Cat's Wire Galerie (verfügbare Stücke)

Seiten

Dienstag, 17. Juni 2025

Nostalgie - Glanzbilder

Letzten Samstag habe ich über die Tradition des Poesiealbums geschrieben. Ich habe Glanzbilder erwähnt und daß wir welche in einem Geschenk für eine in Ruhestand gehende Kollegin verwendet hatten.
Was ich nicht erwähnt hatte war, daß ich vielleicht ein kleines bißchen mehr gekauft habe als wir brauchten, hauptsächlich weil wir verschiedene Bilder verwenden wollten und dabei völlig über Bord gingen, von Erinnerungen überwältigt.
Sprechen wir über Glanzbilder.


Glanzbilder haben im Deutschen auch noch viele andere Namen, von denen ich allerdings die meisten noch nie gehört hatte. Es gibt da wohl auch regionale Unterschiede.
Sie heißen zum Beispiel Oblaten, Poesiebilder, Kleebilder, Lackbilder, Vielliebchen, Philippchen und mehr.

Ihre Geschichte begann im 19. Jahrhundert. Zunächst waren sie schwarz-weiß und mußten von Hand ausgeschnitten werden.
Die Erfindung des Farbdrucks in Form der Chromolithographie im Jahr 1837 ermöglichte es, Ephemera in großer Anzahl, in guter Qualität und zu niedrigen Preisen zu drucken. Unter diesen Ephemera waren Serien von Sammelbildern, die verschiedenen Produkten als Werbung beilagen, in speziellen Alben gesammelt werden konnten und auch getauscht wurden (was natürlich heute noch beliebt ist, obwohl die Bilder mit der Zeit von Werbeartikeln zu selbständigen Produkten wurden).


Um 1860 begann die Berliner Fabrik Hagelberg damit, Bögen mit mehreren Bildern zu drucken, prägen und stanzen, die durch kleine Papierstege verbunden waren.
Bis 1900 war Berlin die Hochburg der Glanzbildproduktion, es gab aber auch viele andere Hersteller in anderen Länden, obwohl sie oft nicht ausschließlich Glanzbilder herstellten.
Glanzbilder wurden in Sammelalben verwendet, die auch mit Gedichten oder anderen Erinnerungsstücken gefüllt wurden. Auf Englisch heißen die Bilder "scraps" und das Anlegen solcher Alben "scrapbooking". Ich kannte zwar den Ausdruck Scrapbook, wußte aber nicht, woher er kam, weil das etwas ist, was ich selber nie gemacht hatte. In Deutschland, aber auch anderen Ländern, in denen Deutsch oder Holländisch gesprochen wird, wurden die Bilder auch für Poesiealben benutzt.


Die Motive waren oft sentimental und romantisch, Engel, Kätzchen, Welpen, Vögel, Blumen, Schmetterlinge, saisonale Themen, Kinder und vieles mehr.
Sie waren bunt, für mehr Tiefe auch geprägt und natürlich liebten wir die beglimmerten, also die mit Glitzer, am meisten, die waren aber auch teurer.


Glanzbilder sind übrigens nicht wie Aufkleber selbstklebend. Sie mußten in ein Album geklebt werden.
Es gab aber auch einen anderen Weg, wie ich dank eines Posts von einer schwedischen Bloggerin herausgefunden habe. Sie hat Sammelalben mit klebrigen Blättern gezeigt, auf die man die Bilder auflegen und dann mit einer Plastikfolie schützen konnte (es gibt ein Video dafür).
Glanzbilder sind auch heute noch beliebt, dank einer Nostalgiewelle, auch wenn das ein bißchen kitschig ist. Es gibt nur noch zwei große Firmen, eine in Deutschland, die tatsächlich erst in 1948 damit anfing und sie weltweit vertreibt, eine in England, die auch Papiermasken und vintage inspirierte Karten macht.
Sie mögen ja nicht mehr im altmodischen Poesiealbum auftauchen, werden aber immer noch gesammelt und in Bastelarbeiten wie Scrapbooking, Collagen, Decoupage oder der Kartenherstellung verwendet.


Interessant ist auch, daß der Miteigentümer der deutschen Firme in Seniorenheime ging (noch geht?), um dort kleine Ausstellungen zu machen und über Glanzbilder zu sprechen.
Die Geschichten und der visuelle Eindruck sollen Erinnerungen in den Menschen erwecken und sie zum Nachdenken über positive Erfahrungen in ihrem Leben bringen.


Ich habe welche von meinen Bildern verschenkt, die vermutlich ihren Weg in Freundschaftsbücher, die Nachfolger der Poesiealben, finden werden, habe aber auch ein paar behalten, obwohl ich noch keine Idee habe, was ich damit machen werde.
Tatsächlich habe ich darüber nachgedacht, ein weiteres Poesiealbum anzufangen, aber das würde bedeuten, daß das Album herumgeschickt werden müßte, da die meisten meiner Freunde nicht in meiner Stadt leben, und das hört sich für mich dann doch nach einem zu großen Aufwand für sie an.
Also schätze ich mal, ich werde sie einfach ab und zu anschauen ... und mich selber daran erinnern, daß ich mein Poesiealbum immer noch nicht gefunden habe! 
😆



Quellen (deutsch und englisch):

1. Die Geschichte der Glanzbilder-Produktion. Auf: Ernst Freihoff - Glanzbilder - Reliefs / Glanzbilder Historie
2. Scrap Reliefs Collection. Auf: Mamelok Papercraft (auf Englisch)
3. Peter Kolakowski: Glanzbilder. Auf: DW (Deutsche Welle), 19. November 2009
4. Glanzbilder - heile Welt auf Papier gebannt. In: Mindener Tageblatt, 22. Dezember 2012 (über Wayback Machine)
5. Hanna Andersson: Collectible vintage Scrap die-cuts | Glanzbilder or Bokmärken. Auf: Studio iHanna, July 27, 2020 (mit einem Video, auf Englisch)
6. Scrapbooking and the origin of scrap relief. Auf: Fantastik, 11. Januar 2024 (auf Englisch)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen