glasflaschen (die mir lieber sind), mit Kohlensäure - medium ist am beliebtesten vor dem klassischen - oder still, was (anders als in anderen Ländern) an dritter Stelle kommt.

Kein maschinenlesbarer Autor angegeben.
Wahrscheinlich Rainer Zenz
(den Copyright-Angaben nach)
 CC BY-SA 3.0, über Wikimedia Commons


Dies ist übrigens die "Perlenflasche", ein Design von Günter Kupetz, produziert seit 1969 - 5 Milliarden Mal! Dies ist nur ein Spitzname, der offizielle Name ist so richtig deutsch, "Normbrunnenflasche" oder "Brunneneinheitsflasche".
Als Perlenfädlerin kann ich diesen Spitznamen ja nur lieben, der von den 230 Glasnoppen inspiriert ist, die nicht nur die Bläschen im Wasser nachahmt, sondern auch in Kombination mit der Einschnürung in der Mitte für mehr Griffsicherheit sorgt. Es funktioniert. Ich mag mein Wasser gern kalt und ich hatte glatte Flaschen, die mir dank Kondenswasser fast aus der Hand rutschen.
Die Flasche hat Designpreise gewonnen und ist so beliebt, daß sie sogar in Plastik reproduziert wurde.

Tatsächlich hat meine eigene Stadt mehrere kostenlose Abfüllstationen für unser örtliches sogenanntes "Sauerwasser", welches eine wichtige Rolle in unserer Geschichte gespielt hat, und bis vor ein paar Jahren konnte man es als Sprudel in Flaschen kaufen, bevor die Abfüllanlage dichtmachte.
Zwei dieser Stationen sind außerhalb unseres örtlichen Freibads und für uns Kinder war es völlig normal hinauszugehen, wenn wir im Bad waren, und schnell einen Schluck zu trinken, weil wir uns nicht leisten konnten, etwas zu kaufen. Im Laufe der Jahre wurden mancher dieser Stationen zeitweilig geschlossen und wieder geöffnet, ich muß gestehen, ich habe keine Ahnung, wie die Lage derzeit ist.
Eine davon ist das Brunnenhäusle in meiner Gegend. An jeder Ecke ist ein Wasserhahn und das Häuschen selber ist ein Kiosk, an dem man Eis und Getränke bekommen kann. Es ist wirklich nett, da draußen zu sitzen.


Viele Familien sparten Geld, indem sie ihre Flaschen an diesen Stationen auffüllten. Natürlich war das Sauerwasser nicht enteisent, was bedeutete, daß die Flaschen, die immer wieder verwendet wurden, irgendwann innen bräunlich aussahen, egal wie sehr man versuchte, sie sauberzuhalten, und es hatte natürlich keine Kohlensäure, es schmeckte also schon lasch, wenn es nicht kalt war. Damals waren stille Wässer nicht beliebt.Die erste urkundliche Nennung des Badhauses ist von 1404. In der Mitte des 16. Jahrhunderts kam Herzog Christoph von Württemberg oft wegen des Wassers und zum Baden. Andere Prominenz folgte, aber nach dem Dreißigjährigen Krieg nahm das Interesse ab. 1839 kauften zwei Ärzte das Badhaus und das Land drumherum und eröffneten ein Krankenhaus, das es heute noch gibt.

