Freitag, 4. Juli 2025

Gaslicht oder Das Haus der Lady Alquist

Lisa von Boondock Ramblings hat auf ihrem Blog diesmal den "Summer of Angela (Lansbury)". Ich werde nicht voll daran teilnehmen, weil ich nicht zu allen Filmen Zugang habe.
Also dachte ich mir, ich würde diesen Post ein bißchen anders machen und mich damit nicht nur auf "Das Haus der Lady Alquist" konzentrieren.

Bild über pxhere


Wußtet ihr, daß der Begriff "Gaslighting" von diesem Film abstammt? Obwohl der Begriff schon früher verwendet wurde, wurde er Mitte der 2010er populär. 2022 war er zum Beispiel Merriam Websters Wort des Jahres.
"Die moderne Definition von Gaslighting ist eine psychologische Manipulationstechnik, mit der eine Person versucht, jemanden davon zu überzeugen, daß ihre oder seine Realität unwahr ist." Das geht über einen Streit oder darüber, jemandem die eigene Meinung oder Art zu denken aufzudrängen, hinaus. Es soll einem Menschen Kontrolle über einen anderen geben, indem man ihn dazu bringt, sich selber und was er glaubt und denkt, in Frage zu stellen.
Wo kommt dabei aber das Gaslicht ins Spiel?

Gas Light ist ein Theaterstück von 1938, das von dem britischen Romanautor und Dramatiker Patrick Hamilton geschrieben wurde und nicht nur in Großbritannien gut aufgenommen wurden, sondern auch in Los Angeles - als "Five Chelsea Lane" - und später am Broadway - als "Angel Street" ein Riesenerfolg war.
Es wurde außerdem in mehreren Ländern verfilmt und ich möchte mir drei dieser Verfilmungen anschauen.

Eine ist der Film von 1940, von dem ich nicht mal wußte, daß es ihn gibt (mehr darüber später), mit Anton Walbrook (der österreichische Schauspieler Adolf Wohlbrück nahm den englischen Namen nach seiner Emigration an) und Diana Wynyard.
Eine ist der Film von 1944 mit
 Ingrid Bergman, Charles Boyer, Joseph Cotten - und natürlich Angela Lansbury.
Dann ist da noch eine deutsche Version - es hat mehrere gegeben - von 1960 mit Dieter Borsche und Margot Trooger.

Im Grunde ist die Handlung (Spoileralarm!) in allen Verfilmungen die gleiche - ein Mann, der versucht, seine Frau davon zu überzeugen, daß sie wahnsinning ist.
Der Film von 1940 hat ein paar der Namen verändert, die Handlung hält sich aber nah an das Stück.
Der Film von 1944, der ungefähr eine halbe Stunde länger ist, hat jedoch nicht nur einige der Namen verändert und eine mögliche Liebesgeschichte am Ende hinzugefügt, sondern bietet auch eine komplette Vorgeschichte am Anfang statt nur einer Szene.
Das Fernsehspiel von 1960 hat die Namen nicht verändert und bleibt nah am Stück.
Ich hoffe, das wird ab hier jetzt nicht zu verwirrend.

Ihr wißt, daß ich mir normalerweise nicht nur Information über die Filme anschaue, sondern auch ein paar andere Rezensionen, weil sie mich manchmal dazu bringen, mir Dinge genauer anzuschauen oder auch um zu sehen, ob ich etwas anders interpretiert habe als andere.
Diesmal habe ich nur einen kurzen Blick in Rezensionen geworfen und mich dafür entschieden, nur meine eigenen persönlichen Gedanken zu diesen drei Versionen aufzuschreiben.

***


Ich fange mit dem Hollywood-Film von 1944     an, einfach weil er der bekannteste ist.


