Gehört ihr zu den vielen Menschen, die "Downton Abbey" angeschaut haben? Dann wißt ihr, daß der Earl of Grantham seine amerikanische Frau Cora ursprünglich geheiratet hat, um mit ihrem Geld seinen Besitz zu retten.
Das war überhaupt nicht ungewöhnlich. Eine ganze Reihe von sogenannten "dollar princesses" heirateten in Familien mit Adelstitel ein, die meisten davon in Großbritannien. Diese brauchten das Geld und die Familien der jungen Damen, die oft zu den "nouveau riche", den Neureichen, gehörten, erwarben sich sozialen Status. Ein Gewinn für beide Seiten, richtig? Nun ja, nicht immer, wenn das Paar sich nicht verliebte, wie das bei den Granthams der Fall war.
Im heutigen Stummfilm geht es um eine solche Dollarprinzessin. Es ist Ernst Lubitschs "Die Austernprinhzessin" von 1919.
Ich präsentiere euch - die Handlung. Mit Spoilern.
Seid darauf gefaßt, der Film hat den Untertitel "ein groteskes Lustspiel".
Zuerst treffen wir auf Mr. Quaker, den amerikanischen Austernkönig.
Er ist so obszön reich, daß er mehr Bedienstete hat, als man zählen kann, vier davon nur dafür, seine lächerlich riesige Zigarre zu halten, ihm die Nase zu putzen, ihm die Kaffeetasse an den Mund zu setzen und sein Haar zu kämmen.
Mr. Quaker hat eine Tochter, Ossi. Sie ist so verwöhnt, daß sie einen Tobsuchtsanfall bekommt und Vasen zerdeppert, als eine Mitdebütantin einen Grafen heiratet.
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| "Ich kaufe dir einen Prinzen." Gesagt, getan, Papa bestellt Ossi per Brief einen vom Heiratsvermittler. |
Der Heiratsvermittler wählt den verarmten Prinzen Nucki aus, aber Nucki sagt ihm, daß sich sein Freund Josef, mit dem er zusammen wohnt, die Dame erstmal anschauen wird.
Als Josef im Quaker-Palast eintrifft (großartiges Szenenbild!), wird er nach seiner Karte gefragt und gibt eine von Nucki ab, weil er keine eigenen hat. Nachdem er ewig darauf gewartet hat, daß Ossi endlich bereit ist, ihn zu sehen, sagt sie kaum Hallo, bevor sie ihn zur Trauung schleppt - die durch das Fenster hindurch vollzogen wird, nur keine Zeit verlieren.
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| Nicht nötig, ihn zu fragen, ob er will, Ossi beschließt, daß "Prinz Nucki" in dieser Sache ohnehin nichts zu sagen hat. Auf dem Rückweg muß er sogar hinten in der Kutsche sitzen. |
Und da die Hochzeit so eilig war, ist auch das Feier dazu richtig klein.
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| Ein Diener pro Gang pro Gast, geht es noch kleiner? Natürlich gibt es da in der Küche noch ein paar mehr Leute ... |
Während "Prinz Nucki" Speis und Trank genießt, wird der echte Prinz von seinen Freunden von seinem sauren Hering fortgeholt und geht mit ihnen auf Sauftour.
Immer noch angetrunken wird er am Morgen aufgegriffen und zum "Verein der Milliardärstöchter zur Bekämpfung der Trunksucht" gebracht, wo er Ossi auffällt. Sie ist nicht die einzige, die an ihm interessiert ist, also ist die einzige Lösung natürlich ein Boxmatsch (ja, so steht's auf dem Zwischentitel) zwischen ihnen allen - wie zu erwarten gewinnt sie.
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| Nucki is von soviel Frauenpower überwältigt. Ich bin von diesem großartigen Outfit überwältigt. |
Ossi und Nucki fühlen sich sofort zueinander hingezogen, aber das ist diese kleine Sache, nämlich daß Ossi mit Josef verheiratet ist ... oder?
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| Ich schau' dir in die Augen, Kleines. |
Gerade als sie wegen ihrer hoffnungslosen Liebe in Tränen ausbrechen, kommt Josef ins Zimmer and sagt ihnen, daß alles gut ist, weil er ja unter Nuckis Namen geheiratet hat! Ich bin mir nicht sicher, was der Priester dazu sagen würde (obwohl es in alten Zeiten königliche Hochzeiten gab, in denen der Bräutigam von einem Freund vertreten wurde), aber sie haben nun ihr Happy End!