Ich muß allerdings zugeben, daß mir die kohlensäurehaltige Version unseres Mineralwasser immer einen Tick zu salzig war.
Geschmack ist für uns beim Wasser wirklich wichtig. Wir Deutschen können nicht einfach jedes Wasser trinken und mögen es - es sei denn, wir sind sehr durstig und selbst dann besteht noch die Chance, daß wir uns wegen des Geschmacks beschweren.
Wasser kann abhängig von den enthaltenen Mineralien unterschiedlich schmecken, Kalzium, Natrium, Sulfat, Magnesium usw.
Wasser kann seinen Geschmack auch ändern. Es kann vorkommen, daß man sich an ein Mineralwasser gewöhnt hat und auf einmal schmeckt es einem nicht mehr. Das ist mir mit meinem letzten so gegangen (und dazu haben sie auch noch von der Perlenflasche zu einer glatten Flasche gewechselt!), und da ich mir das, das ich mag, nicht liefern lassen kann, habe ich zu Leitungswasser gewechselt. Das war keine leichte Entscheidung für mich. Das Leitungswasser in meiner Region ist ziemlich hart und ich mußte mich erst dran gewöhnen. Manche Leute benutzen Filter, das habe ich auch eine Weile gemacht, aber dann festgestellt, daß es für mich keine Unterschied macht, sondern nur Aufwand und daß ich mir das Geld sparen kann.
Eine Menge Leute trinken hier jetzt Leitungswasser. Nicht nur wird oft gesagt, daß es unser am besten kontrolliertes Lebensmittel ist, es ist auch günstiger als Wasser in Flasche und verfügbar, ohne daß man zum Laden gehen muß. Für die, die stilles Wasser nicht mögen - dazu habe ich auch ich einmal gehört - gibt es Wassersprudler, mit denen man seinen persönlichen Sprudelgrad bestimmen kann.
Meine Stadt und andere haben Projekte laufen, um für Leitungswasser zu werben, indem sie zum Beispiel Abfüllstationen in der Innenstadt errichten oder Geschäfte dazu ermuntern, kostenlose Füllungen anzubieten.

Also ja, das heißt dann ja wohl, daß man in deutschen Restaurants jetzt Leitungswasser bekommt, richtig?
Ja und nein.
In der Trinkwasserverordnung der EU wird empfohlen, den Zugang zum Wasser zu verbessern, "indem die kostenlose Bereitstellung von Wasser für den menschlichen Gebrauch in öffentlichen Verwaltungen und öffentlichen Gebäuden oder - kostenlos oder gegen eine geringe Dienstleistungsgebühr - für Kunden von Restaurants, Kantinen und Verpflegungsdiensten gefördert wird."
Das heißt, man kann fragen, aber es besteht die Möglichkeit, daß man entweder gar keins bekommt oder daß es kostet - und der Betreiber entscheidet wieviel.
Einer Umfrage in Deutschland, Österreich und der Schweiz zufolge, fragen Deutsche immer noch nicht gern im Restaurant nach Leitungswasser.
Ich schätze, die Gründe sind, daß sich die Leute entweder etwas gönnen möchten, wenn sie schon ausgehen, daß sie denken, die Preise für Leitungswasser sind zu hoch - wir haben alle die eine oder andere Geschichte gehört - oder daß sie einfach nicht daran gewöhnt sind, auch nur daran zu denken, daß sie fragen könnten.

Übrigens, Wasser in Restaurants ... wußtet ihr, daß es Wassersommeliers gibt, ungefähr 500 weltweit? Sie arbeiten oft im Hotel- und Gaststättenbereich und empfehlen das richtige Wasser zu bestimmten Speisen oder bieten Wasserverkostungen an.
Es gibt nur wenige Schulen, die diese Ausbildung anbieten.

Habt ihr sschon genug von Wasser? 
🙃 Keine Sorge, ich lasse euch jetzt gehen. Danke, falls ihr es bis hierher geschafft habt!


Quellen:

1. Sabine Riker: Das Wasser, das Göppingen berühmt machte. In: Stuttgarter Zeitung, 15. August 2019
2. 
David Hahn: Darf Leitungswasser etwas kosten? Auf: Südwest Presse, 6. Dezember 2024
3. Olivia Logan: Wie viele Menschen trauen sich in Deutschland, Leitungswasser zu bestellen? Auf: I Am Expat, 13. Juni 2025 (automatische Google-Übersetzung!)
4. Richtlinie (EU) 2020/2184 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch

Donnerstag, 4. September 2025

Stummfilme - Mum's the Word

Nachdem mich der Post letzte Woche einige Zeit für Recherche gekostet hat, habe ich beschlossen, es mir heute einfacher zu machen und euch noch eine kurze Komödie vorzustellen. Es ist "Mum's the Word" von 1926.


