Donnerstag, 8. Mai 2025

Stummfilme - Ausgerechnet Wolkenkratzer oder der Luftikus

Ich habe schon erwähnt, daß mein Stummfilm"wissen" vor diesem Projekt hauptsächlich aus Schnipseln aus den Sketchshows bestand, die wir als Kinder angeschaut haben.
Einer dieser Schnipsel ist natürlich dieses Kultbild.


Wieviel Leute kennen aber den Film, aus dem es stammt? Ich kann mich nicht daran erinnern, ihn als Kind jemals komplett gesehen zu haben, obwohl ich Harold Lloyd immer lieber mochte als Charlie Chaplin oder Buster Keaton, auch wenn man ihn "The Third Genius" nennt, das dritte Genie, und sein Name heute weniger bekannt ist.
Vielleicht lag es ja einfach an meiner Oberflächlichkeit, weil ich ihn besseraussehend fand und weil er so normal schien, einfach ein Durchschnittstyp. Vielleicht ist der Grund, daß ich gern auf der Seite des Underdogs bin und er mir im Vergleich zu seinen anerkannteren Kollegen wie ein Underdog vorkam (obwohl ich das als Kind kaum schon gewußt haben kann). Wer weiß, vielleicht ist es auch alles zusammen.
Auf jeden Fall war es an der Zeit, Harold Lloyd anzuschauen, und ich fing mit "Ausgerechnet Wolkenkratzer oder der Luftikus" an.


Die Handlung (wie üblich mit Spoilern).
Harold verläßt seine Heimatstadt, um in die große Stadt zu gehen und dort erfolgreich genug zu werden, um sein Mädchen zu heiraten.
Das klappt nicht so recht, Harold verkauft Stoffe in einem Kaufhaus und teilt sich ein Zimmer mit seinem Freund "Limpy Bill", einem Hochhaus-Bauarbeiter, aber Mildred gegenüber kann er das nicht zugeben. Stattdessen versetzt er den Phonographen (Bills und seinen?), um ihr einen sehr hübschen Anhänger zu schicken, zu dem er sich die Kette noch nicht leisten kann.
Am Ende einer Schicht begegnet er einem Polizisten, den er von zu Hause kennt, und als Bill ihn abholt, sagt er ihm als Streich, er solle den Polizisten, der an einem Telefon steht, umschubsen, er würde das dann ausbügeln. Leider ist es inzwischen ein anderer Polizist und um ihm zu entkommen, klettert Bill ein Gebäude hinauf.

Nachdem Harold Mildred eine Kette geschickt hat, die ihn mehr als einen Wochenlohn gekostet hat, überzeugt Mildreds Mutter sie, nicht länger zu wrten und ihm die Stadt zu folgen.
Sie kommt am Kaufhaus an und nun muß Harold die Lüge über seinen Erfolg aufrechterhalten, vor allem als Mildred ihn neben dem Büro des Managers sieht und denkt, daß er der Manager ist.
Dann hört er zufällig, wie der Manager sagt, er würde 1000 $ für eine neue Idee zahlen, die Leute in den Laden bringt, und schlägt eine "menschliche Spinne" vor, die das 12-stöckige Gebäude, in dem der Laden ist, hochklettern, wobei er natürlich an Bill denkt, dem er die Hälfte des Geldes anbietet.

Der Tag des großen Stunts ist da, aber der Polizist hat die Ankündigung in der Zeitung gesehen, errät, daß Bill der geheimnisvolle Mann ist, und wartet am Startpunkt auf ihn.
Also sagt Bill, daß Harold die Kletterpartie anfangen soll und er dann weiter oben übernehmen wird, aber er kann den Polizisten einfach nicht loswerden, also klettert und klettert und klettert Harold von einem Hindernis zum anderen, Absätze, ein Seil, hungrige Tauben, eine Uhr ... bis er endlich das Dach erreicht, auf dem Mildred auf ihn wartet (die ihn übrigens kurz danach im echten Leben geheiratet hat).


Dieser Film scheint zwei Teile zu haben.
Da ist die Liebesgeschichte und der Arbeitsplatz, verbunden, als Harold versucht, die Wahrheit vor Mildred zu verstecken, und es gibt die letzten 20 Minuten, die voller Spannung sind und tatsächlich die Anfangsidee für den Film waren.
Lloyd hatte Bill Strother, der den Kumpel spielt, gesehen, als ein er hohes Gebäude erkletterte und fand, das würde eine gute Thrillszene abgeben, dann machten sie dazu die Einleitung.

