Samstag, 9. November 2024

Nostalgie - Nipper

Vor einigen Jahren, als ich noch die "Fundstücke der Woche"-Posts machte, hatte ich ein paar, "Ich bin eine Sammlerin" genannt, in denen ich Vintagestücke zeigte.
Über die Zeit sind meine Sammlungen zum größten Teil nicht mehr gewachsen, aus unterschiedlichen Gründen, aber sie sind noch da und immer noch geliebt. Ich habe auch Vintagestücke, manche geerbt, manche geschenkt, manche von Flohmärkten, manche interessanter als andere.
Ich dachte also, es könnte Spaß machen, immer mal wieder welche davon zu zeigen und ihre Geschichte zu erzählen.

Nipper lebt seit vielen Jahren auf meinem Vertiko, seit wir ihn von einem Flohmarkt mit nach Hause gebracht haben.


Er war kein Schnäppchen, aber Liebe auf den ersten Blick, und trotzdem gingen wir weg, kamen zurück, umkreisten ihn und gaben es schließlich auf, seiner Anziehungskraft zu widerstehen.
Ich muß gestehen, ich erinnere mich nicht, wo wir seinen kleinen Bruder herhatten, der ein Ohr in einem Unfall verloren, zweifelsohne von einer Katze ausgelöst.


Es gab in unserem Haus schon einen Nipper vor ihm, einen, in den sich der Ex schon in unserer frühen Steiffsammelphase verliebt hatte, nur hieß er nicht Nipper, sondern Electrola Fox.
Er lebt nicht mehr hier, aber ich habe noch ein Bild von ihm.


Kein Wunder, daß er ihn liebte, er ist echt süß, oder?

Wer aber war Nipper und wie wurde er so berühmt, daß es haufenweise Sammlerstücke von ihm da draußen gibt - und eine oder die andere riesige Statue?!

Foto von Nipper

Nipper war der Hund von Mark Barraud, einem Bühnenmaler, geboren in Bristol 1884 (Nipper, nicht Mark). Obwohl er oft als Foxterrier bezeichnet wird (siehe Steiff), scheint er in Wirklichkeit ein Terriermischling gewesen zu sein und seinen Namen bekam er dank seiner Gewohnheit, in die Beine von Leuten zu zwicken - "nip". Ich habe trotzdem keinen Zweifel, daß er dennoch ein sehr guter Junge war.
Er war gut genug, daß Barrauds Bruder Francis, ein Maler, Nipper aufnahm, als Mark 1887 starb, aber später bat Marks Witwe darum, ihn zurücknehmen zu dürfen, damit er ihr Gesellschaft leistete, und nahm ihn mit nach Kingston upon Thames, wo der leidenschaftliche Rattenfänger im September 1895 starb und begraben wurde.

Irgendwann malte Francis ein Bild von ihm (das Gebäude in 126 Piccadilly hat heute sogar eine blaue Tafel) und meldete es mit dem Namen "Dog looking at and listening to a Phonograph"
an - Hund, der einen Phonograph anschaut und ihm zuhört.
Einige Quellen behaupten, daß Barraud das Gemälde dann Edison Bell für Werbung anbot, während andere sagen, daß die Phonographen-Firma in jeglicher verbliebener Kommunikation nie genau benannt wurde. Was auch immer die Wahrheit ist, das Angebot wurde abgelehnt. Jemand schlug vor, für einen malerischeren Effekt statt des schwarzen Phonographen-Horns ein goldenes Messinghorn einzufügen, also ging Barraud zu The Gramophone Company, um solch ein Horn auszuleihen. Er zeigte eine Fotografie des Gemäldes und wurde gefragt, ob er den Phonographen auch durch ein Grammophon ersetzen könne, dem stimmte er zu, wenn die Firma das Gemälde kaufen würde.

Foto des Originalgemäldes mit Phonograph
(Public Domain über Wikimedia Commons)


Nach einigem Hin und Her schickte die Firma Francis ein Gerät und Geschichte wurde geschrieben.

Aber hörte sich Nipper tatsächlich Aufnahmen seines (toten) Herrchens - His Master's Voice - an, wie man oft lesen kann?
Tatsächlich sind sich die Quellen da auch nicht einig. Anscheinend hat Barrauds Nichte gesagt, daß Mark tatsächlich nie eine Aufnahme seiner Stimme gemacht hat, Nipper aber stattdessen oft in dieser Haltung an der Tür saß, als würde er auf sein Herrchen warten.
Es gab auch Gerüchte, daß die glänzende Oberfläche, auf der Nipper sitzt, Marks Sarg ist, aber all die Quellen, die ich überflogen oder gelesen haben, sind sich in dem Fall einig, daß das echt nur eine Legende ist.
Wie steht es mit "His Master's Voice"? War der Schöpfer dieses Slogans tatsächlich Francis Barraud oder war es eigentlich der Gewinner eines Slogan-Wettbewerbs?
Es gab sogar mehrere Leute, die behaupteten, der eigentliche Maler dieses Bildes zu sein.

Die geänderte und endgültige Version von Barrauds Bild
(Public Domain über Wikimedia Commons)


Barraud malte noch weitere Nippers für verschiedene Firmenbüros.

Da wir gerade bei verschiedenen Firmen sind, in Verbindung mit Nippers Logo hört man gern mehr als einen Namen, das ist Entwicklungen und Copyrighttransfers in der Musikindustrie geschuldet - RCA in den USA, Victor in Japan und EMI in Europa, bis sie das Markenzeichen an die unabhängigen HMV-Geschäfte verkauften (HMV für His Master's Voice).

Es gibt Nipper-Statuen an verschiedenen Stellen, die mit diesen Firmen verbunden sind, einer davon sieht meinem sehr ähnlich, eine Fiberglas-Statue, 5 1/2 Meter hoch, bei The Old Vinyl Factory, einem Areal, das früher EMI gehört hat.
Und natürlich ist Nipper auf Grammophonnadeldosen, Nadelschärfern, Schlüsselringen, Stoff, Streichholzschachteln, Ansteckern und noch viel mehr, es gibt ganze Bücher über Tausende von Produkten.
Oh, und er ist auf Magneten - zum Beispiel an meinem Kühlschrank ;-)


Heute hat RCAs Nipper sogar einen kleinen Welpenbruder, Chipper.

Wenn ihr ein bißchen mehr herumgraben möchtet, empfehle ich euch die letzte Publikation (auf Englisch) in meiner Literaturliste.

Quellen (überwiegend englischsprachig):
London Remembers - Nipper (buried)
London Remembers - Francis Barraud & Nipper
Wikipedia - Englisch und Deutsch
Erik Østergaard - The History of Nipper and His Master's Voice
My London article from July 14, 2024
RCA - Nipper and Chipper (deutsch)
The story of 'Nipper' and the 'His Master's Voice' picture painted by Francis Barraud - compiled by Leonard Petts (1973, als Petts Archivar bei EMI war)

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