Donnerstag, 23. Oktober 2025

Stummfilme - Der müde Tod

Es ist höchste Zeit für einen Fritz Lang-Film und nein, es ist nicht "Metropolis", der seit vielen Jahren geduldig in meiner DVD-Sammlung wartet.
Stattdessen habe ich für euch "Der müde Tod" von 1921.


Fangen wir wie üblich mit der Handlung an (mit Spoilern).

Ein junges Paar fährt in einer Kutsche, deren Fahrer auch einen Fremden mitnimmt.
Als sie in einer kleinen Stadt ankommen, kauft dieser Fremde ein Gelände neben dem Friedhof und baut eine riesige Mauer ohne sichtbare Tür darum herum.
Später begegnet ihm das junge Paar in der Taverne wieder. Während die Frau in die Küche geht, verschwinden ihr Geliebter und der Fremde, und sie geht sie suchen. Als sie zu der Mauer kommt, geht eine Gruppe von Geistern durch sie und die Mauer hindurch in das Reich des Todes, einer davon ist ihr Geliebter.
Sie konfrontiert den Fremden, der natürlich der Tod selber ist, und fleht ihn an, ihren Geliebten zurückzugeben, weil Liebe stärker ist als der Tod.
Er sagt ihr, daß er es müde ist, den Kampf zu sehen und Haß dafür zu ernten, daß er Gottes Geboten gehorcht, daß er also froh wäre, wenn sie ihn überwinden würde. Er zeigt ihr drei flackernde Kerzen und meint, daß er ihren Geliebten wieder zum Leben erweckt, wenn es ihr gelingt, eines dieser Leben zu retten.


Jede der Geschichten der drei Lichter wird mit dem jungen Paar als Geliebte in unterschiedlichen Rollen erzählt.
In der ersten geht es um Zobeide, des Kalifen Schwester, die in einen Franken verliebt ist. Er wird von den Wachen gefangengenommen und vom Kalifen zum Tode verurteilt. Zobeide kann ihn nicht retten und der Tod beansprucht sein Leben.
In der zweiten geht es um Monna Fiametta in Venedig. Sie ist mit einem Mitglied des Rats der Vierzehn, Girolamo, verlobt, haßt ihn jedoch. Ihr Geliebter is Gianfrancesco, den Girolama hinrichten lassen möchte. Monnas Plan, Girolamo einzuladen und dann zu töten, geht schief, als er ihren Trick durchschaut, und stattdessen stirbt Gianfrancesco. Das zweite Licht erlöscht.
Die dritte erzählt die Geschichte der Assistenten eines Zauberers, Tiao Tsien, die die Aufmerksamkeit des Kaisers auf sich zieht, und ihr Geliebter Liang. Sie versuchen zu flüchten, aber der Bogenschütze des Kaisers holt sie ein und tötet Liang.

Obwohl sie keines der drei Leben retten konnte, hat der Tod Mitleid mit der jungen Frau und bietet ihr das Leben ihres Geliebten an, falls es ihr gelingt, in der nächsten Stunde eine Seele zu finden, um die seine zu ersetzen.
Mehrere der alten Menschen in der Stadt weigern sich, ihr Leben herzugeben.


Als ein Gebäude in Flammen aufgeht, können alle entkommen, nur ein kleines Baby ist noch im Haus. Die junge Frau erkennt ihre Chance und rennt hinein, als der Tod aber kommt, um die Seele des Babys zu fordern, und sie durch das Fenster die verzweifelte Mutter sieht, kann sie es ihm nicht geben. Sie läßt das Baby durch das Fenster herunter und bietet dem Tod stattdessen ihre eigene Seele an, glücklich, im Tod mit ihrem Geliebten wiedervereint zu sein.


Kommen wir als erstes zum Elefanten im Raum (nicht dem tatsächlichen im Film), um das aus dem Weg zu haben.
Wie ihr euch bei einem Film aus der Zeit vorstellen könnt, fühlen sie die Geschichten des ersten und dritten Lichts etwas peinlich an, nicht der Handlung, sondern der Klischees wegen, wie die Kulturen dargestellt sind, die dritte noch mehr als die erste.

Das ist schade, denn den Film selber mochte ich echt gern.
Es heißt, er sei von der indischen Sage von Savitri und Fritz Langs Erfahrung, als er als Kind fieberkrank war, inspiriert, aber ich kann mir das auch leicht in einem Märchen aus einem anderen Land vorstellen.
Tatsächlich nannte Lang ihn ja "ein deutsches Volkslied in sechs Versen".

Wenn man Märchen kennt, vor allem ursprüngliche Versionen statt der bereinigten, ist das Ende vielleicht gar nicht mal so überraschend. Ich weiß, daß ich mehr als eins gelesen habe, in dem es nicht für alle ein Happy End gab. Vielleicht ist das ja auch ziemlich deutsch, vor allem zu dieser Zeit, wenn man bedenkt, daß der Erste Weltkrieg noch nicht so lang vorüber war und immer noch Einfluß auf den Alltag hatte.
Dennoch wurde der Film von deutschen Kritikern zunächst nicht gut aufgenommen, da er ihnen wegen all der fremden Orte nicht "deutsch" genug war. In den USA, wo er drei Jahre später herauskam, wurden die Zwischentiteln auf eine Weise geändert, die andeutete, daß die junge Frau in allen Versen am Tod ihres Geliebten schuld war, was nicht der Absicht der Schöpfer entsprach, also war er auch dort nicht erfolgreich. In Frankreich wurde er besser aufgenommen, was dann auch in Deutschland zu mehr Anerkennung führte.

Ich fand, daß dieser expressionistische Film eine tolle Stimmung vermittelte, aber er war auch nicht durchgehend düster. Es gab die Szene in der Kutsche oder die Darstellung der Stadtältesten, die auf jeden Fall Humor zeigten.
Richtig beeindruckt war ich vom Tod, von Bernhard Goetzke wunderbar gespielt, ein Schnitter, der nicht nur grimmig, sondern auch freundlich war und der schweren Last müde, die er auf ewig tragen mußte.
Er war auch der Grund, warum ich die Hauptgeschichte mehr als die der drei Lichter liebte.

Als überraschende Wendung empfand ich, daß die junge Frau nach einer Seele suchte, die sie Tod für die ihres Geliebten geben konnte. Um ehrlich zu sein, hatte ich erwartet, daß sie sich schon eher für ihn opfern, was man so aus vielen anderen Geschichten kennt. 
Sie jedoch bittet recht kühn mehrere alte Menschen in der Stadt darum, ihr Leben herzugeben, doch sie weigern sich "Nicht einen Tag, nicht eine Stunde, nicht einen Atemzug".
Bis zur letzten Sekunde ist sie in Versuchung, als sie in das brennende Haus stürmt und dem Tod das Baby schon beinahe übergeben hat. Das wäre wirklich sehr selbstsüchtig gewesen.


Es gab einige schöne Spezialeffekte, die gut funktioniert haben, zum Beispiel die Doppelbelichtungen, den fliegenden Teppich oder die tanzende Schriftrolle.

Wird es dieser Film auf meine Liste zum nochmaligen Anschauen schaffen? Ein klares Ja von mir.


Quellen:

1. Daniel Lammin: Destiny (Fritz Lang, 1921). Auf: Senses of Cinema, Juni 2018
2. David Vining: Destiny. Auf: David Vining, Author. 5. August 2022
3. Jay Weissberg: Destiny. Essay. Auf: San Francisco Silent Film Festival 2016


Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.

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