Wie üblich sind die Kritiken geteilt.
Es gibt Leute, die finden, daß Lloyd einfach nicht witzig war, weil er nicht so inspiriert wie Chaplin und Keaton war, andere loben, daß er vielleicht kein natürlicher Komödiant war, aber einer wurde.
Ich weiß nicht, warum ich sie überhaupt vergleichen muß. Ist mir nicht gestattet, unterschiedliche Herangehensweisen zu genießen?
Also ich kann auf jeden Fall sagen, daß es im Film eine Menge witziger Szenen gab. Die Szene während des Jubliäumssonderverkaufs erinnerte mich zum Beispiel sehr n die ersten Tag unserer Sommer- und Winterschlußverkäufe (die ich immer vermieden habe). Mir gefielen die schnellen Reaktionen, die Harold zeigt, als er versucht zu verhindern, daß seine Lüge aufgedeckt wird, oder als er in einem Handtuchtransporter festhängt und sein Bestes tut, um wieder rechtzeitig zurück bei der Arbeit zu sein, damit er seine Stelle nicht verliert.
Die letzte Sequenz war nicht so sehr witzig wie aufregend und hat meine Aufmerksamkeit total gefesselt, obwohl ich natürlich wußte, daß er nicht wirklich auf ein 12-stöckiges Gebäude klettert.

Was uns zur Frage Nummer 1 bringt - wie haben sie das gemacht? Hat Lloyd seine eigenen Stunts gemacht? Was war der Trick? Wieder war ich von einigen Kommentaren überrascht. Es war, als dächten die Leute, die Tatsache, daß Lloyd "nur" höchstens drei Stockwerke hoch hing, sei Mogelei.
Ja, dann hatte er also Hilfe von Strother (für die Aufnahmen aus der Ferne) und von einem Zirkusartist (als er am Seil baumelt) und einem Stuntman. Schlaue Leute holen sich Hilfe von Leute, die auf etwas spezialisiert sind.
Außerdem hatte Lloyd tatsächlich Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand einige Jahre zuvor verloren, als sich eine Bombenattrappe für eine Fotositzung als echt herausstellte.

Es ist mir egal (auch wenn es interessant ist), welche Kamerawinkel sie benutzt haben oder ob sie statt des echten Gebäudes eine Plattform auf dem Gebäude gebaut haben anstatt das echte Gebäude selber zu verwenden und ich das außerdem vorher wußte, weil es so überzeugend war, daß ich trotzdem noch erschrak und es mir schwerfiel, manches davon anzuschauen.
Und übrigens, Luke Skywalker ist kein echter Jedi und Sindbad kämpfte nicht gegen echte Monster. Ich sag ja nur.
Ich habe den Film ohne Musik angeschaut (obwohl es auf YouTube eine Version mit Musik gibt, nämlich hier) und ich möchte gar nicht wissen, was spannungsgeladene Musik während der Kletterei mit mir gemacht hätte.

Zu guter Letzt noch eine Warnung - es gibt eine kurze Szene, in der ein jüdischer Ladenbesitzer dargestellt wird, und zwar als sehr häßliches Klischee, wie wir leider wissen, nicht ungewöhnlich für die Zeit, aber heutzutage trotzdem unangenehm anzuschauen).

Alles in allem ist dies ein Film, von dem ich mir definitiv vorstellen kann, ihn nochmal zu sehen.

Quellen (englisch)
1. The official Harold Lloyd website - Biography
2. Ed Park: Safety Last!: High-Flying Harold. Auf: The Criterion Collection. Essays. 17. Juni 2013
3. Jeffrey Vance: Safety Last! Auf: San Francisco Silent Film Festival. Essay. 2013
4. Arik Devens: Safety Last! Auf: Cinema Gadfly. Essay. 16. Mai 2015
5. Pamela Hutchinson: Don't look down: 100 years of Harold Lloyd's Safety Last! Auf: The Guardian, 24. März 2023
6. Kevin Brownlow und David Gill: Harold Lloyd: The Third Genius. TV-Dokumentation 1989.
7. Roger Ebert: The third genius of silent film. Auf: RogerEbert.com, 3. Juli 2005


Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.

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