Die junge Paula Alquist verläßt das Haus in London, in dem ihre Tante Alice, eine berühmte Opernsängerin, bei der sie aufgewachsen ist, brutal ermordet wurde. Sie geht nach Italien, wo sie Gregory Anton kennenlernt, der sie während ihrer Gesangsstunden auf dem Klavier begleitet. Sie verlieben sich und heiraten, dann kehren sie nach London zurück.
Nachdem Paula einen von einem Sergius/Sergis (ich habe Sergius verstanden, man findet aber beide Namen) unterschriebenen Brief an ihre findet, ändern sich die Dinge zwischen Gregory und ihr. Er läßt alles, was Alice gehört hat, auf den Dachboden bringen, den er mit Brettern vernageln läßt. Er geht jede Nacht aus und flirtet vor Paula mit Nancy, dem Dienstmädchen. Er behandelt Paula abwechselnd liebevoll, herablassend oder ärgerlich. Er isoliert sie von der Außenwelt und sagt ihr, daß sie Dinge vergißt, verliert und sich einbildet, bis sie selber anfängt, daran zu glauben. Das einzige Mal, daß sie darauf besteht, zu einer Vorführung zu gehen, treibt er sie zum Zusammenbruch, indem er behauptet, sie habe seine Uhr gestohlen.
Sie hört Schritte über ihrem Zimmer und das Gaslicht wird schwächer, ohne daß eine andere Lampe im Haus angezündet wurde.
Schließlich behauptet Gregory, daß Paulas Mutter wahnsinnig war und in einer Anstalt starb, daß der Letter von Bauer niemals existiert hat und daß auch Paula eingewiesen werden muß.
Ein junger Scotland Yard-Beamter, Brian Cameron hat Gregory jedoch erkannt, da er als Kind ein Bewunderer von Alice war und Gregory bei ihr gesehen hat. Er besucht Paula, um ihr die Wahrheit über ihn zu erzählen - daß er nur versucht, sie in den Wahnsinn zu treiben, um vollen Zugang zu ihrem Vermögen zu erhalten, daß es seine Schritte sind und daß das Gaslicht unten schwächer wird, weil er das auf dem Dachboden aufdreht, um dort nach Alice Alquists Juwelen zu suchen. Sie finden den Brief von Bauer und Cameron erkennt, daß Gregory in Wirklichkeit Bauer ist, der schon eine Frau in Prag hat.
Während Cameron noch mit Paula spricht und Elizabeth, die Köchin, darum bittet, auf ihre Herrin aufzupassen, findet Gregory die Juwelen zwischen Straßsteinen versteckt, die auf ein Kleid aufgenäht sind.
Gregory wird ins Gefängnis gebracht. Paula und Cameron treten nach draußen und es ist klar, daß Cameron Paula wiedersehen möchte.


***

Als nächstes ist der britische Film von 1940 dran, "Gaslicht".

Fair Use über Wikimedia Commons


Hier gibt es keine Vorgeschichte außer der Szene, in der eine alte Dame, Alice Barlow, erwürgt wird (mit ihrem eigenen Sticktwist!) und jemand auf der Suche nach etwas das Mobiliar zerlegt.
Erst Jahre später zieht das Ehepaar Mallen, Paul und Bella, in ihr Haus.
Paul behandelt Bella grausam und erhöht den Druck auf sie immer mehr. Er läßt sie glauben, daß sie Dinge stiehlt, vergißt und sich einbildet, erinnert sie an den Wahnsinn ihrer Mutter und droht ihr damit, sie in eine Anstalt einweisen zu lassen.
Er ist auch gemein zu ihrem einzigen Freund, einem kleinen Hund, und später wird impliziert, daß der Hund tot ist (ich habe beschlossen, das einfach nicht zu glauben). Er flirtet nicht nur mit Nancy, sondern küßt sie sogar und führt sie ins Variété aus.
Während er weg ist, erhält Bella Besuch von einem Ex-Polizisten namens Rough, der Paul als einen Mann names Louis Bauer erkannt hat. Er hat auch ihren Cousin informiert, der von Paul fortgeschickt wurde. Er erzählt ihr die Wahrheit über Paul und das Gaslicht und die Geschichte von Alice Barlow und ihren verschwundenen Rubinen.
Als Mallen zurückkommt, konfrontiert Rough ihn. Bella findet die Brosche, von der Paul gesagt hat, sie habe sie verloren, und zeigt Rough, daß man sie öffnen kann. Rough erkennt sie als Alices Brosche. Innen sind Einbuchtungen, in der lose Steine waren, die Bella in einer Vase aufbewahrt hat - Alices wertvolle Rubine, nach denen Paul die ganze Zeit gesucht hat.
Paul wirft einen Stuhl nach Rough, aber zusammen mit seinem Helfer gelingt es Rough, ihn zu fesseln. Bella spricht mit ihm und verhöhnt ihn. Als Paul von der Polizei weggebracht wird, tritt Bella allein auf den Balkon hinaus.

***


Als letztes kommt das deutsche Fernsehspiel an die Reihe.


