Sonntag, 26. Oktober 2025

Aus meinem Kinderbuchschrank - Privatdetektiv Tiegelmann

Als Kind wollte ich wirklich gern einen "Nordpol" haben. Wie den in der Geschichte von Teffan Tiegelmann.
Verwirrt?
Falls ihr alt genug und mit englischen Kinderbüchern aufgewachsen seid (was wohl eher unwahrscheinlich ist, wenn ihr hier auf den Blog gefunden habt), kennt ihr Teffan Tiegelmann vielleicht als Tam Sventon. Seid ihr Schweden, kennt ihr ihn als Ture Sventon.
Natürlich habe ich nur die älteren deutschen Übersetzungen dieser schwedischen Kinderbuchreihe in meinem Bücherschrank und werde deren Namen benutzen (spätere Übersetzungen behielten die schwedischen Namen bei). Da mein Schwedisch nicht-existent ist, kann ich nicht sagen, wie nah sich die Übersetzungen an das Original halten, und es war auch ein bißchen schwieriger für mich als normal, alles zusammenzusuchen.
Die Bücher wurden übrigens in mehrere Sprachen übersetzt.

Sammelband der ersten drei Bücher,
unser Kindheitsexemplar hat seinen
Rücken schon vor langer Zeit verloren,
aber ich habe dieses gut erhaltene
Exemplar auf dem Flohmarkt entdeckt.

Teffan Tiegelmann ist Privatdetektiv in der Hauptstadt. Äußerst fähig, aber leider weiß das außer ihm niemand, weil ihm nie jemand einen Auftrag gibt.
Also wartet er, während seine Sekretärin im anderen Zimmer strickt, und sie essen "Tahnentörtchen", die er von der "Konditorei Roda" das ganze Jahr über bekommt, erstmal auf Pump.
Geboren wurde er als Stephan Siegelmann (Sture Svensson im Original, Sam Svensson auf Englisch, in anderen Sprachen gibt es auch noch andere Namen), aber er hat seinen Namen offiziell geändert, damit er zu seinem Lispeln paßt (er lispelt nicht immer, wahrscheinlich weil das die Bücher etwas umständlich zu lesen machen würde). Tahnentörtchen sind tatsächlich Sahnentörtchen, ja mit dem n in der Mitte, (die ich mir immer als Windbeutel vorgestellt habe, im Original sind es "temlor"
 (semlor), im Englischen "hot cross buns"), und die Konditorei gehört natürlich Rosa.

Eines Tages geschehen zwei außerordentliche Dinge.

Erstens bekommt Tiegelmann einen Fall. Eine ältere Dame kommt aus ihrem Städtchen in die Hauptstadt, um einen Privatdetektiv zu finden, und wie der Zufall es will, bemerkt sie Tiegelmanns Schild.
Friederike und Friedlinde Friedborn sind zwei Schwestern, die in einer Villa leben. Im Sommer laden sie ein paar Kinder aus der Verwandtschaft ein, eine Weile bei ihnen zu verbringen. Alles ist ganz idyllisch, bis ein Mann in der Stadt auftaucht, der mehr als rüde zu den Kindern ist, - sie nennen ihn "Ochse", weil er so groß ist - und ein Brief kommt mit der Drohung, daß die Villa in die Luft gejagt werden wird, wenn die Schwestern kein Geld in der alten Eiche hinterlegen.
Tiegelmann erkennt die Unterschrift von Wilhelm Wiesel (schwedisch "Ville Vessla", englisch "Willie the Weasel") im Brief, einem schwer zu fassenden Kriminellen, dem man nachsagt, daß er schon mal durch ein Schlüsselloch entkommen ist.
Tiegelmann willigt ein, mitzukommen und den Schwestern zu helfen.

Zweitens erhält Tiegelmann Besuch von Herrn Omar, der ihm einen Teppich verkaufen will. Nicht nur irgendeinen Teppich - einen fliegenden!
Zum Glück leiht Tiegelmanns Tante ihm das Geld, ihn zu kaufen, damit er ihn benutzen kann, in die Stadt zu reisen, wo die Friedborns leben.

Auf geht's zur Testfahrt, ähm, zum Testflug!