Die Handlung erklärt den englischen Titel, eine deutsche Version gibt es nicht (Spoiler voraus).
Wikipedia zufolge ist "mum" ein Wort aus dem Mittelenglischen, das "stumm" bedeutet. In diese,m Fall geht es um eine verwitwete "Mum", also Mutter, die ihrem neuen Ehemann ihren Sohn verschwiegen hat.

Leider ist dieser auf dem Weg, um ihr einen Überraschungsbesuch abzustatten.
Im Schlafwagen versucht ein Dieb, die Tasche einer jungen Frau zu stehlen, während sie schläft. Sie jagt ihn davon, zieht dann eine kleine Pistole aus der Tasche, schießt und trifft den Sohn, der in der Schlafstelle auf der anderen Seite des Gangs ist, in den Hintern. Als er sie sieht, ist er von ihrer Schönheit hin und weg.

Als er im Haus seiner Mutter ankommt, erzählt sie ihrem eifersüchtigen Ehemann, daß das sein neuer Kammerdiener ist. In der Küche trifft er das Hausmädchen, Überraschung, es ist das Mädchen aus dem Zug.
Natürlich versucht er, sich mit seiner Mutter in ihrem Zimmer zu treffen, aber der Ehemann ist mißtrauisch. Doch halt mal, warum versucht das Hausmädchen denn, sich in das Zimmer des Ehemanns zu schleichen? (Das hat man von getrennten Schlafzimmern.) Nicht schwer zu erraten, ich weiß. Auch er hat ein Geheimnis, das "Hausmädchen" ist seine Tochter.

Mir gefiel die Geschichte, zum Beispiel wie der Ehemann "seinem neuen Kammerdiener" aufträgt, seine Schuhe zu putzen und ihn dann zu rasieren.
Die Schuhe wandern von einer Person zur anderen, sogar während der Rasur.


Kein Wunder, daß die Rasur schiefläuft, wenn jemand die ganze Zeit am Fuß zerrt, um einen Schuh ab- und einen anderen anzuziehen, und zum Schluß hat der Ehemann nur noch einen halben Schnurrbart, was ihm seinen "Kammerdiener" nicht sympathischer macht.


"Einbruch der Dunkelheit -- Jeder hat einen wachsenden Verdacht, daß jeder andere den Verdacht hat, daß etwas Verdächtiges passiert -"

Jetzt ist ein reger Verkehr aus und in Zimmer im Gange, als die Kinder versuchen, zu ihren Eltern zu kommen (das fließende Negligée der Mutter ist übrigens wunderschön und das Outfit der Tochter sehr interessant) und jeder versucht, unauffällig zu sein, was irgendwie schwierig ist, als sie schließlich alle im Flur aufeinandertreffen, aber natürlich klärt sich zum Schluß alles auf.


24 Minuten können einem nicht sehr viel Handlung bieten, aber ich hatte echt Spaß und fand, daß vor allem der Sohn und die Tochter in ihren Szenen zusammen sehr gutes komödiantisches Timing zeigten.

Ich hatte vorher noch nie von Charley Chase gehört, der sehr viele Kurzfilme machte und in der Stummfilmindustrie auch respektiert war, aber nie wie Keaton, Chaplin und Lloyd ganz nach oben kam.
Nachdem ich aber diesen Short gesehen habe, der von manchen noch nicht mal als einer von seinen besten angesehen wird, denke ich, ich werde mir wohl noch mehr von seinen Filmen anschauen müssen.


Quelle (englischsprachig):

Fritzi Kramer: Mum's the Word (1926) - A silent film review. Auf: Movies Silently, 29. April 2018


Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.

Dienstag, 2. September 2025

Bücher nochmal lesen

Sieht dieses Buch für euch gebraucht aus?
Mehr mißbraucht, findet ihr? Ihr habt sowas von recht und ich werde nicht mal das Innere mit den Zeichnungen zeigen ... ich fürchte, daß ich da sehr zu beigetragen habe, aber zu meiner Verteidigung, dem Stil der Zeichnungen nach sind sie aus der Zeit, bevor ich in die Schule kam. Ich lernte schnell, meine Bücher besser zu behandeln.


