Samstag, 7. Juni 2025

Einfach nur so Samstag - Synchronisation

In unserem "daily thread" in meinem Schmuckforum habe ich vor einer Weile über synchronisierte Filme gesprochen und erfuhr, daß meine englischsprachigen Freunde nie groß darüber nachgedacht hatten, weil sie selber noch nie einen gesehen hatten.
Andererseits hatte ich mir nicht so richtig bewußt gemacht, daß nicht alle Länder eine so große Synchronisationsindustrie wie Deutschland, Italien, Spanien oder andere haben.
Tatsächlich hatte ich der Geschichte der Synchronisation gar nie viel Beachtung geschenkt, bevor ich dank eines meiner Lieblingsfilme, "Dracula" von 1931, der auch auf Spanisch gedreht wurde (mehr darüber hier), von Versionsfilmen gehört hatte.

Warum schauen sich in Deutschland angeblich 90% der Konsumenten synchronisierte Versionen an? Ich muß gestehen, daß mich die hohe Zahl doch überraschte.
Ist das einfach eine historisch gewachsene Angewohnheit, weil fast alle Filme und Serien synchronisiert werden oder gibt es auch noch andere Gründe?

Bild über pxhere


Fangen wir mit der Geschichte an.
1929 waren Tonfilme noch recht jung. Die Hauptdarstellerin Anny Ondra in Hitchcocks Film "Erpressung" hatte einen tschechischen Akzent, wenn sie Englisch sprach, aber Nachsynchronisieren war technisch noch unmöglich. Also bewegte Ondra nur die Lippen zum Text, der abseits der Kamera von Joan Barry gesprochen wurde, was als erstes Beispiel von "Synchronisation" angesehen wird.

Um Filme auch an ein nicht englisch sprechendes Publikum zu vermarkten, gab es entweder die oben erwähnten Versionenfilme, das heißt, ein Film wurde mit Muttersprachlern in verschiedenen Sprachen verfilmt, was beim Publikum verständlicherweise die beliebteste Methode war.
Eine weitere Möglichkeit war, die Schauspieler den Text in anderen Sprachen auswendig lernen zu lassen. Es hört sich recht nett an, wenn zum Beispiel Laurel und Hardy Deutsch sprechen, aber es kann schwer verständlich sein.
Dann gibt es noch die Untertitel. Ich kenne eine Menge Leute, die finden, daß Untertitel von dem ablenken, was auf dem Bildschirm passiert. Ich habe außerdem von amerikanischen Freunden gehört, daß sie wegen der Untertitel keine ausländischen Filme anschauen wollen, also finde ich es etwas verwirrend, wenn sie überrascht darüber sind, daß Deutsche (und andere) das auch nicht wollen. Es gibt allerdings Länder, die daran gewöhnt sind, zum Beispiel Schweden.

Das Synchronisieren, was zunächst in Hollywood und dann in Frankreich stattfand, bevor die ersten Studios in Deutschland eröffnet wurden, war immer kontrovers and vor allem bei den ersten Filmen heftig kritisiert, bei denen versucht wurde, den Text streng an die Lippenbewegungen anzugleichen, was zu hölzernem Deutsch führte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Filme nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch zur
Umerziehung der Deutschen gezeigt.
Filme liefen in den Originalsprachen - amerikanisches oder britisches Englisch, Russisch, Französisch - und mit spärlichen Untertiteln, was beim Publikum nicht ankam, also wurde das Synchronisieren zur Norm und Deutschland baute eine der weltgrößten Synchronisationsindustrien auf.

Deutschland war allerdings noch nicht zur Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit bereit. Kennt ihr den Hitchcock-Film "Berüchtigt"? Die Nazis aus dem Original wurden in der deutschen Synchronisation zu internationalen Rauschgiftschmugglern, daher war der Filmtitel "Weißes Gift".
"Casablanca" erhielt eine deutsche Version, in der alle Nazis in Uniform herausgeschnitten waren.
Keine Sorge, diese Version haben wir nicht mehr, ich kann mich nicht mal daran erinnern, daß ich sie selber je gesehen hätte.