Natürlich löst Tiegelmann den Fall, was ihm die Aufmerksamkeit einbringt, auf die er immer gewartet hat, und zu noch mehr Fällen führt.
Präzise gesagt gibt es neun Bücher in der Reihe, die von 
Åke Holmberg geschrieben und zwischen 1948 und 1973 herausgebracht wurde - die deutschen Bücher wurden einzeln veröffentlicht, es gab aber auch zwei Sonderausgaben vom Tosa-Verlag Wien, Sammelbände für Buch 1 bis 3 und 4 bis 6, welche ich besitze (siehe Bilder). Tosa gab oft solche Sonderausgaben heraus. Ich wünschte, sie hätten auch eine für die letzten drei Bücher gemacht, ich bin komisch, was Buchreihen angeht, deren Bände nicht zueinanderpassen, aber hilft ja nix 😉

Sammelband der Bücher 4 bis 6

Abhängig von der Ausgabe sind die deutschen etwas unterschiedlich. Meine heißen "Privatdetektiv Tiegelmann", "Detektiv Tiegelmann in der Wüste", "Detektiv Tiegelmann in London", "Detektiv Tiegelmann und Isabella", "Detektiv Tiegelmann in Stockholm", "Detektiv Tiegelmann in Paris", "Privatdetektiv Tiegelmann im Spukhaus", "Privatdetektiv Tiegelmann im Warenhaus" und "Privatdetektiv Tiegelmann in Venedig".

Die deutschen Ausgaben sind schon lange vergriffen, aber in Schweden ist Tiegelmann immer noch ein Klassiker, sowohl in gedruckter als auch elektronischer Form. Natürlich sind sie die Bücher in mancher Hinsicht etwas gealtert.
Die Figuren sind ein bißchen klischeehaft, da gibt es Tiegelmann in seinen vielen Verkleidungen, die Kinder sind schlau und abenteuerlustig und die Übeltäter sind böse, aber dem Detektiv auf keinen Fall gewachsen. Es fühlt sich eher so an, als ob Holmberg dies eher als lustige Lektüre denn als ernsthaften Kinderkrimi gedacht hat, anders als die Blyton-Bücher, um nur ein Beispiel zu nennen.

Tiegelmanns geniale Verkleidung
als Putzfrau, wer würde nicht
darauf hereinfallen?

Sonst hätten wir ja auch kaum einen fliegenden Teppich oder den "Nordpol", der Teil des zweiten Buchs ist, ein Kühlschrank, der das Essen, das man hineinstellt, schrumpfen läßt, was eine Menge Platzprobleme löst, zum Beispiel als Tiegelmann auf seinem Teppich in die Wüste fliegen muß, um seinem Freund Omar auszuhelfen und ein gestohlenes Kamel zu finden. Ihr würdet ja wohl nicht erwarten, daß er ohne eine Ladung "Tahnentörtchen" reist, oder?

Es gibt auch ein paar typische Ausdrücke, sehr beliebt ist "Die Pitolen nur im Notfall anwenden!" (Original "Använd bara pitolerna i nödfall!", auf Englisch "Only use the guns in an emergenty!"). Es gibt sogar ein schwedisches Buch über Ture Sventon und seinen Schöpfer, das den Satz als Titel trägt.

Tiegelmann in einer weiteren seiner
Verkleidungen, diesmal als Kind. Wie ihr sehen
könnt, ist das ein Notfall - obwohl er tatsächlich
gar nicht wußte, daß die Pitole aus dem
Dreißigjährigen Krieg noch geladen war!

Es gibt aber noch mehr.
1. Der Hauptillustrator der Bücher, Sven Hemmel, hat einige Comics, die auf den Büchern beruhten, gemacht. Sie erschienen zuerst in der Kinderzeitschrift "Kamratposten" und dann auch als Alben. Wenn man in der Grand Comics Database nach Ture Sventon sucht, kann man ein paar davon finden und sich ihre Covers anschauen.
2. Das erste Buch war als Hörspiel auf LP und Kassette vorhanden (die guten alten Zeiten).
3. Es gab auch Radiohörspiele (es gibt sogar etwas online Verfügbares).
4. Die Tatsache, daß es zwischen 1972 und 2023 mehrere Verfilmungen als Film oder Fernsehserie gab (mit Plänen für eine weitere), zeigt, daß unser Detektiv auch heute noch in Schweden beliebt ist (zwei der Verfilmungen gibt es zur Zeit auf YouTube, sie sind auf Schwedisch, aber man kann die schwedischen Untertitel automatisch übersetzen lassen, wie gut das dann ist, kann ich noch nicht sagen).
Eine der Fernsehserien lief als der Julkalender des schwedischen Fernsehsenders SVT im Jahr 1989, der aus 24 Episoden für jeden Tag dieses "Adventskalenders" besteht, den es seit 1960 gibt.


Habt ihr schon mal von Ture Sventon gehört, egal wie er in eurem Land auch heißen mag?
Wenn nicht, hoffe ich, euch hat dieser kleine Blick in einen schwedischen Kinderbuchklassiker gefallen!


Quellen:

1. Ture Sventon auf dem schwedischen Wikipedia (auf Schwedisch, was heißt, daß ich Firefox' Auto-Übersetzung nutzen mußte)
2. Kurt Schäfer: 
Åke Holmberg | Privatdetektiv Tiegelmann. Auf: Kaliber .17
3. Tam Sventon. Auf: TV Tropes (auf Englisch)

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