Dies ist unser Familienexemplar (der einzige Grund, warum das Buch noch da ist). Es wird euch nicht überraschen zu hören, daß meine Lieblingsgeschichte immer "Die Katze, die ihre eigenen Wege ging" (im Deutschen gibt es verschiedene Titel dafür) war, ich liebe sie so sehr, daß wir sie in einem Jahr sogar als Ausdruck den Weihnachtsgeschenken für unsere Tierarztpraxis beilegten.
Ich schweife total ab, sorry.

Kürzlich schrieb eine andere Bloggerin, daß sie Bücher nicht oft nochmal liest. Wenn ich so darüber nachdenke, verstehe ich das auch, schließlich gibt es so viele Bücher da draußen, neue Welten, neue Charaktere, neue Autoren und Autorinnen, neue Schreibstile, und so wenig Zeit, aber ich glaube, ich habe das noch nie vorher mit jemandem diskutiert oder mich auch nur gefragt, warum ich selber "wiederlese".

Ich könnte euch nicht sagen, wie oft ich "Das kommt davon" während meines Lebens gelesen habe, nicht immer alle Geschichten, aber wenigstens meine liebsten. Tatsächlich gibt es eine Menge Bücher, die ich ein, zwei, zehn Mal oder mehr gelesen habe.
Manche haben einen Plan dafür, wann sie bestimmte Bücher wiederlesen. Ich habe das nur für die Weihnachtszeit, übrigens sowohl für das Wiederlesen als auch das Wiederanschauen, ja sogar das Wiederspielen. Weihnachten fehlt etwas, wenn ich nicht zumindest "Wintersonnenwende" gelesen, "Jede Frau braucht einen Engel" und "Fröhliche Weihnachten, Charlie Brown" gesehen und "Jewel Match Winter Wonderland 2" gespielt habe.

Dieses Buch hat sein Cover ursprünglich nicht
durch langen Gebrauch verloren, sondern
durch einen Unfall. Nicht daß ihr
denkt, ich behandle all meine Bücher so!

Warum aber lese ich Bücher nochmal? Und was sind die Vor- und Nachteile?
Ich sollte noch erwähnen, daß sich dieser Post nur auf Privatlektüre bezieht und es nicht um Lernmethoden geht. Natürlich schließt er trotzdem Fiktion und Sachbücher ein, für die Gründe, sie nochmal zu lesen, unterschiedlich sein können, aber nicht müssen.
Außerdem werde ich am Ende ein paar (englische) Artikellinks anhängen, der Post selbst wird jedoch nur meine persönlichen Gründe in willkürlicher Reihenfolge auflisten.

1. Wenn ich ein Buch liebe, möchte ich das Gefühl heraufbeschwören, das ich hatte, als ich es das erste Mal gelesen habe. Ah! Ich höre euch fragen, ob das nicht gefährlich sein kann. Ihr habt natürlich recht, das kann es.
Es kann schrecklich sein, wenn ein Buch mit der Zeit seine Magie verliert, zum Beispiel geliebte Kinderbücher. 
Andererseits ist es absolut wundervoll, wenn mein inneres Kind die Magie immer noch spürt und mich zurückversetzt. Die Magie mag ja nicht so stark sein - es ist eine ganze Weile her, daß ich mir ein lebendiges Kasperle gewünscht habe 😉 -, aber für mich kann schon die Erinnerung an eine gute Zeit ausreichen.


Wenn ich aber schockiert bin, weil ein Buch für mich so gar nicht gut gealtert ist - und das kann alle möglichen Gründe haben von einem schlechten Schreibstil bis zu einer schrecklichen Handlung, aber auch Frauenfeindlichkeit, Rassismus usw. (die Kinderbücher waren ja nur ein Beispiel) - heißt das dann nicht einfach ...

