Montag, 3. November 2025

Regentage

"Aber wir lieben die Sonne. Wir wollen Sandalen und hübsche Kleider tragen."

1. Ich bin kein Fan davon, daß manche Angehörige medizinischer Berufe immer noch "wir" benutzen, wenn sie eigentlich mich meinen. Es ist nicht mehr ganz so schlimm, aber man hört es schon noch und es nervt mich. Manchmal, wenn ich nicht dazu aufgelegt bin, nett zu sein, frage ich dann zum Beispiel, ob "wir" bedeutet, daß ich jetzt auch bei ihnen Blut nehme.
Wenn dann noch jemand so weit geht, "wir" zu sagen und damit nur sich selber zu meinen, und mir sagt, daß "wir" die Sonne lieben, wenn ich ganz offensichtlich leide - diese spezielle Konversation fand an einem extrem heißen Sommertag statt, mein Kopf stand kurz vor der Explosion und mir war, als müßte ich jede Minute umfallen - ist es sehr schwierig für mich, sie nicht anzufauchen. Ich hatte schon immer ein Problem mit Hitze.
Es gibt kein kategorische "wir" für Geschmack oder Gefühle, kein "jeder" oder "keiner", kein "immer" oder "nie".

Ich erinnere mich noch so gut daran, es war 
die lang ersehnte Erleichterung
an einem sehr heißen Augusttag.

2. Ich liebe die Sonne nicht. Ich bin absolut ein Kind von Schatten und Regen und war das schon immer (und habe es schon mehr als einmal auf diesem Blog erwähnt, tut mir leid).

Heute (also an dem Tag, an dem ich dies schreibe) ist ein sehr grauer und regnerischer und dunkler Tag und ich liebe das total, nicht nur weil ich drin bin und gemütlich unter einer Decke liege, mit zwei schlafenden Katzen als Gesellschaft.
Es gibt jetzt einen Neologismus dafür, auch wenn ich im Deutschen nicht so oft höre ... pluviophil, das ist "jemand der während Regentagen Freude und Seelenfrieden findet".
Obwohl es jetzt mehr Menschen zu geben scheint, die gern zugeben, daß sie pluviophil sind, gibt es eine Menge Leute, die das anscheinend nicht akzeptieren können. Sie verstehen nicht, wie jemand an einem grauen Tag glücklich sein kann, und man hat mir schon mehr als einmal erklärt, daß das unmöglich ist (genauso wie es offensichtlich möglich sind, es zu mögen, daß es früher dunkel wird, und die Sommerzeit zu hassen).
Ist es nicht witzig, wie jemand anders soviel besser als ich darüber Bescheid weiß, wie ich mich fühle? 😶

Bitte entschuldigt, falls ihr die folgende Geschichte schon mal gehört habt, - denn ich erzähle sie echt gern - oder überspringt sie einfach.
Das erste Mal, das mir bewußt wurde, daß ich Regen liebe, war in der Schule. Ich weiß wegen des Klassenzimmers im Erdgeschoß, daß es in der 1. oder 2. Klasse gewesen sein muß, ich war also 5 oder 6.
Es war im Sommer und plötzlich wurde es wegen eines Gewitters richtig dunkel, aber ich hatte überhaupt keine Angst. Stattdessen fühlte es sich unglaublich gemütlich an, das dunkle Klassenzimmer, der Donner und das wundervolle Geräusch von Regen.

