Donnerstag, 3. April 2025

Stummfilme - Der Schrecken von London

Heute springen wir zu einem neuen Genre mit meinem Stummfilm-"Projekt" - Krimi.
Der Film ist "Der Schrecken von London" von 1927, der, obwohl er Alfred Hitchcocks dritter Film ist, als der erste angesehen wird, der wirklich im Hitchcock-Stil ist.
Ich habe ihn hier auf YouTube angesehen.

"Der Schrecken von London" basiert auf dem Roman von 1913 mit dem Titel "The Lodger", den man auf Englisch hier lesen kann. Er wurde von Marie Belloc Lowndes geschrieben und von den Jack the Ripper-Morden von 1888 inspiriert.

Public Domain über Wikimedia

Der Film beginnt mit dem Schrei einer jungen blonden Frau.
Als nächstes sieht man eine Werbung einer Show, die "Golden Curls" (Goldene Locken) heißt, bevor man die Frau am Boden sieht, ermordet, eine Notiz an ihren Mantel geheftet, auf dem in einem Dreieck "The Avenger" (Der Rächer) steht.
Eine Zeugin beschreibt den Mörder, den sie gesehen hat, groß, die untere Hälfte seines Gesichts durch einen Schal versteckt.
Die Frau ist das siebte blonde Opfer des Serienmörders geworden, der immer an einem Dienstag zuschlägt.

Als nächstes sind wir im Haus der Buntings und ihrer Tochter Daisy, einem Mannequin. Joe, der Polizist, der in Daisy verliebt ist, ist zu Besuch.
Dann taucht ein mysteriös aussehender Mann, der sein halbes Gesicht unter einem Schal versteckt, an der Tür auf und möchte ein Zimmer mieten. Als er in den Raum geführt wird, besteht er darauf, daß die Porträts blonder Frauen von der Wand genommen werden, weil sie "ihm auf die Nerven gehen".


Mit der Zeit wirkt der Untermieter immer verdächtiger auf die Buntings und Joe, der dem Fall des "Avenger" zugeteilt worden ist, den achten Mord aber nicht verhindern kann.
Mrs. Buntings Grund ist, daß der Untermieter spätnachts ausgeht und am nächsten Tag ein weiteres Opfer gefunden wird, außerdem hat er ein Schränkchen in seinem Zimmer abgesperrt. Mr. Bunting wird nervös, als er ein Kleid als Geschenk für Daisy kauft, und Joe kann nicht ertragen, daß der Untermieter und Daisy sich offenbar voneinander angezogen fühlen.
Also versuchen sie, Daisy vom Untermieter fernzuhalten, das akzeptiert sie jedoch nicht und geht stattdessen mit ihm auf ein spätes Date, das von Joe unterbrochen wird, dem sie daraufhin mitteilt, daß sie ihn nie mehr wiedersehen will.

Als sie wieder zu Hause sind, taucht Joe mit ein paar Kollegen auf, um das Zimmer des Untermieters zu durchsuchen. In dem verschlossenen Schränkchen finden sie eine Pistole, Zeitungsausschnitte über "The Avenger", eine Karte der Mordschauplätze und das Porträt eines blonden Mädchens.
Der Untermieter erklärt, daß es sich um seine ermordete Schwester handelt, aber Joe verhaftet ihn dennoch. Der Untermieter entkommt, in Handschellen, und als Daisy ihn findet, erzählt er ihr die Geschichte seiner Schwester und wie seine Mutter ihn auf ihrem Sterbebett beschworen hat, nicht zu rasten, bevor der Gerechtigkeit Genüge getan wurde.
Daisy bringt ihn zu einem Pub und gibt ihm Brandy, um ihn aufzuwäremen, aber daß seine Hände versteckt sind, erregt Argwohn, erst recht nachdem sie gegangen sind und Joe hereinkommt und das Revier anruft, um von der Flucht zu berichten. Ein wütender Mob bildet sich und jagt dem Untermieter nach und prügeln ihn, obwohl Daisy und Joe, der die Information bekommen hat, daß "The Avenger" gefaßt wurde, versuchen ihn zu verteidigen. Erst als ein Zeitungsjunge mit der Nachricht erscheint, läßt der Mob von ihm an und er fällt in Daisys Arme.