2. daß ich inzwischen dazugelernt habe? Reifer geworden bin? Mein kritisches Denken fortentwickelt habe?
Vielleicht hat sich aber auch nur mein Geschmack verändert. Als Kind haßte ich Rosenkohl und liebte Chinakohl, nun liebe ich den Rosenkohl und bin kein Fan mehr von Chinakohl.
Ich kann bestimmen, ob meine Freude an einem Buch komplett verschwunden ist und nur getrübt ist.
Ich hatte nie vor der Möglichkeit Angst, ein Buch nicht mehr zu mögen, aber ich verstehe vollkommen, wenn jemand nicht das Risiko eingehen möchte, eine gute Erinnerung zu verderben.

3. Ich finde jedes Mal, wenn ich ein Pratchett-Buch nochmal lese, etwas, das ich vergessen oder vielleicht gar nie erst bemerkt hatte. Ich bin eine schnelle Leserin und bin mir sicher, daß ich hier und da Details übersehe.
Natürlich gilt das auch für andere Bücher.
Oder vielleicht verstehe ich plötzlich einen Witz, ein Zitat oder ein Wortspiel, weil ich seit dem letzten Mal etwas gelernt oder erfahren habe, was mir jetzt ermöglicht, das zu verstehen. Ich liebe diese "ooooooh"-Momente. Ich lese auf Deutsch und Englisch und natürlich verstehe ich nicht unbedingt alle englischen Wortspiele oder Anspielungen auf bestimmte Dinge, und natürlich kann ich sie auch nicht nachschlagen, wenn ich sie in diesem Moment gar nicht erst erkenne.
Es kann auch sein, daß ich das Buch beim ersten Mal anders gelesen habe, weil ich mental anders drauf war und deshalb dann beim Wiederlesen Dinge bemerke, die ich vorher nicht sehen konnte.

Die deutsche Ausgabe von "Witches Abroad"
- "Total Verhext" - war der allererste
Scheibenwelt-Roman, den ich gelesen habe, ein
Spontankauf im alten Buchladen im Bahnhof.
Pratchett hatte mich schon nach ein paar Sätzen.

4. Ich habe zuweilen ein sehr selektives Gedächtnis. Es gibt Bücher, an die ich mich sehr gut erinnern kann, und es gibt Bücher, von denen ich schwören würde, sie nie gelesen zu haben.
Darum hasse ich es, wenn Bücher unter verschiedenen Titeln veröffentlicht werden. Manche der Vintage-Krimis, die ich gerade lese, haben solche für verschiedene deutsche Ausgaben, aber sogar manche der englischen Originale wurden im Vereinigten Königreich und in den USA nicht unter demselben Titel verlegt.
Also ja, es ist mir schon passiert, daß ich Bücher doppelt gekauft habe und dann beim Lesen des zweiten Buchs ein Déja Vu hatte, kein Wunder, weil ich es ja schon kannte, das aber von der Kurzbeschreibung her nicht erkennen konnte.
Jetzt prüfe ich das bei alten Büchern vorher.
Auf jeden Fall könnt ihr mich fragen, wer der Mörder ist, und es ist möglich, daß ich euch das nicht mehr sagen kann, wenn es lang genug her ist.
Selbst wenn ich aber den Mörder kenne, genieße ich vielleicht einfach die Geschichte, wie er geschnappt wird.

5. Ich lese gern Reihen, wenn ich (wenigstens ein paar) der Charaktere mag. Es besteht die Möglichkeit, daß ich ein oder das andere Buch aus der Reihe nochmal lese, wenn ein neues herauskommt. Vielleicht will ich damit nur mein Gedächtnis zu einem Handlungsstrang oder einem Charakter auffrischen und vielleicht will ich mich einfach in die richtige Stimmung bringen.
Wahrscheinlich lese ich aber nicht die gesamte Reihe, denn wer hat schon die Geduld dafür, wenn ein neues wartet?