Nun meint ihr vielleicht, daß es ja auch einfach ist, Regen zu mögen, wenn man nicht mittendrin ist. Sagen wir mal, es ist einfachER. Es macht mir nichts aus, im Regen herumzulaufen und gewöhnlich sind Leute schockierter darüber, wie naß ich geworden bin, als ich selber. Ich benutze keine Schirme, weil ich berüchtigt darin bin, sie zu vergessen, und ich halte sie außerdem nicht gern (wie ich schon mal erzählt habe). Das ist eine langjährige Diskussion mit der Familie, die meint, ich sei einfach nur stur (was stimmt, hiermit aber nichts zu tun hat).
Aber ja, natürlich ist es trotzdem netter, irgendwo zu sitzen oder auf meinem Bett herumzuhängen und dem Regen zuzuhören. Es sind soviele Geräusche, je nachdem wie stark er ist und auf welche Oberfläche er fällt und sie hören sich für mich alle schön an - wenn ich sicher sein kann, daß er nicht durch eine Decke kommt (ich hatte die eine oder andere Erfahrung mit Flachdächern, aber nie in der eigenen Wohnung), zu Hagel wird oder Überflutungen verursacht, was einen wirklich erschrecken kann, aber das gilt ja für alle Naturkatastrophen.
Regen zuzuhören beruhigt mich, es bringt mich sogar zum Einschlafen. Ich habe ein Geräuschmaschinchen, das immer auf "Regen" eingestellt ist. Behaltet euren murmelnden Bach (obwohl das meine zweite Wahl wäre), euer knackendes Lagerfeuer, euren Wind oder sogar die singenden Vögel (weil das für mich absolut ein Morgengeräusch ist). Gebt mir Regen.

Bild über pxhere

Dann ist da noch der Geruch.
Ihr habt ja vielleicht schon mal von Petrichor gehört, dem "Geruch von Regen auf trockener Erde", ein Begriff, der 1964 geprägt wurde. Manche Wissenschaftler glauben, daß dieser Geruch von Menschen geschätzt wird, weil Wasser immer überlebenswichtig war.
(Übrigens ist hier ein englischer BBC-Artikel, der von einer TikTok-Debatte darüber angeregt wurde, "wer es besser riechen kann, Amerikaner oder Europäer".)



Boden, der von einem Regentropfen getroffen wird
(gemeinfrei auf Wikipedia)

Regen verändert Gerüche. Als erstes fallen mir dazu nasse Hunde ein (kein Regen auf meinen Wohnungskatzen), was mir nicht wirklich etwas ausmacht.
Einer, der für mich aber echt herausstach, war der Geruch in der unterirdischen S-Bahn-Station, von wo aus ich nach der Arbeit heimfuhr, aber nur direkt nach oder während eines Regens. Er war leicht chemisch, ich schätze mal, daß die Bahnschwellen mit so etwas wie Kreosot behandelt wurden?
Tatsächlich gibt es einen Kreosotbusch, von dem manche sagen, er rieche wie Regen.
Ich habe keine Ahnung, ob das die Antwort ist, auf jeden Fall war mir dieser Geruch ganz und gar nicht unangenehm. Haltet euch mit einem Urteil zurück. Ich wartete dort ja nur für ein, höchstens zwei Minuten und habe mich nicht an den Gleisen entlanggeschnüffelt.
Es gibt zwei lange Treppen zur Station hinunter und der Geruch fiel mir gewöhnlich auf, wenn ich um die Ecke herum zur zweiten ging, dann wurde er stärker, aber nicht überwältigend.
Seltsamerweise erinnere ich mich nicht daran, daß es auch so roch, wenn ich zur Arbeit ging, vielleicht weil ich schon im Tunnel gewesen war? Im Zug habe ich es aber nicht bemerkt, weder zur noch von der Arbeit.
Jedenfalls hatte ich dabei immer ein warmes, angenehmes Gefühl, obwohl mein Kopf mir sagte, daß das nicht gesund sein konnte. Ich nehme an, es symbolisierte für mich, daß der Tag vorbei und ich auf dem Heimweg war.

Im Laufe der Jahre entwarf ich mehr als ein Stück, das mit Regen zu tun hatte, zum Beispiel aus Fimo oder Perlen. Ich war aber nie recht glücklich damit und nahm sie alle wieder auseinander.
Für diesen Post hatte ich wieder mit einem angefangen, aber als ich schon ziemlich weit damit gekommen war, sah es einfach nicht wie meine Vision aus. Irgendwann möchte ich noch etwas anderes ausprobieren, aber meine Bastelzeit hat inzwischen Einschränkungen und meine Liste ist so lang!

Wie schaut es denn bei euch aus? Mögt ihr Regen?

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