Am Ende sehen wir den Untermieter, Daisy und ihre Eltern in seinem großen Haus, zweifellos leben sie glücklich bis an ihr Lebensende.

Ich glaube, ich wollte den Film lieber mögen als ich es tatsächlich tag, weil soviele Leute seine Brillianz loben. Vielleicht hatte es damit zu tun, daß ich ihn angeschaut habe, als ich krank war. Obwohl er nicht extrem lang ist, konnte ich ihn nicht auf einmal anschauen, möglicherweise weil es mir nicht gut ging, möglicherweise weil mir einige Szenen einfach zu lang und nicht sehr nachvollziehbar schienen.
Würde ich denken, daß mein Untermieter ein Serienmörder mit einer Besessenheit für blonde Mädchen ist, würde ich dann wollen, daß er in meinem Haus lebt, wo auch meine blonde Tochter wohnt?
Woher nimmt Daisy diesen blinden Glauben in ihn? Warum ist sie sich so sicher, daß er unschuldig ist? Andererseits kommt es mir so vor, als ob Joe - den ich den ganzen Film über nicht besonders mochte - den Untermieter nur aus Eifersucht verhaftet. Die Pistole, die Karte, die Zeitungsausschnitte oder sogar das Porträt beweisen nicht viel, er könnte einfach von echten Verbrechen besessen sein wie all die anderen, die gierig auf Nachrichten über den Fall warten. Wenn seine Schwester das erste Opfer war, wurde er dann niemals in den Fallunterlagen erwähnt oder hat Joe die gar nicht gelesen?
Warum ist der Untermieter nicht zur Polizei gegangen, statt darauf zu bestehen, den Mörder selber zu fassen? Ich bin sicher, für seine Mutter wäre das auch in Ordnung gewesen.

Jemand hat geschrieben, daß sich "der zweite Teil mehr wie eine Liebesgeschichte als ein Krimi anfühlte" und ich stimme dem zu.
Der Untermieter sah sehr gefühlvoll und gequält aus und ich war nicht mal überrascht, daß er am Ende nicht der Mörder war. Für mich wäre es eine überraschendere Wendung gewesen, wenn er es doch gewesen wäre.
Es heißt, daß Hitchcock geplant hatte, daß der Untermieter der Mörder ist, daß aber das Studio meinte, Ivor Novello, ein Matinee-Idol könne das unmöglich sein. Es konnte nicht einmal ein zweideutiges Ende geben, und um ehrlich zu sein, fand ich das Happy End etwas platt, obwohl ich mich vermutlich für die jungen Liebenden hätte freuen sollen, schätze ich.

Was mir gefiel, war die Verwendung von Licht und Schatten, Winkeln und Effekten, die Hitchcock während seiner Karriere perfektionierte, aber sie reichten mir nicht aus, um die Handlung zu stützen.

Noch eine Notiz zur Musik in der Version, die ich angeschaut habe. Sie wurde für den restaurierten Film in Auftrag gegeben und ist von Nitin Sawhney. Ich fand, daß sie in manchen Szenen gut paßte, aber absolut gar nicht gingen die gesungenen Lieder an zwei Stellen, die paßten einfach nicht dazu.

Ich weiß nicht, vielleicht würde ich anders denken, wenn ich ihn nochmal ein zweites Mal mit klarem Kopf anschauen würde. Ich lasse euch wissen, falls ich das irgendwann nochmal probiere.

Quellen (englischsprachig):
1. Matt Buchholz: Week 28: The Lodger (1927), Contradicting Myself, and Sound. Auf: Hitchcock 52, July 15, 2016
2. Christina Wehner: The Lodger (1927). Auf: Christina Wehner - Classic movies, musicals, old books, and the Great American Songbook, August, 13, 2018
3. Sam Wigley: Then and now: The Lodger reviewed. Auf: British Film Institute - Features, August 10, 2012
4. Philip Kemp: The Lodger: A Story of the London Fog: The first true Hitchcock movie. Auf: The Criterion Collection - Essay, June 27, 2017

Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen