Heute habe ich euch einen weiteren Film des deutschen expressionistischen Filmemachers Paul Leni (der letzte war "Das Wachsfigurenkabinett") mitgebracht - "Der Mann, der lacht" von 1928, der auf Victor Hugos Roman mit demselben Titel (L'homme qui rit) basiert.
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Filmposter, Public Domain über Wikimedia Commons |
Die Geschichte beginnt grausig, nur um euch vorzubereiten, aber tatsächlich ist das nicht wirklich ein Horrorfilm, auch wenn das ein Publicitybild ist. Ihr werdet sehen warum.
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Erinnert er euch an jemanden? |
Hier ist die Handlung mit Spoilern, tut mir leid, sie ist recht kompliziert, der Film ist fast zwei Stunden lang.
England, 17. Jahrhundert.
Bevor Lord Clancharlie, ein Adliger im Exil, auf Befehl von King James II. hingerichtet wird, informieren er und sein Hofnarr Barkilphedro ihn, daß sein kleiner Sohn, wegen dem er zurückgekommen ist, vom Comprachico-Chirurgen Hardquannon entstellt wurde, indem er ihm ein Grinsen ins Gesicht geschnitten hat. (Comprachicos, ein Begriff, der von Hugo geprägt wurde, wahrscheinlich sollen es Romani sein, wurde nachgesagt (die Betonung liegt auf "nachgesagt", wir wissen ja heute noch, wie sich solche Gerüchte verbreiten), daß sie Kinder verkrüppelten und entstellten, um sie dann in Freakshows, auf Jahrmärkten oder sogar an Höfen auftreten zu lassen, und ja, falls ihr an den Joker aus den DC-Comics erinnert wurdet, dieser Film war die Inspiration dafür.) Sein Besitz fällt an die Herzogin Josiana.
Als der König die Comprachicos später verbannt, lassen sie den Jungen Gwynplaine zurück. Als er sich seinen Weg durch einen Schneesturm kämpft, trifft er auf eine tote Mutter, die ein Baby hält, und rettet das Mädchen. Ursus, ein Philosoph und Schausteller, der mit seinem Wolf Homo zusammenlebt, nimmt sie beide auf und bemerkt, daß das Baby blind ist. Er nennt sie Dea.
Jahre später reisen sie zusammen und Gwynplaine, "Der lachende Mann" genannt, und Dea treten in Stücken auf, die Ursus schreibt. Gwynplaine ist in Dea verliebt, fühlt sich ihrer Liebe aber unwürdig. Die meiste Zeit versteckt er seinen Mund unter einem Schal, seinem Mantel oder seiner Hand, selbst ihr gegenüber.
Hardquanonne ist nach England zurückgekommen und erkennt Gwynplaine auf dem Jahrmarkt. Er schickt Josiana einen Brief, um ihr mitzuteilen, daß er den rechtmäßigen Erben ihres Besitzes gesehen hat und für sein Schweigen bezahlt werden will. Barkilphedro, der nun Agent am Hofe ist, bekommt den Brief in die Finger und leitet ihn an Queen Anne weiter, die Josianas respektloses Betragen ihr gegenüber nicht schätzt.
In der Zwischenzeit hat Josiana Gwynplaine auf dem Jahrmarkt gesehen und lädt ihn mit der Absicht, ihn zu verführen, zu sich ein, obwohl sie verlobt ist. Gwyplaine geht hin, nur um zu sehen, ob eine sehende Frau tatsächlich von ihm angezogen sein könnte, was dann bedeuten würde, daß er auch Deas Liebe würdig sein könnte.
Josianas Annäherungsversuche werden unterbrochen, als sie ein Dekret der Königin erhält, in dem steht, daß Gwynplaine der rechtmäßige Lord Clancharlie ist und sie ihn wegen des Besitzes heiraten muß. Sie bricht in hysterisches Gelächter aus und Gwynplain, der denkt, daß sie ihn auslacht, läuft zutiefst verletzt davon.
Als er zu Dea zurückkommt, läßt er sie das allererste Mal sein Lächeln ertasten. Sie akzeptiert ihn so wie er ist und er ist endlich glücklich.
Gerade da wird er verhaftet und ins Gefängnis gebrahct. Ursus folgt den Wachen und als ein Sarg herausgebracht wird - es ist der von Hardquanonne, der ebenfalls verhaftet worden war - denkt er, daß Gwynplaine tot ist.
Barkilphedro bestätigt dies, als er Ursus mitteilt, daß er uns seine Truppe aus dem Land verbannt sind.
In Wirklichkeit ist Gwynplaine frei und wird zum Oberhaus gebracht, um ein Peer zu werden. Die Lords sind empört über den Clown, von dem sie glauben, daß er die Königin und sie auslacht. Als sie aber sein Gesicht sehen, lachen sie ihn alles aus, und er verweigert die Heirat mit Josiana und entkommt.
