Vor ein paar Monaten habe ich zu Sharon McCone Tschüß gesagt, als das letzte Buch in der Reihe bei mir eintraf. Ja, das war ein wenig voreilig, da ich tatsächlich das Buch davor verpaßt hatte, aber jetzt war es nett, stattdessen damit aufzuhören, weil ich es lieber als das letzte mochte.
Ich erwähnte auch, daß ich traurig war, als ich das jeweils letzte Scheibenwelt- und Kinsey Millhone-Buch las, nachdem Terry Pratchett und Sue Grafton gestorben waren.
Neulich war es wieder mal Zeit, meine Bücher für eine kleine Ausmistaktion durchzuschauen. Dabei stieß ich auf die drei Bücher von Sandra West Prowell.
Mein erstes Buch von Sandra West Prowell - nicht das erste i der Reihe - kaufte ich auf einem Flohmarkt und ich wurde direkt von ihrer Hauptfigur gefesselt, der früheren FBI-Agentin, dann Privatdetektivin Phoebe Siegel, die in Montana lebt.
Phoebe kommt aus einer jüdisch-katholischen Familie, ihr Vater und einer ihrer Brüder waren Polizisten.
Als sie eine Menge Geld von ihrer Tante erbt, hat Phoebe die Chance, ein altes Haus zu kaufen und ihre Dienste als Privatdetektivin zu einem sehr günstigen Honorar anzubieten. Ihr Hauptansporn ist die Verbindung zu den Opfern, die sie spürt.
Die Bücher sind keine Whodunits, in denen die Aufklärung des Verbrechens am wichtigsten ist, sie handeln nicht nur von den Fällen, sondern auch von Problemen in der Familie und von Phoebes Beziehungen, aber nicht auf eine Art, die mich nervt. Das könnte natürlich damit zu tun haben, daß es nur drei Bücher gibt.
Charakterentwicklung ist gut, aber es kann einen auch fertigmachen, wenn zum Beispiel die Hauptfigur über ich weiß nicht wieviele Bücher keinen glücklichen Moment in ihrem Leben hat, was für mich mehr als einmal Grund war, eine Reihe abzubrechen. Das Leben ist deprimierend genug.
Das hier soll jedoch keine Rezension von Prowells Büchern sein, schließlich ist es der einfach nur so Samstag.
Ich möchte darüber sprechen, warum es nur drei Bücher gibt. In der kurzen Autorenvorstellung im letzten Buch heißt es "... arbeitet zur Zeit am vierten Band um die Detektivin Phoebe Siegel."
Ich habe mich darauf gefreut, auf einen neuen Fall und zu lesen, wie es mit ihrer Beziehung mit dem indianischen Deputy weitergehen würde.
Also habe ich hin und wieder nach ihr gesucht, aber der vierte Roman tauchte niemals auf, nicht mal auf Englisch. Dann vergaß ich es wieder. Das tat ich fast zehn Jahre lang immer wieder mal und fragte mich, wohin Prowell verschwunden war, nicht obsessiv, sondern gewöhnlich dann, wenn ich ein Buch an eine Stelle in meinen Schrank stellte, die in der Nähe ihrer Bücher lag.
Seltsamerweise kann ich mich nicht erinnern, das auch mit anderen gemacht zu haben. Ich schätze, es lag an dieser Einführung. Wenn sie an einem Buch gearbeitet hatte, was war dann wohl passiert?
Ich bin auch einer dieser Menschen, die sich einen alten Film oder eine Serie anschauen und überlegen, wo diese Schauspielerin oder jener Schauspieler wohl abgeblieben ist, und sie dann nachschlägt. Ich möchte jedoch klarstellen, daß ich nicht auf diese schrecklichen Clickbait-Videos auf YouTube hereinfalle, die getürkte Bilder von jemandes "grausigem Schicksal" zeigen; und wenn ich so darüber nachdenke, beschränke ich meine Suche gewöhnlich auch auf Schauspieler und Autoren (und manchmal Katzen und Hunde aus dem Web, die mir ans Herz gewachsen sind, was dann zu Tränen führen kann, aber das ist eine andere Geschichte).
Eines Tages fand ich, sehr zu meiner Überraschung, einen Post von November 2016 auf Lise McClendons Website. McClendon schreibt ebenfalls Krimis und war Prowells Freundin, bis sie den Kontakt verloren.
Sie schrieb den Post an dem Tag, an dem sie erfuhr, daß ihre Freundin ein Jahr zuvor gestorben war.
Offensichtlich hatte Prowell unbekannte Probleme, die nicht nur dazu führten, daß sie zu schreiben aufhörte (obwohl der vierte Phoebe Siegel 2000 oder 2001 herauskommen sollte und es außerdem ein Standalone-Manuskript gab) und den Kontakt zu befreundeten Autoren abbrach, sondern sogar dazu, daß sie aufhörte, mit ihrer Familie über das Schreiben zu sprechen.
Das machte mich merkwürdig traurig. Ich weiß nicht, was ich zu finden erwartet hatte, aber das war es nicht.
Natürlich passiert dasselbe mit Menschen in unserem eigenen Leben. Es ist wie ein Zug. Leute fahren von Anfang an bis zur Endstation mit einem, manche nur von einer zur nächsten Haltestelle, manche steigen plötzlich aus, vielleicht sogar ohne sich zu verabschieden, und manchmal wirft man selber jemanden aus dem Zug ... hm, vielleicht ist die Analogie doch nicht so gut, aber ihr wißt, was ich meine.
Wir können nicht erwarten, unser ganzes Leben mit immer denselben Menschen darin zu verbringen, auch wenn es vielleicht ein Schock ist, wenn jemand nach langer Zeit plötzlich abspringt.
Bei manchen ist es einfacher zu akzeptieren, bei anderen nicht. Manchmal tut es weh, das Gefühl zu haben, daß einen jemand aus seinem Leben geschnitten hat, ohne zu wissen, was man getan hat oder ob es überhaupt mit einem selber zu tun hat. Manchmal driftet man einfach auseinander und es ist in Ordnung.
Und manchmal meldet man sich und nimmt wieder Kontakt auf, was funktionieren kann oder auch nicht.
Das erinnert mich daran, daß da eine Freundin ist, die ich anrufen sollte. Es ist schon eine Weile her, daß wir uns das letzte Mal gesprochen haben.
Oh, falls ihr es übrigens wissen wollt, die Prowell-Bücher wurden nicht ausgemistet.
Quelle (englisch):
Lise McClendon: Remembering Sandra West Prowell. Auf:Lise McClendon, 18. November 2016