Das ist aber nur ein Teil der großen Kontroverse um das Synchronisieren.
Kann ein synchronisierter Film eine Botschaft genauso wie das Original vermitteln? Wie synchronisiert man, ohne daß der Einfluß der Originalkultur verloren geht? Ohne Akzente, Dialekte oder landesspezifisches Vokabular?
Um ehrlich zu sein, wenn jemand keine britischen Dialekte kennt - nur ein Beispiel - und diese Filme/Serien mit Untertiteln anschauen würde, bezweifle ich, daß sie die Dialekte analysieren würden oder das überhaupt fertigbrächten, während sie versuchen, der Handlung über Untertitel zu folgen.
Manchmal wurde Dialekte mit deutschen Dialekten ersetzt.
Im Film "Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug" sprechen die Schwarzen aus dem Süden in der deutschen Synchronisation Bayerisch, und ich fand das immer gräßlich, weil es den Witz für mich nicht gut rüberbrachte.
Hauptsächlich wird aber auf Hochdeutsch synchronisiert, frei von jeglichem regionalen Dialekt.
Das ist an sich schon kontrovers, denn "Skeptiker argumentieren, daß dieses Hochdeutsch ein gefährlicher homogenisierender Nationalismus ist, der die Vielfalt der deutschen Stimmen auf der Leinwand ausradiert".
Ich frage mich allerdings, welche Dialekte diese Skeptiker dann für die Synchronisation auswählen würden?
Sollten die Schauspielerinnen und Schauspieler einfach in ihrem eigenen ursprünglichen Dialekt sprechen? Sollte die Produktion einen Dialekt für sie auswählen, also ein Charakter aus Schottland zum Beispiel Plattdütsch spreche und einer aus London Oberbayerisch?
Damit hätten wir dann wohl doch auch ein Problem. Ich schwätz' Schwäbisch, nicht extrem, aber offensichtlich so, daß es Leute gibt, die nicht alles verstehen können, und ich konnte meine Oma nicht verstehen, wenn sie Platt redete. Wohin würde das führen? Ich habe sogar schon deutsche Sendungen gesehen, in denen starke Dialekte Untertitel bekamen.

Bild über pxhere

Natürlich gibt es gute und schlechte Synchronisationen, genauso wie es gute und schlechte Übersetzungen gibt - und auch gutes und schlechtes Schauspiel.
Wir mögen ja nicht immer ihre Namen kennen - was echt eine Schande ist - aber trotzdem schätzen wir unsere Synchronsprecher und -sprecherinnen. Gewöhnlich sprechen sie nicht nur eine Person und manchmal bemerkt man das nicht mal sofort, bis man eine Stimme immer öfter hört.
Das ist die Kunst der Synchronisation, so wie Schauspieler in unterschiedliche Charaktere schlüpfen, so schlüpfen Synchronsprecher quasi in verschiedene Schauspieler, und wenn sie gut sind, ist das auch völlig glaubwürdig.

Einer unserer bekanntesten Synchronsprecher, Christian Brücker, ist für uns Robert de Niro, aber auch Martin Sheen oder Harvey Keitel. Cary Grant hatte im Laufe der Zeit verschiedene Stimmen. Filme hatten mehr als eine Synchronfassung, zum Beispiel "Arsen und Spitzenhäubchen" (oder "Berüchtigt"
😉).
Manchmal wird etwas für eine neue DVD- oder BluRay-Ausgabe neu synchronisiert.
Wir sind geschockt, wenn die langjährige "Stimme" eines Stars stirbt, denn das bedeutet, wir müssen uns an eine neue gewöhnen. Werden sie die richtige wählen? Oder jemand bekommt eine neue Stimme, weil die alte keine Zeit hat, mehr Geld will oder weil es ein Zerwürfnis gab. David Duchovny bekam eine neue Stimme und ich konnte von da an die Synchronversion nicht mehr anschauen, es hörte sich für mich einfach falsch an.
Ihr müßt auch bedenken, daß wir hier natürlich vor dem Internet vielleicht gar nie die Möglichkeit hatten, das Original zu sehen.

Es kann aber auch Zensur geben (siehe nochmal "Berüchtigt"), aber auch "Zensur". Damit meine ich, daß manche Serien im sogenannten Schnodderdeutsch synchronisiert wurden, das ist keine echte Zensur, aber ... keinen Schimmer, wie man das nennen könnte.
"Solch eine Erscheinungsform der deutschen Sprache wird zum Zweck des Humors und der Satire gebraucht und ist durch Neologismen, scheinbare Sprichwörter, untypische Metaphern und Vergleiche, Stilbrüche, Normverstöße und Logikbrüche charakterisiert."
Man könnte auch sagen, sie sind völlig über Bord gegangen. Ich war total baff, als ich manche der Serien meiner Kindheit im Original sah.
Auch die Anpassung des Textes an Lippenbewegungen kann zu kleinen (?) Änderungen im deutschen Script führen, das bedeutet aber auch, daß man nicht das Gefühl hat, es stimmt irgendetwas nicht.

