Vor
einigen Jahren, als ich noch die "Fundstücke der Woche"-Posts machte,
hatte ich ein paar, "Ich bin eine Sammlerin" genannt, in denen ich
Vintagestücke zeigte.
Über
die Zeit sind meine Sammlungen zum größten Teil nicht mehr gewachsen,
aus unterschiedlichen Gründen, aber sie sind noch da und immer noch
geliebt. Ich habe auch Vintagestücke, manche geerbt, manche geschenkt,
manche von Flohmärkten, manche interessanter als andere.
Ich dachte also, es könnte Spaß machen, immer mal wieder welche davon zu zeigen und ihre Geschichte zu erzählen.
Das heutige Stück ist ein Buch, das erstmals 1944 erschienen ist, das aber heute noch verfügbar ist, sowohl gedruckt als auch als E-Book!
Ich habe zum ersten Mal mehr über den Verfasser gelesen und war ziemlich überrascht.
Das Buch heißt "Punkt, Punkt, Komma, Strich" und ist von Hans Witzig.
Der Titel bezieht sich auf einen kleinen Reim oder ein Lied - ich konnte nicht herausfinden, woher oder von wann er ist - vielleicht kennt ihr ihn - "Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist
das Mondgesicht" (es gibt kleine Variationen). Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, ist das so ziemlich das, was ich auf kleine Notizen kritzle anstatt einen Smiley zu malen.
Es handelt sich übrigens nicht um ein Pseudonym. Dr. Hans Witzig war ein Schweizer Kunsthistoriker, Künstler, Kunstlehrer und Autor, der von 1889 bis 1973 lebte.
Ich bekam sein Buch als Kind und habe es geliebt. Wie ihr auf dem Bild seht, ist es eine Zeichenanleitung. Ich kann mich nicht daran erinnern, daß ich tatsächlich damit gelernt hätte, wie man zeichnet, aber ich habe die Lektionen theoretisch genossen. Tatsächlich war das ein Kritikpunkt, daß Kinder seine Zeichenbücher nur wegen der Geschichten oder zum Ausmalen nutzten und vielleicht noch Zeichnungen daraus kopierten, aber daß die genauen Anleitungen ihnen nicht dabei half, wirklich kreativ zu werden.
Wo mein Exemplar gelandet ist, wer weiß, aber es muß ziemlich abgenutzt gewesen sein. Irgendwann wurde ich nostalgisch genug, um mir eine alte Ausgabe von 1969 zu besorgen, ungefähr dieselbe Zeit, in der ich meine bekam (purer Zufall).
Dieses Exemplar hat eine Widmung "Für gute Leistungen im Schuljahr 1969/70 erhält Annette D**** als Anerkennung diesen Preis - M******" . Ich kam 1970 in die Schule, also muß Annette ein wenig älter als ich gewesen sein, außerdem gab es zu meiner Zeit keine Buchpreise mehr, wenigstens nicht in meiner Stadt.
(Und ein paar Tage später spuckte Gundel darauf, also hätte ich wahrscheinlich nicht das im besten Zustand nehmen sollen *seufz* aber so ist das eben, wenn man Bücher im Bett lagert, schätze ich.)
Tatsächlich machte Witzig noch viel mehr als Unterrichten und Bücher zu schreiben, die Kindern das Zeichnen beibrachten.
Er illustrierte Fibeln und Märchenbücher und veröffentlichte eigene Bilderbücher, von denen manche viele Auflagen erreichten.
Für ein Jugendbuch über Aberglaube in der Gegend von Baden im Jahr 1700 erhielt er einen Preis.
Neben dem Unterricht und dem Kreieren für Kinder gab es in seiner Arbeit aber auch noch eine komplett andere Seite.
Er entwarf Exlibris für Freunde, aber auch Wahlplakate, er machte politische Karikaturen, aber auch Werbung. Er hatte ein soziales Bewußtsein und unterstützte humanitäre Bemühungen, indem er Publikationen illustrierte, zum Beispiel für das Rote Kreuz.
Als Bildhauer kreierte er Figuren zum Beispiel für Brunnen, aber auch nach Zeichnungen des Künstlers Honoré Daumier.
Nach dem Ersten Weltkrieg schuf er dunkle Zeichnungen im Thema des Totentanzes, von denen manche in der Gedichtesammlung "Totentanz" von Wiegand veröffentlicht wurden, sie waren aber nicht speziell dafür gemacht gewesen.
1933 veröffentlichte er im Selbstverlag 60 Zeichnungen, die das Elend der Bevölkerung zwischen den Kriegen zeigte.
Den Artikeln zufolge, die ich gelesen habe, hat er bis zu seinem Tode nicht aufgehört zu arbeiten.
2023 gab es eine Ausstellung zu seinem Leben und seiner Arbeit und ich wette, sie war echt interessant.
Es ist nicht das erste Mal, daß ich den oder die Autor oder Autorin eines der Kinderbücher in meiner Sammlung nachgeschlagen habe, aber diesmal hatte ich wirklich nicht erwartet, so viel zu finden.
Vielleicht bin ich die einzige, die meine Nostalgieposts liest, aber das ist egal, weil ich so viel daraus lerne, sie vorzubereiten, und ich genieße das Recherchieren wirklich sehr.
Ausgewählte Quellen:
1. Anna Lehninger: Einmal grad und einmal krumm : zu Leben und Werk von Hans Witzig. In: Vom Schlaraffenland zum Totentanz. Der Zürcher Zeichenlehrer und Illustrator Hans Witzig. Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 90(2023)
2. Anna Lehninger: Punkt, Punkt, Komma Strich : Hans Witzig als Autor, Illustrator und Zeichner. In: Librarium : Zeitschrift der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft 61(2018), pp. 104 - 117
3. Anton Beck: Der Zeichner Hans Witzig prägte den Kunstunterricht. In: Neue Zürcher Zeitung vom 17.3.2023
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