Dienstag, 6. August 2019

Nostalgie - Die Tote aus der Seine

Vor einigen Jahren, als ich noch die "Fundstücke der Woche"-Posts machte, hatte ich ein paar, "Ich bin eine Sammlerin" genannt, in denen ich Vintagestücke zeigte.
Über die Zeit sind meine Sammlungen zum größten Teil nicht mehr gewachsen, aus unterschiedlichen Gründen, aber sie sind noch da und immer noch geliebt. Ich habe auch Vintagestücke, manche geerbt, manche geschenkt, manche von Flohmärkten, manche interessanter als andere.
Ich dachte also, es könnte Spaß machen, immer mal wieder welche davon zu zeigen und ihre Geschichte zu erzählen.

Ich fange mit der "Unbekannten aus der Seine" an, "L'Inconnue de la Seine".
Man findet die Geschichte tausendfach im Netz, das schöne junge Mädchen, das in der Seine ertrank, wahrscheinlich ein Freitod, da keine Gewaltanwendung zu erkennen war, der Pathologe im Pariser Leichenschauhaus, der so verzaubert von ihrem wunderschönen Gesicht und Lächeln war, daß er einen Gipsabdruck von ihrem Gesicht machte, von dem wiederum Abgüsse zum Verkauf hergestellt wurden.
So traurig, so geheimnisvoll - genau die Art Legende, die wir heute noch mögen, also wird sie immer wieder einmal erzählt.
Damals hängten die Bohemiens von Paris diese Maske in ihren Dielen auf, Künstler und Schriftsteller waren von der "ertrunkenen Mona Lisa", wie sie Camus nannte, inspirierte. Man sagt, sie sei das meistgeküßte Gesicht der Welt, nachdem die ersten Reanimations-puppen nach unserer schönen Unbekannten modelliert wurden.

Später gab es Zweifel an dem möglichen Wahrheitsgehalt der Legende. Maskenhersteller und Ärzte meinten, es gäbe einen Unterschied zwischen Lebend- und Totenmasken, einen sogar noch größeren, wenn ein Toter im Wasser war. War es nur ein schlauer Werbetrick, um mehr Masken zu verkaufen?
Was auch immer die Wahrheit ist, das Mädchen bereitete mir etwas Unbehagen, als ich ein Kind war. Ja doch, sie hing bei uns daheim, und nun wird sie bei mir hängen.
Ich weiß nicht, ob ich irgendjemanden deswegen gefragt habe, aber ich erinnere mich, daß ich dachte, das sei doch ein sehr kleines Gesicht, bevor ich alt genug war, um zu verstehen, daß das kein 1:1 Abdruck war.
Nun teilte eine Freundin von mir die Geschichte, weil sie den Teil mit der Reanimationspuppe interessant fand, und ich konnte mir nicht helfen, ich mußte sofort meine Mutter wegen der Maske belästigen. Tatsächlich war nicht viel Triezen nötig. Sie hatte sie abgenommen und weggelegt, hatte aber kein Problem, sie zu finden, und ich habe so das Gefühl, daß es ihr nicht ganz unrecht war, sie aus dem Haus zu haben, nachdem sie "sie so lange hatte anschauen müssen" ;-)
Hier ist also nun unsere Unbekannte.

Nicht alle Abgüsse sind gleich. Diese hat ein Lächeln, das mir tatsächlich besser gefällt als das des Originals.

Nun wurde ich neugierig, ob ich wohl herausfinden könnte, welcher der vielen Hersteller unsere Unbekannte gemacht hatte. Ich fand diese Keramikmarke auf der Rückseite, die erst nicht ganz einfach zu erkennen war, dann war es aber dank der Webseite Museum Europäischer Keramikkunst (es ist purer Zufall, daß der Verein, der die Seite macht, in meiner Heimatstadt sitzt!), nicht so schwer herauszufinden.
Sie gehört der Majolika Keramik Manufaktur Karlsruhe (auf deren Webseite ihr die Marke viel deutlicher sehen könnt, falls ihr daran interessiert seid). Leider gibt die Marke mir keinen Anhaltspunkt, wann genau sie diese Masken herstellten, unsere muß jedoch aus den frühen 60ern sein.


Wollt ihr noch mehr dazu lesen? Die interessantesten Artikel (das ist aber nur meine Meinung) sind leider nur auf Englisch.
So gibt es von diesem Hersteller - Felice Calchi - zwei Posts hier und hier.
Dann wäre da noch dieser Artikel aus der New York Times.
Ich könnte noch viel mehr auflisten, aber ich denke, die findet ihr leicht selber, wenn ihr mal ein bißchen Zeit habt.

Also - sehen wir uns nächstes Mal bei "Nostalgie"? :-)

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