Ich bin praktisch mit der Version von 1962 des heutigen Films aufgewachsen, und um ehrlich zu sein, ich wußte nicht mal, daß das bereits die fünfte Verfilmung eines Stücks war, das von Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung" inspiriert wurde.
Für diesen Post habe ich allerdings die erste von 1920 angeschaut, sie ist von Ernst Lubitsch - Kohlhiesels Töchter (den ihr hier finden könnt).
Vielleicht habt ihr euch gefraagt, wie ich auswähle, welche Filme ich anschaue - nun, falls ihr mir schon eine Weile folgt, wird es euch nicht überraschen zu hören, daß ich irgendwo auf einen Titel stoße, auf Google, auf einem Blog, in YouTube-Empfehlungen, und den dann auf eine Liste setze, von der ich willkürlich auswähle, nicht weil ich glaube, daß ich den Film hassen oder lieben werde oder auch nur etwas Interessantes darüber zu sagen finde.
In diesem Fall hatte ich durch die Version von 1962 natürlich schon eine Vorstellung von der Handlung, aber das hatte keinen Einfluß auf meine Wahl.
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Filmposter, Public Domain über Wikipedia |
Die Geschichte, die in den bayerischen Bergen spielt, ist recht schnell erzählt (wie üblich mit Spoilern).
Vater Kohlhiesel hat zwei Töchter.
Die ältere, Liesel, ist schlechtgelaunt und grob, was für ihren Vater gut genug ist, wenn er sie braucht, damit sie zum Feierabend Gäste aus seinem Gasthof hinauswirft. Sie arbeitet schwer und ist nicht an hübschen Kleider oder Haaren interessiert.
Die jüngere, Gretel, ist hübsch gekleidet, lacht viel, scheint aber ein bißchen eitel und nicht so ganz schlau zu sein.
Xaver und Seppl vergucken sich auf den ersten Blick in Gretel. Xaver, ein großer Bulle von einem Mann, sowohl im Aussehen wie auch im Betragen, erobert sie im Sturm und bittet ihren Vater um ihre Hand, aber Kohlhiesel sagt ihm, daß er erst einen Mann für Liesel finden muß, sonst kann er sie nicht heiraten.
Seppl hat die Idee, daß Xaver Liesel heiraten und sich dann so schlecht benehmen soll, daß sie sich schnell wieder scheiden läßt, damit er dann Gretel heiraten kann. Xaver hält das für eine brillante Idee, aber natürlich will Seppl nur, daß Gretel stattdessen frei für eine Heirat mit ihm selber ist.
Nachdem er Liesel geheiratet hat, benimmt sich Xaver sogar noch schlimmer als zuvor, zum Beispiel indem er das ganze Mobiliar hinauswirft, bis sie sich unter dem Sofa versteckt. Statt aber abgeschreckt zu sein verliebt sie sich dadurch in ihn.

Seppl,
der inzwischen erfolgreich Gretel den Hof macht, gibt Liesel den Rat, ihr Aussehen zu verändern, und es funktioniert. Xaver bleibt bei ihr und Seppl bekommt seine Gretel.
Dies ist kein subtiler Film. Er wurde gemacht, um die Massen in der Tradition des ländlichen Schwanks zu amüsieren, und das hat er auch, er erwies sich als sehr beliebt.
Eine Menge Leute sagten, daß ihnen der Film wirklich Spaß gemacht hat, während ich hin- und hergerissen war. Wieder mal.
Ja, es gab ein paar witzige Momente, und ja, mir ist klar, daß Lubitsch die Charaktere absichtlich als Karikaturen überzeichnet dargestellt hat, und nochmal ja, es war 1920.
Es ist das alte Probleme. Wieviel Nachsicht sollten wir mit einem alten Film oder Buch oder Theaterstück haben? Wieviel Nachsicht habe ich persönlich damit?
Keiner der Charaktere war besonders liebenswert und das sollten sie ja auch nicht sein, aber von allem war mir Liesel tatsächlich am liebsten. Ja, sie war unnötig grob, aber sie war sie selber - bis sie sich zum Schluß veränderte, um für Xaver attraktiv zu werden. Es ist nichts falsch daran, attraktiv sein zu wollen, aber nicht für einen solchen Mann. Ich habe es gehaßt zu sehen, wie häusliche Gewalt Xaver für Liesel attraktiv machte, so wie ich die gleiche Szene auch schon im neueren Film haßte.
Ich fand interessant, daß Leute die Schwester als die Hübsche und die Häßliche bezeichneten, weil ich Liesel nicht häßlich fand, nur weil sie keine Schminke trug und statt Zöpfen einen unordentlichen Knoten auf dem Kopf hatte.
Es ist sogar noch interessanter, wenn man weiß, daß sie von derselben Schauspielerin, Henny Porten, gespielt wurden, was nicht allen sofort auffiel, auch weil "sie" in manchen Szenen zusammen auf der Leinwand waren. Vielleicht haben sie in einem so alten Film keine Split-Screen-Technik erwartet.
Porten hat es wirklich gut hinbekommen, zwei sehr unterschiedliche Charaktere zu erschaffen, und es sieht aus, als ob sie wirklich Spaß daran hatte, vor allem mit Liesel (tatsächlich ist das auch das, was ich an der neuen Version mag, Liselotte Pulver schien die Schwestern mit so viel Freude zu spielen).
Also ja, nachdem ich den Film das erste Mal auf Englisch angeschaut habe, meinte ich, daß ich gern meine Stunde zurückhätte, aber dann bin ich nochmal durch das deutsche Original gesprungen, um mir dort die Zwischentitel anzusehen, und fand ein paar der Szenen, die ich dabei erwischte, besser als beim ersten Mal.
Trotzdem mag ich einfach die Vorstellung nicht, daß Frauen eben "böse Jungs" mögen, daß man sich bessern muß - in diesem Fall hübsch aussehen und dem Ehemann etwas Gutes kochen - und dann lebt man glücklich bis ans Ende seiner Tage.
Also wird dieser Film nicht auf meine Liste zum nochmal Anschauen kommen, aber eine interessante Erfahrung war es trotzdem.
Zusätzliche Quellen:
1. Michael Koller: Kohlhiesels Töchter. In: Senses of Cinema. Issue 112, November 2024
2. Jubiläumsfilme des Aufführungsjahres 1920. Auf: Stummfilm Magazin