6. Früher behielt ich fast alle meiner gekauften Bücher und baute so meine kleine Bibliothek auf. Als ich älter wurde, war ich dafür bereit, die ziehen zu lassen, die ich nicht mehr lesen werde, also schaue ich meine Bibliothek durch, um zu sehen, welche Bücher ich lang nicht gelesen habe und ob es Zeit für sie wird weiterzuziehen.
Sie nochmal zu lesen - oder ein paar davon, falls es eine Reihe ist - kann bei dieser Entscheidung helfen, wenn die Kurzbeschreibung nicht ausreicht, und kann es leichter machen, ein Buch abzugeben.

Bücher, die darauf warten, in die Wildnis entlassen
zu werden, sprich zum öffentlichen Bücherschrank
gebracht zu werden

7. Ritual. Das habe ich oben schon erwähnt. Das mache ich allerdings nicht mit vielen Büchern.

8. Seelennahrung. Es gibt Bücher, die nicht in die Ritualkategorie gehören, die ich aber dennoch ziemlich oft lese.
Das sind normalerweise Bücher, die ich heraushole, wenn ich ein Bedürfnis nach ihnen habe, das Bedürfnis zu entfliehen, glückliche Erinnerungen heraufzubeschwören, zu lachen, das Bedürfnis nach einem Happy End und manchmal sogar danach, mich auszuweinen.
Es können Kinderbücher sein, Krimis, Geistergeschichten, Memoiren, Anthologien, Kurzgeschichten, Liebesromane, Fantasy, Katzenbücher, was auch immer.
Es ist gut, von allem ein bißchen zu haben, damit man sich das richtige Buch für den speziellen Moment aussuchen kann.

9. Etwas nochmal lesen, in das ich beim ersten Mal nicht so wirklich reingekommen bin oder das ein bißchen naja war, vielleicht sogar eins, das ich nicht fertiggelesen habe. Um ehrlich zu sein, das mache ich nicht so oft und habe es auch länger nicht getan, aber es hat bei mir schon geklappt.

Nimmt mir Wiederlesen nicht kostbare Zeit weg, die ich für meine Leseliste brauche?
Nein, denn ich habe nicht wirklich eine Leseliste, außer der auf The Internet Archive, wo ich recht willkürlich Bücher hinzufüge oder lösche. Das gleiche gilt für mein Bibliothekskonto.
Ich habe keine Bücherstapel mehr herumliegen. Damit habe ich aufgehört, als mein Zuckerkater Merlin Probleme damit hatte, es rechtzeitig zum Katzenklo zu schaffen (oder möglicherweise angefangen hatte, als Bücherkritiker zu arbeiten, egal wie, es war kein Spaß).
Ich bin auch nicht auf dem laufenden, was neue Veröffentlichungen betrifft. Ich bin nicht auf Goodreads, NetGalley und all diese Seiten, deren Namen ich nicht mal kenne. Ich habe kein Amazon Prime oder einen Kindle. Ich schaue mir keine BookTuber an (es sei denn, eine der Empfehlungen auf der Startseite sieht wirklich interessant aus) oder Bookstagram oder BookTok, tatsächlich habe ich nicht mal einen TikTok-Account.
Ich habe gerade erst damit angefangen, 
Leute kennenzulernen, die über Bücher bloggen, habe aber zum Beispiel nie an einer Challenge teilgenommen.

Versteht mich aber nicht falsch, ich sage nicht, daß mit diesen Dingen irgendetwas nicht stimmt, sie sind nur nichts für mich, jedenfalls im Moment nicht.

Ob ihr selber "Wiederleser" seid oder nicht, ich würde gern eure Gründe dafür hören
 😊


Artikel (englischsprachig):

1. Sage Nestler: The 3 Healing Benefits of Re-Reading. Auf: Peachy Keen Reviews & Bibliotherapy, 10. August 2023
2. Hellsim Omar: 10 Psychological Benefits of Rereading Your Favorite Books. Auf: Haven Read, 16. September 2024
3. "C8lin": Why Reread Books? The Pros and Cons of Rereading. Auf: The Artifice, 18. November 2016


Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.