Montag, 19. April 2021
Die Mischung
Ich versuche meine Perlenbestellungen immer zu planen und trotzdem vergesse ich jedes Mal etwas.
Das erinnert mich an die alten Zeiten, wenn wir in die große Stadt fuhren, um die Plattenladenkette "Lerche" zu besuchen. Sie hatten vier Läden in der langen Fußgängerzone, die vom Hauptbahnhof zum Schloß und darüber hinaus führt. Ich war nie eine große Einkäuferin, aber im Moment vermisse ich das Gefühl, dort einen Spaziergang zu machen, schnell in diesen oder jenen Laden reinzuschauen, zwischendurch schnell was zu essen, etwas Geld auszugeben und daheim dann meine Schätze anzuschauen.
Die Ausflüge in die große Stadt waren kaum jemals spontan und trotzdem war ich nie vorbereitet. Ich dachte immer, daß mir ganz bestimmt einfallen würde, welche Platten ich unbedingt in meinem Leben brauchte, aber dann stand ich im Laden, Tausende von Platten um mich herum, und ich konnte mich an keine einzige erinnern, außer den beiden, die sie sowieso nie hatten. Es war einfach zu überwältigend. Gewöhnlich fiel es mir dann wieder ein, wenn wir auf dem Heimweg waren.
Perlenbestellungen sind einfacher, ich kann, naja, muß sie sogar online machen, weil es in meiner Stadt keinen Perlenladen gibt, ich kann also jederzeit bestellen. Ich versuche sie trotzdem zu planen, um für das oder die nächsten Projekte bereit zu sein, eine Farbe nachzufüllen, Farben vorauszusehen, die ich vielleicht brauchen könnte, und natürlich, um Porto zu sparen.
Diesmal habe ich 15er Rocailles in silber vergessen, die ich jetzt so gut hätte brauchen können. Soviel zur Planung.
Was ich die letzten Male allerdings immer bestellt habe, war eine Überraschungsmischung. Keine Perlensuppe, nur eine Mischung von Farben und Formen. Ich glaube, die Idee spricht so richtig das Kind in mir an. Als ich klein war, gab es bei uns Wundertüten, vielleicht erinnert ihr euch auch noch daran, mit Kaugummi und einer kleinen Figur darin. Das war dieselbe Aufregung, die ich jetzt spüre, wenn ich mein Perlenpaket aufmache. Ich versuche immer zuerst die Sachen auszupacken, von denen ich weiß, daß ich sie bestellt habe, um dann am Schluß zur Überraschung zu kommen. Ich bin ja so ein Kind, ich weiß!
Natürlich kann es ein Risiko sein. Einmal habe ich ein paar Perlenformen bekommen, die ich nie zuvor benutzt habe oder mit den ich mich schwertue, sie zu benutzen. Mit ein paar davon kämpfe ich immer noch. Genau wie das Risiko aber, Farben zu bekommen, die man normalerweise nicht bevorzugt, kann das die Kreativität anregen, was der zweite Grund dafür ist, daß ich dies bestelle. Vielleicht bekommt man ja sogar Farben, die zu benutzen man vorher nie in Erwägung gezogen hat, die aber schnell zu Favoriten werden.
Die letzte Perlenbestellung überraschte mich mit einem wunderschönen dunklen Rot. Das Röhrchen ist fast schon leer, ich hoffe, ich kann euch bald Bilder von diesem Projekt zeigen. Ich bin mir auch sicher, daß ich keine Probleme haben werde, all die hübschen Blautöne aufzubrauchen.
Was aber wirklich witzig war, waren die Röhrchen mit je einmal rosa und grau. Das Witzige daran ist, daß es genau das Rosa und Grau ist, das ich für ein bereits begonnes Projekt ausgesucht habe, welches aber zurückgestellt wurde, weil mir die passenden 15er Rocailles fehlten - die ich gerade gestern wiedergefunden habe. Vielleicht denkt ihr nun, daß die Verkäuferin sich noch daran erinnert hat, daß ich diese Farben schon einmal bestellt habe, aber tatsächlich hatte ich sie von einem anderen Shop ...
Was für ein Zufall!
Was regt eure Kreativität an?
Samstag, 29. August 2020
Verkaufen und kreieren
In den letzten paar Monaten habe ich viel herumgejammert, wenigstens bin ich mir sicher, daß es sich so für manche angehört hat.
Dieser Jewelry Artisans Community
Blog Carnival bietet mir eine gute Gelegenheit, noch etwas zu jammern ;-) Nein, tatsächlich bietet er mir die Chance zu erklären, was so in meinem Kopf herumgeht. Das Thema ist "Verkaufen und kreieren; opfern wir durch das Verkaufen unsere künstlerische Integrität?"
Spontan wäre meine Antwort darauf - vielleicht. Es kommt wirklich auf die Person an, aber auch auf ihre Lebensumstände. Es ist ja so leicht für jemanden, der das Geld nicht wirklich braucht oder zumindest nicht von dem leben muß, was er mit seiner Kunst verdient, einem anderen zu sagen, daß er sich verkauft, weil er sich nach Trends richtet anstatt seine Designs aus den Tiefen seiner Seele zu ziehen.
Natürlich betrifft dieses Thema nicht nur das Schmuckmachen. Wie oft hat an von einem Künstler gehört, der eine "Brot und Butter"-Linie und eine "künstlerische" hatte? Bedeutet das automatisch, daß die "Brot und Butter"-Stücke nicht künstlerisch sind? Sind sie Mist, auch wenn der Künstler gut ist? Wenn er Brot und Butter aber nicht verdienen muß, weil er zum Beispiel reich geboren ist, seine Gemälde/Skulpturen etc. aber trotzdem verkauft, verkauft er damit dann auch seine künstlerische Integrität? Bestimmt der Preis eines Stücks seinen künstlerischen Wert?