Als er von der Verbannung von Ursus und Dea hört, folgt er ihnen zu den Docks, von Barkilphedros Männern verfolgt, mit der Hilfe der Dorfbewohner gelingt es ihm jedoch, die Docks zu erreichen, die das Schiff bereits verlassen hat. Homo hört jedoch seine Schreie, die Dea gelten, springt vom Schiff und zerfleischt Barkilphedro, gerade als er versucht hat, Gwynplaine anzugreifen.
Gwynplaine und Homo schwimmen zum Schiff und werden an Bord gezogen. Glücklich mit Ursus und Dea wiedervereint segeln sie davon.
Zunächst mal, ich habe das Buch nicht gelesen und werde es auch nicht tun. Es hat kein Happy End und ich war so froh, daß der Film eins hatte, weil ich wirklich mit Gwynplaine mitfühlte.
Ich habe Conrad Veidt schon zuvor erwähnt, er war der Schlafwandler Cesare in "Das Cabinet des Dr. Caligari" und Ivan der Schreckliche in "Das Wachsfigurenkabinett" und übrigens auch Lord Clancharlie in diesem Film.
Um das Grinsen zu erzeugen mußte Veidt einen Einsatz tragen, bei dem seine Mundwinkel durch Haken zurückgezogen wurden, um die übergroßen Zähne zu entblößen. Es muß extrem unbequem gewesen sein und hinderte ihn am Sprechen. Er mußte seine Emotionen mit dem Rest seines Gesichts darstellen, da er seinen Mund nicht bewegen konnte, und oh Mann, das hat er getan.
Ich hatte Veidts Blick schon im Post über "Das Wachsfigurenkabinett" erwähnt, er hatte tolle Augen und auch hier wirkten sie auf mich. Man konnt wirklich den Schmerz fühlen, den Gwynplaine durchlebte.
Ursprünglich war die Rolle nach seinen Filmen "Der Glöckner von Notre Dame" und "Das Phantom der Oper" für Lon Chaney gedacht, aber er hatte das Studio verlassen, also ging sie stattdessen an Veidt.
Im Gegensatz zu Chaneys Filmen war "Der Mann, der lacht" kein Erfolg an der Kinokasse. Kritiker fanden ihn zu grausam und das Publikum schloß sich an. Nehmt aber das Grinsen weg, dann ist der Film wirklich kein Horror, er ist, wie Roger Ebert so passend sagt, "ein Melodram, manchmal sogar ein Mantel-und-Degen-Film, der aber so in expressionistischer Schwermut schwelgt, daß er wie ein Horrorfilm wirkt".
Ich fand, es ging einfach um einen Mann, der sich nach Liebe und Akzeptanz trotz seines Aussehens sehnt.
Mary Philbin als Dea hat mich nicht so besonders beeindruckt, natürlich war ihre Rolle aber eingeschränkt. Es war jedoch das erste Mal, daß ich sie gesehen habe.
Die andere Frau aber - Duchess Josiana -, ernsthaft, ich fand sie von Anfang an total gruselig und ich könnte euch nicht mal sagen warum. Es war nicht die Rolle des verführerischen Vamps, es war nicht mal die perverse Art und Weise, in der sie Gwynplaines Grinsen zu einem Fetisch zu machen scheint, was ihn offensichtlich erschreckt und verletzt. Irgendetwas war einfach komisch an ihr.
Der ränkeschmiedende Barkilphedro war mir auch gruselig, aber auf andere Art. Er gibt einen sehr guten und zutiefst abscheulichen Bösewicht ab und es ist durchaus möglich, daß ich laut "Ja!" gerufen habe, als ihn Homo am Schluß erwischt.
Ich fand sowieso, daß Homo ganz klar der Held des Films war.
Ich hielt den Film sogar an, um "Does the dog die?" zu checken, weil ich Barkilphedro durchaus zutraute, irgendetwas Böses in der Hinsicht zu tun. Es war wirklich recht befriedigend, daß es andersherum ausging.
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Ursus neigt den ganzen Film über dazu, den Blick mit den weit aufgerissenen Augen zu übertreiben, er ist höchst dramatisch. |
Die einzige Beschwerde, die ich über den Film habe, der mir besser gefallen hat, als ich erwartet hätte - ich wußte echt nicht, daß es kein Horror war, was nicht mein Lieblingsgenre ist - ist, daß er etwas kürzer hätte sein können, ohne daß er dabei etwas verloren hätte.
Oh, okay, und Gwynplaine's Frisur war hinten sehr seltsam, das lenkte mich in manchen Szenen ein wenig ab.
Definitiv eine Empfehlung von mir.
Ausgewählte Quellen (englischsprachig):
1. Roger Ebert: The Man Who Laughs. Auf: RogerEbert.com, 18. Januar 2004
2. Matthew Beck: The Man Who Laughs (1928). Auf: The Movie Screen Scene, 1. Mai 2020
Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.
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