Wie jedoch erwähnt ist das nicht nur eine deutsche Sache. Ich habe schließlich auch DVDs mit mehreren Sprachen darauf und sogar noch mehr Untertiteln.
Die Kontroverse gibt es auch nicht nur hier und das hat nicht mal mit dem eigentlichen Konzept der Synchronisation zu tun, sondern mit Sprachunterschieden in verschiedenen Ländern. Österreicher sprechen kein "Hochdeutsch", warum sollten sie auch? Lateinamerikaner mögen offensichtlich nicht, wie in Spanien Spanisch gesprochen wird. Französisch i
n Québéc ist nicht das gleiche wie in Frankreich. Da gibt es sicherlich noch mehr.

Ich schaue Originale und/oder die Synchronfassungen.
Manchmal
- schaue ich zum Vergleich beides an, und wie ich schon sagte, es gibt gute und schlechte. Ich finde, man kann sagen, wieviel Geld für eine Synchronisation ausgegeben wurde - Hallmark-Weihnachtsfilme scheinen nicht gerade eine Superbehandlung zu erfahren - oder wie schnell etwas heruntersynchronisiert wurde.
Am meisten ärgere ich mich darüber, wenn Namen oder Städte falsch ausgesprochen werden.
- schaue ich mir die englische Originalfassung mit den englischen Untertiteln an, zum Beispiel wenn die Dialekte zu heftig für mich sind, wenn die Leute zu schnell sprechen oder stark nuscheln oder wenn der Ton nicht so toll ist oder wenn ich etwas spätabends anschaue und die Lautstärke nicht so aufdrehen will. Noch ein Ärgernis ist es für mich, wenn mir ein Fernsehsender ein englisches Original anbietet, aber nur mit deutschen oder französischen Untertiteln, die man nicht abstellen kann, ARTE, hierbei schaue ich auch an).
- muß ich mich erst an einen neuen Dialekt gewöhnen.
- ist mir sogar die synchronisierte Version lieber, weil ich die Originalstimme nicht mag (kann man sie in einem Animationsfilm aber überhaupt als original bezeichnen?
😋), oder weil diese Fassung positive Erinnerungen in mir auslöst, wie bei Serien oder Filmen aus meiner Kindheit, vor allem wenn wir unser Leben lang daraus zitiert haben.

Was ich übrigens vergessen habe zu erwähnen ist, daß auch heute Länder gern ihre komplett eigene Version von populären Filmen und Fernsehserien machen. Nehmt die BBC-Serie "Ghosts" (die ich liebe) - es gibt eine US-amerikanische und eine deutsche Fassung, und als ich zuletzt geschaut habe, waren Fassungen für Australien und Frankreich angekündigt.

Zum Schluß dieses langen Posts habe ich ein kurzes Video (auf Englisch) für euch. Wie reagieren Stars darauf, ihre ausländischen Stimmen zu hören?
😉




Quellen (in willkürlicher Reihenfolge)

1. Thomas Bräutigam: Deutschland, eine Synchronnation. Auf: Goethe-Institut USA, Januar 2017 (auf Deutsch)
2. Emily Manthei: Film dubbing as high art in Germany. Auf: DW (Deutsche Welle), 24. Mai 2019 (auf Englisch)
3. Miranda Stephenson: Unanswered Questions of German Culture I - Why are Foreign Films Still Dubbed for the German Viewer? Auf: The Cambridge Language Collective - Features (auf Englisch)
4. Peter Hoffmann: Die ersten Synchronversuche. Auf: Die vergessenen Filme - Synchronisierte Filme in Deutschland 1930-1945, 23. November 2015 (auf Deutsch)
5. Damien Pollard: The political history of dubbing in films. Auf: The Conversation, 13. Juli 2021 (auf Englisch)
6. Christina Focken: Synchronisierte Filme sind super. In: taz - Die steile These, 5. September 2020 (auf Deutsch)
7. Kevin Tierney: Quebec movies have a dubbing problem. In: The Gazette (Montreal), 3. August 2017 (auf Englisch)
8. Artikle "Schnodderdeutsch" auf dem deutschen Wikipedia (auf Deutsch)

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