Das war schon immer Thema, wahrscheinlich seit das allererste Stück von einem Kunsthandwerker oder Künstler verkauft wurde, und man könnte das ausführlich diskutieren, aber in diesem Post geht es um meine persönliche Erfahrung damit.
Wer ist "schuld" daran, daß ich überhaupt mit dem Verkaufen angefangen habe? Es war der Vorgänger von JAC, das Starving Jewelry Artists Forum. Egal wie sehr ich es versuche, ich habe keinen Plan mehr, wie ich es gefunden habe und warum ich überhaupt den Mut hatte, direkt mitzumachen anstatt zuerst nur zu lurken. Ich schätze, die Leute waren einfach zu nett und ermutigend, Schande über sie! ;-)
Tatsächlich machte ich ziemlich schnell, nachdem ich dem Forum beigetreten war, einen Shop auf. Ein Angebot im Forum war, Neuankömmlinge mit erfahrenen Verkäufern als Mentoren zusammenzubringen, die ihnen Tips geben oder Fragen beantworten konnten. Das zweite, was meine Mentorin mir sagte, war, ein Design, das ich verkauft hatte, nochmal zu machen und im Shop einzustellen - und ich dachte mir, keine Chance. Ich mache ja nicht mal gern einen zweiten Ohrring, was witzig ist, weil das erste, was ich je verkauft habe, ein Paar Ohrringe war.
Der Gedanke, immer wieder dasselbe zu machen, war mir gräßlich. Der Gedanke, etwas nur zu machen, weil es "trendig" war, war mir gräßlich. Wenn Freunde mich fragten "warum machst du nicht dies oder das" (gewöhnlich in einem Stil oder einer Technik, die sich völlig von meinen unterschieden), wußte ich, daß sie es gut meinten, aber es frustrierte mich trotzdem. Ich versuchte zu verstehen, warum sich manche Sachen verkauften, die, die mir besonders am Herzen lagen, aber nicht. Ich wurde hin und her gerissen, zwischen Motivation, Kreativitätsausbrüchen und Selbstzweifeln. Ich lernte, daß Selbstpromotion nicht mein Ding ist. Es gab Momente, in denen ich sagte, ich würde meinen Schmuck aus dem Fenster werfen, könnte aber den Gedanken nicht ertragen, daß ihn keiner aufheben würde. Selbstzweifel lassen mich ein kleines bißchen überdramatisch werden ... :-D
Ich meldete mich auf Verkaufsseiten an und verließ sie irgendwann wieder, ein Grund dafür war die Richtung, die sie einschlugen. Als DaWanda den Bach runterging, ging mein deutscher Markt gleich so ziemlich mit, weil ich nicht mehr auf Etsy war und meine sturen Gene mir sagten, nicht nur um des Geschäfts willen zurückzugehen. Ich kam aber ganz gut mit meinem Shop und den Verkaufsgruppen hin (immerhin waren meine Erwartungen nicht so hoch) ... und dann kam Covid (ah, wir kommen zum Jammerteil).
Auf einmal gab es Versandbeschränkungen für die Länder, wo die meisten meiner Kunden sind. Ich kann nicht mal mehr Geschenke machen. Ich hatte ein Paket für einen Verein gepackt, aber es war schon zu spät, um es abzuschicken. Die einzigen Versandoptionen sind für das, was ich verkaufe, zu teuer. Das geht jetzt seit 5 1/2 Monaten so, und um ehrlich zu seien, sehe ich da keine Änderungen für die nächsten Monate, und dann ist da jetzt auch noch das Problem mit USPS, selbst wenn ich also in die USA versenden könnte, würden meine Päckchen ankommen und wann?
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So fühle ich mich beim Gedanken an 2020 ... |
Was nun passierte, war sehr interessant für mich und nicht wirklich, was ich erwartet hätte. An einem bestimmten Punkt war all meine Motivation, Schmuck zu machen, weg. Nach mehr als zehn Jahren. War es also die ganze Zeit ums Verkaufen gegangen? War dies ein Weckruf gewesen, daß ich bereit war weiterzuziehen und wenn ja, wohin? War das ein Zeichen, komplett aufzugeben? Sollte ich die Motivation finden, in den deutschen Markt zurückzukehren und wie? War es Covid-Depresion? Würde ich jemals wieder etwas schaffen können? Zu guter Letzt, was würde ich mit den Dingen tun, die ich mache? Sie hübsch aufstapeln? Etwas mchen, wieder kaputtreißen und etwas Neues machen? War das nicht einer der Gründe gewesen, einen Shop zu eröffnen, nicht zu stapeln? So viele Fragen!
Ich kann das alles nicht beantworten ... noch nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, daß Covid-Depression einen Teil ausmacht. Ich habe meine Wohnung seit Mitte März so gut wie nicht verlassen, und obwohl ich irgendwie darauf vorbereitet war, weil ich über die letzten paar Jahre etwas einsiedlerisch geworden bin, hinterläßt es doch Spuren. Ich weiß wenigstens, daß ich immer noch kreativ sein kann, weil ich an größeren persönlichen Projekten gearbeitet habe, so wie das Puppenoutfit oder die perlenbestickten Turnschuhe.
Bedeutet das, daß meine artistische Integrität jetzt zurück ist oder daß sie nie weg war oder hatte ich von vornherein keine?
Wie ihr seht, habe ich selber mehr Fragen als Antworten, aber ich würde gern eure Geschichte hören.
Dies ist, was andere JAC-Mitglieder (auf Englisch) dazu zu sagen haben, schaut bitte vorbei :-)