Jack und Bella Manningham sind in ihrem Salon. Jack läßt Bella glauben, daß sie Dinge stiehlt, vergißt und sich einbildet, er erinnert sie an den Wahnsinn ihrer Mutter - sie ist in dem Alter gestorben, in dem Bella jetzt ist - und droht ihr mit der Einweisung in eine Anstalt. Er flirtet mit Nancy. Er behauptet sogar, daß Bella ihren eigenen Hund verletzt hat.
Während Jack am Abend ausgegangen ist, bekommt Bella Besucht, den Ex-Polizisten Rough, der ihr erzählt, daß Jack tatsächlich Sidney Power ist, der Alice Barlow wegen ihrer Rubine die Kehle durchgeschnitten hat. Er nennt Bella beharrlich bei ihrem Mädchennamen "Bella Royd", um ihr klarzumachen, daß Jack schon eine Frau in Australien hat.
Sie finden außerdem heraus, daß Jack versucht hat, Bella langsam mit ihrer "Medizin" zu vergiften.
Als sie Jacks Schreibtisch öffnen, finden sie Bellas Brosche und Bella zeigt Rough die Rubine, die sie herausgenommen und in eine Vase gelegt hat.
Als Jack zurückkommt, konfrontiert Rough in. Nach kurzem Kampf versucht Jack zu flüchten, wird aber von der Polizei gefangen genommen. An einen Stuhl gefesselt versucht er Bella dazu zu bringen, ihn zu befreien, aber sie verhöhnt ihn nur. Die Polizei nimmt Jack mit und Bella geht allein ihre Treppe hinauf.


***

Mir hat "Das Haus der Lady Alquist" immer gefallen. Ich bin ein Fan von Ingrid Bergman und liebe ihre Darstellung der Paula Alquist, für die sie einen Oscar bekommen hat.

Es ist immer schwierig, andere Verfilmungen anzuschauen, wenn man mit der, die man schon kennt, zufrieden ist, also war ich etwas mißtrauisch, dann aber erstaunte mich, wie schnell mich der britische Film in den Bann zog. Natürlich springt man ohne Vorgeschichte ja auch direkt ins Geschehen.

Ich verstehe, wenn andere es lieber mögen zu sehen, wie sich die Beziehung zwischen Gregory and Paula entwickelt, wie er sie aufbaut, um sie danach dann langsam zu zerstören, jetzt da er hat, was er wollte, uneingeschränkten Zugang zum Haus.
Ich andererseits wurde von dem Kontrast zwischen Paul und Bella ziemlich überwältigt. Sie mag diejenige gewesen sein, die fürchtete, den Verstand zu verlieren, tatsächlich konnte man aber erkennen, daß er der Verrückte war, was ihn meiner Meinung nach zu einem großartigen Bösewicht machte.
Wo Gregory subtiler ist, ist Paul unumwunden böse. Ich finde, das zeigt sich auch in dem Variétébesuch mit Nancy. Gregory wird von Nancy angezogen, Paul geht einen Schritt weiter. Ihm ist egal, wen er benutzt und wie er an sein Ziel kommt.
Am Schluß kann man Boyers Besessenheit mit den Steinen erkennen - keine Ahnung, ob das Absicht war, aber ich mochte den Lichteffekt in seinen Augen, als er über die Juwelen spricht, und dann blinzelt er und das Licht ist weg - aber es war doch noch ziemlich kontrolliert. Obwohl das gut gespielt war, mochte ich Walbrooks zügellosen Wahnsinn doch noch mehr. Es wäre interessant gewesen, ihn zusammen mit Bergman zu sehen.
Dieter Borsche zeigt weder den subtilen Charm von Boyer noch Walbrooks Wahnsinn. Stattdessen versteckt er sich hinter der Maske des respektablen Gentlemans, was es nicht weniger schrecklich machte.


Bergman war großartig und sie hatte eine Menge Gelegenheiten, die gesamte Bandbreite an Emotionen zu zeigen, glücklich, zweifelnd, verängstigt, gebrochen, racheerfüllt.
Wynyard hatte diese nicht. Ich kannte sie nicht vor diesem Film, aber sie hätte Bergman wahrscheinlich nicht ausgestochen. Trotzdem mochte ich ihre Darstellung sehr, vor allem am Ende, wenn sie ihren Mann verhöhnt, bis er vollkommen die Kontrolle verliert.

Die Nancy. Ich hätte gern sogar noch mehr von Lansbury gesehen. Ihre Nancy war wirklich unsympathisch mit der Art, wie sie die ganze Zeit auf ihre Herrin herabzusehen schien, tatsächlich schien mir aber, als ob sie dies hauptsächlich als Chance ansah, ihre Stellung im Leben zu verbessern, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was das für Paula bedeuten würde. Eine naive Hoffnung, denn wir wissen, daß sie für Gregory nur eine kleine Affäre gewesen wäre, aber diese Naivität paßte gut dazu, daß sie so jung war (17, als sie mit dem Filmen anfingen).
Cathleen Cordell war gut darin zu flirten und verführerisch zu sein, aber es schien mir oberflächlicher als Lansbury. Irgendwie kam es mir vor, als hätte Cordells Nancy mehr Erfahrung.
Christine Maybach war in Ordnung, lieferte aber nicht soviel wie die anderen beiden.

