Samstag, 8. Dezember 2018

Weihnachtslied - Das achte Türchen



Als ich ein Kind war, bat unser Pfarrer mich, nach dem Konfus (Konfirmationsunterricht, für die, die das nicht so genannt haben) in sein Büro zu kommen. Er war ein echt cooler Kerl, schlau, freundlich, hörte uns Jungen genauso zu wie den Erwachsenen, wurde nie böse auf uns, wurde nie von unseren Streichen überrascht (da kommt mir zum Beispiel die Erinnerung an einen Überfall in seinem Garten, nach dem einige seiner Äpfel auf mysteriöse Weise verschwunden waren, und nein, daran habe ich nicht teilgenommen), war immer offen für Fragen und absolut niemals herablassend. Wer weiß, hätte ich mehr von seiner Sorte in der Kirche kennengelernt, würde ich jetzt vielleicht anders darüber denken. Darum soll es hier aber nicht gehen.
Als ich zu ihm hinaufkam, sagte er, daß ihm jemand zwei Sätze an Büchern von Theodor Storm gegeben hätte und meinte, er solle einen davon einem Kind geben, das sie seiner Meinung nach schätzen würde. Die meisten davon waren in Fraktur, und er dachte, ich sollte sie haben, weil er wußte, daß ich sie fließend lesen können würde.
Ich habe keine Ahnung, warum er mich ausgesucht hatte, ich bin mir sicher, es gab andere, die Fraktur lesen konnten, vielleicht tat er es, weil ich so verrückt nach Büchern war oder vielleicht wollte er mir auch etwas beibringen. Vielleicht war ich ja einfach die erste, die er sah ;-) Es ist auch egal, ich freute mich und war möglicherweise auch etwas stolz. Das war vor mehr als 40 Jahren, und ich habe und schätze sie immer noch, obwohl ich sie schon lang nicht mehr gelesen habe.

Ihm zu Ehren ist hier ein Weihnachtsgedicht von Storm. H.K. (so nannten wir ihn kurz, natürlich nicht ins Gesicht, obwohl ich mir sicher bin, daß er davon wußte), dies ist für Sie.


Weihnachtslied

 

Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern herniederlacht;
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.


Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre ferne Kirchenglocken
Mich lieblich heimatlich verlocken
In märchenstille Herrlichkeit.


Ein frommer Zauber hält mich wieder,
Anbetend, staunend muß ich steh'n;
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder,
Ich fühl’s, ein Wunder ist gescheh'n.



Oberhofenkirche (damals "meine" Kirche, Bild von 2010)

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