Wie schon gesagt, läuft dies unter groteskes Lustspiel und darum ist die Handlung gar nicht so wichtig wie die einzelnen Lacher, also können wir so Kleinigkeiten wie eine Blitzhochzeit mit dem falschen Mann unter dem richtigen Namen ignorieren.
Der gesamte Film ist wie ein Wirbelwind, der uns von einer zur nächsten Situation bläst, und ich habe ihn sehr genossen, was seltsam ist, denn wenn man es mal rational betrachten würde, würde man wahrscheinlich keinen einzigen der Hauptfiguren gutheißen!
Mr. Quaker ist so reich, daß ihm gar nichts mehr imponieren kann. Wo immer er hingeht, folgt ihm eine Menge Diener. Als Ossi erzählt, daß die Tochter des Schuhcremekönigs einen Grafen geheiratet hat, schreibt Mr. Quaker dem Heiratsvermittler, daß Austern natürlich viel mehr sind als Schuhcreme, und er daher einen Prinzen benötigt. An der Hochzeit selber ist er jedoch nicht sehr interessiert, solane nur der Stammbaum des Bräutigams paßt.
Ossi ist so verwöhnt, daß sie ungefähr 20 Dienstmädchen braucht, nur um ein Bad zu nehmen und angezogen zu werden. Den falschen Prinzen Nucki heiratet sie nur wegen des Titels.
Prinz Nucki hat nichts außer seinem Titel, als aber der Heiratsvermittler bei ihm vorbeikommt, versucht er trotzdem noch, den Schein aufrechtzuerhalten, indem er auf dem lächerlichsten "Thron" sitzt, mit Josef an seiner Seite stehend.
Er muß sich sogar das Geld für den Bummel mit seinen Freunden ausborgen.
Josef, nun, eine Weile fragte ich mich, wie sie das wohl lösen würden, denn Josef genießt nicht nur das üppige Mahl, sondern würde auch eine Nacht mit seiner Braut unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen nicht ablehnen. Was für ein Freund.
Zumindest ist er am Ende loyal Nucki gegenüber.
Lubitsch nimmt wirklich alle auf die Schippe, nicht nur die Neureichen, sondern genauso die Aristokraaten, die alles dafür tun würden, um wieder an Geld zu kommen.
Und aus irgendeinem Grund funktioniert es. Ich mochte tatsächlich keinen von ihnen gar nicht, obwohl sie es verdient hätten.
Mein Liebling war Ossi. Ossi Oswalda - die "deutsche Mary Pickford" - spielte das verzogene Gör mit soviel Energie und Charm, daß sie einfach nur goldig war. Es ist wirklich schwer zu beschreiben. Es gibt ein paar wirklich witzige Szenen, wie zum Beispiel Ossis Versuch, sich um ein "Baby" zu kümmern, aber auch der plötzliche "Ausbruch einer Foxtrott-Epidemie", die das ganze Haus zum Tanzen bringt, das Personal eingeschlossen. Da Josef immer noch mit Essen beschäftigt ist, fragt Ossi einfach einen Diener im Flur, ob er Foxtrott tanzen kann, und schon legen sie los.
Die Szene ist wirklich herrlich, sie werden einfach alle von der Musik mitgerissen.
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| Was könnte bei einem solchen Bandleader schon schiefgehen? Er war mit Herz und Seele ... und Körper ... dabei! Ich mußte so lachen. |
Ich hatte von dem Film schon gehört gehabt und war von dieser frühen Lubitsch-Komödie nicht enttäuscht, die er (laut des "Lexikon des internationalen Films") seine "erste Komödie mit definitivem Stil", den Schritt "von Komödie zu Satire" nannte.
Auf jeden Fall einer für die Liste zum nochmal Anschauen!
Quellen:
1. Fritzi Kramer: The Oyster Princess (1919) - A Silent Film Review. Auf: Movies Silently, 15. März 2013 (auf Englisch)
2. Jim Tudor: The Oyster Princess / Meyer from Berlin (1919). Auf: Zekefilm, 11. Juli 2023 (auf Englisch)
3. Vor 100 Jahren: Uraufführung von "Die Austernprinzessin". Auf: Stummfilm-Magazin, 12. Juni 2019







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