Ich finde, Joseph Cotten war etwas jung für die Rolle. Sie mußten ihn zu Alices kindlichem Bewunderer von vor Jahren machen, um ihm einen Grund zu geben, an diesem alten Fall interessiert zu sein. Das war wahrscheinlich nötig, weil eine Liebesgeschichte angedeutet wurde.
Rough, der Ex-Polizist in den beiden anderen Verfilmungen, macht für mich mehr Sinn - das hier ist ein offener Fall, der ihn seit Jahren verfolgt, bevor er den Mörder erkennt und ein weiteres Verbrechen verhindert.
Was mir aber besser gefiel war, wie Cameron Paula dazu bringen konnte, ihm zu vertrauen, indem er ihr den zweiten Handschuh zeigte, den ihm Alice als Kind geschenkt hatte. Rough erlangt ihr Vertrauen hauptsächlich durch sein Alter und sein väterliches Benehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine Frau, die vor Angst schon ganz verrückt ist, so bereitwillig einem völlig Fremden zuhören würde.

Eine Frage noch - wozu war Dame May Whitty als neugierige Nachbarin im Film von 1944 dabei? Nur damit sie Cameron von dem Haus erzählen konnte? Oder als Comic Relief?

***

Würdet ihr glauben, daß MGM das Publikum tatsächlich zu gaslighten versuchte, als sie ihr Remake machten? MGM kaufte das Recht am Theaterstück, bestand aber darauf, daß alle Kopien des britischen Films, der es bis dahin noch nicht auf den US-Markt geschafft hatte, vernichtet würden, um so mögliche Konkurrenz auszuschließen. Der Regisseur des Film, Thorold Dickinson, hatte die Voraussicht, eine persönliche Kopie zu ziehen.
Ich weiß nicht, was für eine Art Konkurrenz das gewesen wäre, als der 1944er Film herauskam.
Sie hatten die Stars und sie hatten das Geld für Glamour. Vergleicht doch nur mal die Sets, oh, und die Kleider.
Bergmans Kleider waren fantastisch und ich fand es toll, was sie mit ihrem Haar machten.
Tja, und die deutsche Version war als Fernsehspiel am einfachsten im Hinblick auf Sets und Kostüme (aber die Waffeln zum Tee sahen hübsch aus 
😉).

Alle drei Verfilmungen waren in mehreren Punkten recht unterschiedlich, aber wißt ihr was? Mir haben alle wirklich gut gefallen.
Trotzdem habe ich einen Favoriten und sehr zu meiner Überraschung ist das der Film von 1940. Für mich ist es tatsächlich in Ordnung, keine lange Vorgeschichte zu haben. Vielleicht werde ich ja ungeduldiger mit so manchem, aber mir gefiel, daß der Film kürzer war, nicht so sehr ausschmückte, straffer schien. Ja, und ihr habt vielleicht auch bemerkt, daß ich Paul Gregory vorziehe - wenn man im Fall eines Bösewichtes überhaupt von "vorziehen" sprechen kann.
Möglicherweise gefällt mir Walbrook einfach besser als Boyer (ich mochte ihn auch in "Die roten Schuhe" und hoffe, ich finde noch andere Filme mit ihm).

Es hätte Spaß gemacht, auch noch die anderen Verfilmungen zu finden, die deutschen und ein australisches, und vielleicht wäre es ganz interessant, das Stück auf der Bühne zu sehen. Ich muß mal schauen, ob es da etwas gibt.

Kompliment, falls ihr es bis hier geschafft habt, und danke! Habt ihr einen der Filme gesehen und was haltet ihr davon?


Quellen (englischsprachig):

1. Amanda L. Chase Avera: Gaslighting: What Is It And How Do We Fight Back? Auf: Middle Georgia State University - News, 17. April 2023
2. Gideon Haigh: GASLIGHT-ing: An Inquiry. Auf: Cricket et al, 22. Mai 2024


Es tut mir leid, daß meine Quellen meist nur englischsprachig sind, aber mein englischer Blog wird einfach mehr frequentiert und der Zeitaufwand für die Recherche ist oft so groß, daß ich nicht auch noch die Zeit finde, adäquate deutsche Quellen zu suchen. Sollte euch ein Artikel interessieren, gibt es Übersetzungsprogramme, die zumindest einen Eindruck vermitteln können.

Speziell zu "Gaslighting" gibt es sehr viele Artikel.

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